Für viele Menschen ist die Familie einer der wichtigsten Bereiche in ihrem Leben. Sie fühlen sich in ihr geborgen, finden Unterstützung und Zufriedenheit. Dementsprechend geben laut einer Forsa Umfrage (2006) unter 1.000 Müttern 92% an, dass die Familie sie glücklich macht. Für die Gesellschaft ist die Familie ebenfalls von besonderer Bedeutung, denn Familien bilden die soziale Mitte und stabilisieren die Gesellschaft. Doch auch die Erwerbsarbeit ist ein wichtiger Faktor im Leben, denn eine Erwerbstätigkeit sichert das Einkommen. Allerdings bedeutet sie noch viel mehr. Arbeit gibt dem Leben einen Sinn, bietet Abwechselung, Selbstbestätigung, soziale Kontakte und sichert soziale Anerkennung für die wirtschaftlich geleistete Tätigkeit (ebd.).
Diese beiden Bereiche „Familie“ und „Arbeit“ sind demnach wichtig für das Leben, dennoch stellt sich die Frage, ob und inwiefern beides in Deutschland miteinander vereinbar ist. Diese Überlegungen führen uns zu unserer Problemstellung der Frage nach Möglichkeiten einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, denn derzeit ist festzuhalten, dass diese beiden Bereiche in Deutschland schwer miteinander in Balance zu bringen sind. Dieses wurde im Jahre 2006 durch eine telefonische Umfrage des Marktinstitutes Taylor Nelson Sofres (TNS) Infratest Sozialforschung in München unter 1.600 erwerbstätigen Bundesbürgern bestätigt, in der 86% der Befragten angaben, dass Beruf und Familie in Deutschland eher schwierig oder sehr schwierig vereinbar sind.
Betrachtet man gemäß Einsiedler (2005) die Müttererwerbsquoten von Frauen mit Kindern unter sechs Jahren im europäischen Vergleich, so liegt Deutschland mit 51% als eines der Schlusslichter weit hinter den skandinavischen Ländern, die eine Müttererwerbsquote von bis zu 78% aufweisen, zurück. Eichhorst und Thode (2002) halten gemäß dem Employment Outlook 2001 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fest, dass die Diskrepanz zwischen gewünschten und tatsächlichen Erwerbsmustern von Eltern in Deutschland im europäischen Vergleich besonders hoch ist. So wünschten sich im Jahre 1998 32% der Deutschen, dass beide Elternteile Vollzeit arbeiten können, doch tatsächlich haben nur 15,7% den Wunsch tatsächlich realisiert. 42,9% wünschen sich für den Mann eine Vollzeitstelle und für die Frau eine Teilzeittätigkeit, doch real sind es gerade 23,1%. Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass tatsächlich 52,3% der Mütter bei einer Vollzeitbeschäftigung des Mannes nicht erwerbstätig waren, dieses aber nur von 5,7% gewünscht war (ebd.). Der am 26.04.2006 von dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ, 2006a) herausgegebene siebte Familienbericht mit dem Titel „Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit - Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik“ analysiert, warum es wichtig ist, Müttern und Vätern neben der Familie eine Berufstätigkeit zu ermöglichen, nicht zuletzt, um die Geburtenraten nicht weiter sinken zu lassen. Es wird von der großen Bedeutung der „gemeinsamen Güter“[1] gesprochen, da diese als Voraussetzung für den Wohlstand und die Entwicklung einer Gesellschaft gelten. Diese gemeinsamen Güter sind trotz langjähriger Annahme keine natürlichen und unerschöpflichen Ressourcen, d.h., dass unter anderem die Fürsorge für Kinder nicht mehr selbstverständlich ist (ebd.).
Wir werden auf der Suche nach Begründungen und Notwendigkeiten für die Realisierung einer Erwerbstätigkeit bei gleichzeitiger Familienarbeit die aktuelle Familienpolitik bewertend analysieren, indem wir die wichtigsten Informationen bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus Sicht der drei Akteure Mütter, Staat und Unternehmen zusammentragen und mögliche Handlungsalternativen darstellen.
Als Fragestellung dienten uns dabei folgende Überlegungen:
Welche Beweggründe und Rahmenbedingungen lassen den Wunsch in den Müttern entstehen, Beruf und Familie vereinen zu wollen?
Welche Effekte und Vorteile entstehen dem Staat und der Volkswirtschaft durch eine verbesserte Balance von Beruf und Familie?
Wie sind die derzeitigen familienpolitischen Instrumente in Deutschland gestaltet und welche Auswirkungen haben sie auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Welche Vorteile haben Unternehmen, wenn sie sich familienpolitisch einsetzen?
Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, den Familien die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern, und wie sind diese Instrumente hinsichtlich der Balance zu bewerten?
Welche bundesweiten Initiativen werden derzeit angeboten, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu realisieren?
Wie ist die Familienpolitik in den europäischen Best-practise Ländern Frankreich und Dänemark gestaltet und welche Maßnahmen lassen diese Länder erfolgreich werden?
Welche expliziten Handlungsempfehlungen können für Deutschland abgeleitet werden?
Unser Vorgehen bei der Bearbeitung dieser Fragen beginnt mit der Darstellung der Beweggründe und der Situation der Mütter. Es werden die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und individuellen Rahmenbedingungen für ihre Berufstätigkeit erläutert. Insgesamt soll aufgrund fundierter Argumente in Form aufgeführter Vorteile, Notwendigkeiten, Hemmnissen auf Basis von Forschungsergebnissen das Selbstverständnis der Frauen gestärkt werden, auch als Mutter dem Wunsch oder der Notwendigkeit einer Berufstätigkeit sicherer und bestimmter gegenüber zu treten. Es sollen Gedankenanstöße gegeben werden, um das Verständnis und die Erwartungen an eine Mutter in Deutschland zu überdenken.
Als zweiter Punkt soll geklärt werden, welche Auswirkungen die Erwerbsbeteiligung der Mütter für den Staat und die Volkswirtschaft haben. Die Beweggründe des Staates, sich durch eine familienfreundliche Politik zu engagieren, sind vielfältig. Unsere Arbeit verdeutlicht, warum der staatliche Einsatz in eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht als Sozialleistung gesehen werden sollte, sondern eine echte Investition in die Zukunft darstellt.
Der darauf folgende Punkt beschäftigt sich mit den aktuellen familienbezogenen Leistungen des Staates für die Familien und soll einen Überblick schaffen, durch welche Maßnahmen Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt eines Kindes sowohl finanziell, als auch zeitpolitisch und infrastrukturell unterstützt werden. Anhand von empirischen Studien werden diese familienbezogenen Maßnahmen hinsichtlich ihres Einflusses auf die Frauenerwerbstätigkeit untersucht und bewertet.
Wir werden weiterhin den Nutzen für die Unternehmen aufführen, so dass sie auch für sich einen Anreiz sehen, sich hinsichtlich einer familienfreundlichen Unternehmenspolitik zu engagieren. Als konkrete Maßnahmen werden die verschiedenen Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisierung aufgeführt. Diese werden mit wissenschaftlichen Studien bezüglich des Nutzens der Vereinbarkeit von Beruf und Familie untermauert.
Neben der Arbeitszeitflexibilisierung bestehen weitere Möglichkeiten zur Unterstützung in Form von betrieblichen Betreuungsangeboten. Auch diese werden detailliert beschrieben und auf die Vorteile, entstehende Kosten, Finanzierung und Absetzbarkeit untersucht. Anhand zweier Studien wird der Nutzen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bewertet.
Anschließend folgt eine Aufführung der derzeitigen bundesweiten Initiativen, welche direkt vor Ort für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen soll. Diese Initiativen sind für die beteiligten Akteure Ansatzpunkte, um sich Hilfe für die Umsetzung ihrer familienfreundlichen Ideen zu holen.
Nachfolgend werden wir einen Blick auf die Länder Frankreich und Dänemark werfen, da diese als besonders vorbildlich hinsichtlich ihrer Familienpolitik gelten. Damit werden wir exemplarisch die in diesen Ländern erfolgreichen Maßnahmen zu einer vereinfachten Balance zwischen Beruf und Familie herausfiltern.
Zuletzt werden wir notwendige Handlungsbedarfe für die Unternehmen, die Politik, die Mütter, die Väter und das deutsche Ausbildungssystem hin zu einem familienfreundlicheren Deutschland aufführen.
Hinsichtlich der Themenabgrenzung werden wir uns bewusst auf die Sicht der Frauen und Mütter mit Berufswunsch oder innerhalb einer Erwerbstätigkeit beschränken und die Situation der Väter ausklammern, da es in Deutschland noch immer hauptsächlich die Frauen sind, die die Kindererziehung und -betreuung übernehmen. Wir konzentrieren uns zudem auf die Sicht der westdeutschen Frauen, wobei wir betonen, dass die Voraussetzungen für die ostdeutschen Frauen teilweise unterschiedlich waren und noch immer sind. Unter der...