3 Besonderheiten beim Filesharing
Im Vergleich zu anderen Urheberrechtsverletzungen gibt es in Filesharing-Fällen einige Besonderheiten, die man kennen muss, um im Zweifelsfall richtig reagieren zu können. Denn insbesondere Aktivitäten in Tauschbörsen können mittlerweile mit vergleichsweise geringem Aufwand aufgedeckt und so protokolliert werden, dass sich daraus (auch gerichtlich) verwertbare Nachweise ergeben.
Hält man sich vor Augen, dass man per Dateitausch mit wenigen Mausklicks Hunderte von Dateien herunterladen kann, so wird auch das Gefahrenpotenzial deutlich, das beim Filesharing besteht. Ein Fall aus der Praxis, wie er immer wieder so oder so ähnlich vorkommt: Auf der Suche nach dem einen oder anderen aktuellen Song findet sich ein Archiv mit der Bezeichnung „dt. Top 100 Oktober 2012“. Darin befinden sich dann allem Anschein nach die entsprechenden Chart-Hits aus Deutschland – bei Lichte betrachtet also ein gefundenes Fressen für jeden Teenager. Die Krux liegt hierbei jedoch genau in der so verlockenden Vielfalt. Hinter jedem einzelnen Song kann sich ein anderer Urheber/Rechteinhaber verbergen – im schlimmsten Fall also 100 verschiedene. Und von jedem droht Abmahngefahr, sodass zumindest theoretisch im Fall eines solchen „Chart-Containers“ bis zu 100 Abmahnungen mit ebenso vielen Kostenforderungen eintrudeln können! Wenn man bedenkt, dass bei einer durchschnittlichen Abmahnung in etwa 500 Euro und mehr gefordert werden, kann auch mit nur geringen mathematischen Fähigkeiten leicht überschlagen werden, wie hoch ein eventueller Schadensersatz ausfallen kann. Derart hohe Summen werden zwar erfahrungsgemäß letztendlich nur in Ausnahmefällen tatsächlich gefordert bzw. gezahlt, die Gefahr bleibt jedoch bestehen.
3.1 Privatkopie: ja oder nein?
Ein zentraler und auch langwieriger Streit dreht sich um die Frage, ob es sich bei mittels Filesharing heruntergeladenen Dateien um zulässige Privatkopien oder um Raubkopien handelt. Früher fand sich im Urheberrechtsgesetz die Maßgabe, dass keine Kopien von „offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlagen“ erstellt werden dürfen. Mit Blick auf die Situation in P2P-Tauschbörsen wurde bis dato argumentiert, dass es hier für den Nutzer schlichtweg unmöglich sei zu entscheiden, ob es sich im Einzelfall um rechtswidrige Vorlagen handelt oder nicht. Ganz abgesehen davon, dass der Zusatz „offensichtlich rechtswidrig“ nur schwer zu konkretisieren ist.
Aufgrund dieser recht unbefriedigenden Lage wurde das Urheberrecht im Jahre 2008 reformiert und zusätzlich die Vorgabe „offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemachte Vorlage“ in das Gesetz aufgenommen. Und dieser Zusatz zielt nicht ausschließlich, aber doch in erster Linie auf die Filesharing-Nutzung ab, sodass ab diesem Zeitpunkt hier im Zweifelsfall anzunehmen war, dass es sich um illegale Daten handelt. Inzwischen hat sich diese Auffassung längst etabliert, die Sachlage bei Filesharing-Programmen ist mittlerweile eindeutig. Faustregel: Im Zweifel sind bei den hier getauschten Dateien Urheberrechtsverstöße anzunehmen. Als Ausnahme ist selbstverständlich rechtlich unbedenkliches Material zu nennen, wie z. B. die aktuelle Linux-Distribution oder vom Urheber freigegebene Werke.
3.2 Haftungsfragen
Nicht ganz so eindeutig, wie man vielleicht meinen sollte, gestaltet sich die Frage nach der Haftung. Wer für welches Verhalten wofür haftet, muss differenziert betrachtet werden. Es kommt dabei auf diverse Komponenten an. Und es hängt auch viel davon ab, was tatsächlich in ausreichender Art und Weise nachgewiesen werden kann.
Haftung bei (un)gesichertem W-LAN?
In solchen Fällen, in denen der Abgemahnte ein kabelloses Netzwerk (W-LAN) betreibt, wird davon ausgegangen, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass nicht nur er als Inhaber des Internetanschlusses selbst, sondern eventuell auch unberechtigte Dritte Zugang zu seinem Netzwerk und damit auch prinzipiell die Möglichkeit haben, über seinen Anschluss Urheberrechtsverletzungen zu begehen. Insofern treffen den Internetanschlussinhaber bestimmte Verpflichtungen, die wiederum in einer so genannten „Störerhaftung“ münden können. Diese Annahme kann nur dann entkräftet werden, wenn der Abgemahnte den Nachweis erbringen kann, dass sein W-LAN zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung ausreichend gegen unberechtigte Zugriffe abgesichert war. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn der betreffende W-LAN-Router sach- und fachgerecht, vielleicht sogar durch einen EDV-Dienstleister, eingerichtet worden ist, bzw. wenn die vorhandenen Sicherheitsfunktionen aktiviert sind (moderne Verschlüsselung, individuelles Passwort etc.). Denn die Tatsache, dass ein eigener Internetanschluss bzw. ein W-LAN betrieben wird, bringt den Umstand mit sich, dass man als Anschlussinhaber für die etwaigen Probleme, die eine solche potenzielle „Gefahrenquelle“ mit sich bringt, auch verantwortlich gemacht werden kann. Das Amtsgericht München bejahte 2011 die Störerhaftung sogar im Falle einer Rentnerin, die zwar einen Internetanschluss, jedoch keinen eigenen Computer besaß (Aktenzeichen: 142 C 2564/11). In einer recht aktuellen Entscheidung aus September 2012 hatte das Landgericht Köln hingegen weder eine Haftung des Anschlussinhabers als Störer noch als Täter in Betracht gezogen (Aktenzeichen: 33 O 353/11). Hierbei handelt es sich jedoch eher um eine Ausnahmeentscheidung, bei der dem Gericht die angebotenen Beweise des Rechteinhabers offensichtlich nicht als ausreichend erschienen.
Mit nur sehr wenigen Ausnahmen (z. B. der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. aus dem Jahre 2008, Aktenzeichen: 11 U 52/07) vertritt die Rechtsprechung mittlerweile überwiegend die Ansicht, dass nur ein hinreichend abgesichertes W-LAN die Erfüllung der eigenen Sorgfaltspflichten und damit letztlich einen Ausschluss der Störerhaftung bewirken kann. Mit dem „Sommer unseres Lebens“-Urteil von 2010 (Aktenzeichen:
I ZR 121/08) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass eine Verschlüsselung nicht nur aktiviert, sondern auch mit einem ausreichend sicherem Passwort versehen werden muss. Es genügt also definitiv nicht, das werkseitig vorgegebene Standardpasswort des Router-Herstellers zu belassen, es muss vielmehr durch ein individuelles ersetzt werden. Denn via Google & Co. sind relativ einfach und schnell Listen mit den Standardpassworten der meisten Router-Hersteller aufzustöbern. Ist der eigene Router also nicht in diesem Sinne hinreichend abgesichert, haftet der Internetanschlussinhaber selbst dann als „Störer“, wenn er sich zum Zeitpunkt der über seinen Internetzugang begangenen Urheberrechtsverletzung nachweislich im Urlaub befunden hat. Seine Pflichten bestehen darin, den eigenen Router gemäß dem aktuellen Stand der Technik jeweils so abzusichern, dass es unter normalen Maßstäben nicht zur unbefugten Nutzung seines Netzwerks durch Dritte kommen kann. Das gilt auch dann, wenn der Anschlussinhaber selbst nicht über die notwendigen technischen Kenntnisse verfügt und er deshalb kostenpflichtige Dienstleistungen in Anspruch nehmen muss.
Unter dem Strich kann allen Internetanschlussinhabern nur empfohlen werden, ihren Router im Zweifel fachmännisch überprüfen bzw. einrichten zu lassen und vor allem die aktuelle „WPA2“-Verschlüsselung zu nutzen. Falls der vorhandene Router diese Methode nicht unterstützt, so sollte er aktualisiert oder notfalls durch ein modernes Gerät ersetzt werden.
Haftung als Täter oder als „Störer“?
Wie schon ausgeführt, gibt es eine Störerhaftung und auch eine Haftung als Täter einer Urheberrechtsverletzung. Im ersten Fall haftet der Anschlussinhaber unter Umständen für Versäumnisse der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten z. B. bei mangelnder Absicherung seines Netzwerks auch dann, wenn er nachweislich nicht als Täter in Frage kommt. Auf ein etwaiges Verschulden kommt es hierbei nicht an, d. h. der Anschlussinhaber kann sich nicht mit fehlender Absicht oder Kenntnis herausreden. Der Anschlussinhaber hat alles ihm Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um Urheberrechtsverletzungen über sein Netzwerk zu unterbinden.
Wird ein Täter ermittelt, so kann dieser natürlich ebenfalls haftbar gemacht werden. Außerdem besteht für den „Störer“ dann generell die Möglichkeit, ihm gegenüber Schadensersatzansprüche geltend zu machen, da er ja wegen seiner Handlung im Wege der Störerhaftung verantwortlich gemacht worden ist.
Haften Eltern für ihre minderjährigen Kinder?
„Eltern haften für ihre Kinder“ – wer kennt diesen Spruch nicht?! An so ziemlich jeder Baustelle hängt mindestens ein Schild, das auf diese vermeintlich zutreffende Rechtslage hinweist. Allerdings wird die Aussage nicht dadurch wahr, dass sie regelmäßig wiederholt wird. Denn grundsätzlich haftet erst einmal niemand für eine andere Person. Dies kann zwar in bestimmten Fällen ausnahmsweise zutreffen, aber prinzipiell haftet jeder für eigenes Tun selbst. Das ist auch im Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern nicht anders. Zwar kann man Eltern eventuell im Einzelfall die Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht vorwerfen. Sie haften dann aber für eigenes Handeln, nämlich eben für die Vernachlässigung der Aufsichtspflichten, und gerade nicht für das Handeln ihrer Kinder.
Auch beispielsweise siebenjährige Kinder sind für ihr Handeln generell selbst verantwortlich. Zwar können sie aufgrund ihrer Minderjährigkeit noch keine Rechtsgeschäfte abschließen, aber sie können so genannte „Realakte“ vornehmen, also z. B. an einem Auto den Lack beschädigen, die kostbaren Blumen im Nachbargarten zerstören oder eben urheberrechtlich geschütztes Material...