Mit dem Bedeutungszuwachs des lebenslangen (lebensbegleitenden) Lernens und der damit einhergehenden implizierten Anforderung an jeden Einzelnen, individuell einen Beitrag zur Bewältigung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels zu leisten kommt dem nicht-formalen und informellen Lernen eine Schlüsselrolle zu. Diese Bereiche des Kompetenzerwerbs werden als unabdingbare Lernfelder der Kompetenzentwicklung im Prozess des lebenslangem Lernens betrachtet.
Aus pädagogischer Sicht empfiehlt sich daher den Blick von den explizit formalen Kompetenzen auf implizite „verborgene bzw. verdeckte“ Kompetenzen zu richten. Von fachspezifischen Kenntnisse auf ganzheitliche Schlüsselkompetenzen, von der linearen Qualifikationsorientierung auf persönliche Fähigkeiten und vom formalem auf das nicht-formelle Lernen (vgl. Heidegger 2000, 101).
Infolge des sich in den letzten zwanzig Jahren veränderten Selbstverständnisses der Weiterbildung wurde zunehmend die Bedeutung des lebenslangen Lernens[8] artikuliert. Einhergehend mit der Annahme, dass sich die heutige Gesellschaft zu einer Wissensgesellschaft[9] entwickelt, kommt der Bildung bzw. dem Lernen eine hohe Bedeutung zu, die in weiten Bereichen des Lebenslaufes eine wichtige Rolle einnimmt und diesen bestimmt. Für den Lernenden bedeutet dies die Selbststeuerung der Lernprozesse zu übernehmen und in eigener Verantwortlichkeit zu gestalten. Die Selbststeuerung übernimmt vormals fremdorganisierte Bildungsprozesse und zielt darauf ab, die im Laufe des Lebens erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten individuell immer wieder zu aktualisieren, zu erweitern und neue Kompetenzen zu erwerben.
Lebenslanges Lernen ist zu einem selbstverständlichem Bestandteil der Biografie und der gesellschaftlichen Entwicklung geworden, während Weiterbildung früher eher eine punktuelle arbeitsplatzorientierte, geplante, betrieblich koordinierte und gesteuerte Funktion erfüllte (vgl. Schiersmann/Strauß 2003, 147). Die Kontinuisierung der Lernprozesse wird dabei verstanden als die Gesamtheit aller formalen, nicht-formalen und informellen Lernprozesse bezogen auf alle Lebensphasen. Die Förderung lebenslanger Lernmöglichkeiten ist aus politischer Sicht ein notwendiger Garant der Beschäftigungsfähigkeit[10] und fortdauernder Innovationsfähigkeit eines Landes. Allerdings stellen sich Personen, die an einer Weiterbildung interessiert sind, auch vielfältige Hürden in den Weg. Sei es, dass durch eine reguläre Erwerbsarbeit keine Zeit für die Weiterbildung da ist, die Kosten für eine Weiterbildung zu hoch sind oder Familie und Arbeitgeber kein Verständnis für eine Zeit der Weiterbildung haben. Es bedarf demnach umfassender Regelungen und einem Paradigmenwechsel um lebenslange Lernprozesse zunächst ermöglichen zu können (vgl. Rothe 2001, 495).
Lernprozesse können dabei unterschieden werden in arbeitsbegleitendes Lernen, Lernen im privaten und gesellschaftlichem Umfeld, Lernen mit traditionellen Medien und Lernen mit den neuen Medien, d.h. in computergestützten bzw. netzbasierten Lernkontexten.
Eine von Schiersmann und Strauß durchgeführte Studie hat ergeben, dass unter Erwerbspersonen das arbeitsbegleitende Lernen als Lernkontext für die berufliche Entwicklung am wichtigsten angesehen wird. Das formale Lernen im privaten und gesellschaftlichen Umfeld hat besonders für Erwerbspersonen ohne qualifizierten Ausbildungsabschluss einen übergeordneten Stellenwert. Für (Fach)Hochschulabsolventen stehen die traditionellen Lernmedien im Fordergrund (vgl. Schiersmann/Strauß 2003, 150).
Eine der Voraussetzungen für das lebenslange Lernen ist eine hohe Motivation zum Lernen und der expliziten Selbststeuerung von Lernprozessen. Darunter wird verstanden, den Individuen die Verantwortung für das Lernen aufzubürden um somit, ökonomisch ausgedrückt, die Beschäftigungsfähigkeit nachhaltig zu verbessern.
Lebenslanges Lernen bedarf einer grundlegenden Umgestaltung der Lernwege und Lernzeiten als Möglichkeitsbedingungen für Bildung. Eine gelebte Lernkultur kann nur dann entstehen, wenn Lernen und berufliche Weiterbildung berufliche und persönliche Erfolge und Spaß bringt. Erst dann können Weiterbildungschancen von den Lernenden nicht nur als Anpassungsnotwendigkeit begriffen, sondern als Entfaltungsmöglichkeit genutzt werden (vgl. Faulstich 2001, 6). Dies ist mittlerweile überparteilicher politischer Konsens und fand unter anderem im Koalitionsvertrag der großen Koalition seinen Niederschlag[11].
Um mehr Menschen die Möglichkeiten der Weiterbildung eröffnen zu können wurden Wege auf Seiten der Politik und der Arbeitgeber geöffnet. Dazu zählen z.B. Regelungen zum Thema Zeit und Geld (Weiterbildung in den Tarifverträgen, Einrichtung von Zeitkonten und Finanzfonds zur Finanzierung von Qualifizierung), Institutionelle Prämissen (Reorganisation der Bildungsangebote und Bildungseinrichtungen, Kooperationen zwischen Bildungsanbietern und den Einsatzbereichen), die Erweiterung des Kompetenzerwerbs (vgl. ebd., 6). und die Anerkennungen nicht-formal erworbener Kompetenzen.
Formales Lernen findet in anerkannten Bildungsinstitutionen (Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen) statt, wird nach planmäßig strukturierten Curricula durchgeführt und führt zu anerkannten Abschlüssen mit der Vergabe von Zeugnissen beziehungsweise Zertifikaten. Es sind darunter alle Abschlüsse zu zählen, die von staatlichen und nicht-staatlichen Einrichtungen angeboten werden z.B. alle Schulabschlüsse, alle anerkannten Berufsausbildungen und alle Studiengänge an Berufsakademien, Fachhochschulen und Universitäten. Das formale Lernen zeichnet sich insbesondere durch die gestaltungspassive Rolle der Lernenden aus die ein Programm „durchlaufen“, mit dem Ziel einen Abschluss zu erlangen der durch ein Zeugnis oder Zertifikat allgemein beglaubigt wird und damit offizielle Anerkennung sicherstellt.
Nicht-formales Lernen geschieht außerhalb der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung und ist nicht mit anerkannten Abschlüssen und Zertifikaten verbunden. Das Lernen am Arbeitsplatz kann ebenso dazugehören, wie der Kompetenzerwerb im Zusammenhang mit ehrenamtlichen Tätigkeiten in Organisationen und Vereinen (Jugendorganisationen, Gewerkschaften, Kurse jeglicher Art etc.).
Die Abkopplung von formal vorgezeichneten Lernprozessen erfordert die Eigenmotivation bzw. Selbststeuerung der Lernenden. Mit der Selbststeuerung[12] von Lernprozessen ist zusammengefasst gemeint, das eigene Lernen unter der Prämisse eines lebenslangen Lernprozesses eigenverantwortlich und selbstmotiviert zu gestalten. Die Verantwortung für den Aufbau und Gestaltung des Curriculum Vitae liegt einzig und allein in der Hand des/r Lernenden und wird getragen von individuellem Engagement (vgl. Dohmen 1998, 54).
Der Ursprung des Begriffs „Selbstlernen“[13] ist im angelsächsischem Kulturraum zu finden und entstand in den späten 60er Jahren in Folge der Studentenbewegungen. An dieser Stelle soll der Begriff kurz erwähnt werden, da unter dem Diskurs um den Begriff „Selbstlernen“ das Ziel verfolgt wurde Bildung jedem zugänglich zu machen und einen Weg anzubieten aus den formalen Bildungswegen auszubrechen.
Es wurde damit versucht, ein alternatives Gegengewicht zu den traditionellen Bildungsinstitutionen aufzubauen und den starren konservativ etablierten Formen der formalen Bildung entgegen zu wirken (vgl. von Reiner 1998, 11). In Deutschland bekamen aus dieser Bewegung die nach einem dänischem Vorbild gegründeten Volkshochschulen[14], als eine Art der Mischung zwischen formaler und nicht-formaler Bildung, einen Teilnehmerschub und erfreuten sich regeren Zulaufs. Nach der im Rahmen dieser Ausarbeitung durchgeführten Literatursichtung ist anzunehmen, dass in der wissenschaftlich-pädagogischen Diskussion das „Selbstlernen“ hauptsächlich im Zusammenhang mit Weiterbildungspädagogik auftaucht und dementsprechend in einem „halb-formalem“ institutionellem Gefüge umgesetzt wird. Die Begrifflichkeit „Selbstlernen“ steht jedoch nicht in einem direktem Kontext zu der Methode die als „selbstgesteuertes Lernen“ bezeichnet wird. Diese bezieht sich mehr auf die didaktische Vor- und Aufarbeitung eines Curriculums in denen die Lernenden eine maßgebliche Gestaltungsrolle im Lernprozess zugesprochen bekommen. Darunter wird verstanden, Freiheits- und Gestaltungsgrade entstehen zu lassen, jedoch nicht auf eine professionelle didaktische und konzeptionelle Steuerung des Unterrichts zu verzichten (vgl. Faulstich/Forneck/Knoll 2005, 101).
Die Stärkung zur Fähigkeit zum eigenverantwortlichem und selbstgesteuertem Lernen[15] wurde im April 2000 als eine der wesentlichen Aufgaben zukünftiger...