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E-Book

Frontalhirn

Funktionen und Erkrankungen

AutorHans Förstl
VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl445 Seiten
ISBN9783540268413
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis86,99 EUR
  • Das Frontalhirn: wesentliches Korrelat menschlichen Geistes und seiner Erkrankungen
  • Die aktuellen Erkenntnisse über das Zentrum von Persönlichkeit, Moral und Bewusstsein

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Leseprobe

8 Motion und Emotion: Morbus Parkinson und Depression (S. 177-178)

8.1 Einleitung

Etwa die Hälfte der Patienten mit Morbus Parkinson (MP) leidet unter depressiven Symptomen. In Deutschland sind damit zum heutigen Zeitpunkt mindestens 100 000 Patienten mit MP betroffen, exakte epidemiologische Daten liegen jedoch nicht vor. Wegen nicht erkannter Parkinson- Krankheit und Depressionen ist wahrscheinlich von einer höheren Zahl auszugehen. Daten zu depressiven Störungen im Rahmen von Parkinson-Erkrankungen deuten auf eine Unterversorgung hin (Richard et al. 1997).

Die Ergebnisse lassen vermuten,dass die Patienten sich des Vorhandenseins einer Depression nicht bewusst sind und aus diesem Grund auch keine adäquate Therapie suchen. Aufgrund demografischer Entwicklungen, d. h. der zu erwartenden Zunahme des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung, ist in der Zukunft eine Zunahme von Parkinson-Erkrankungen und Depressionen zu erwarten. In der 1817 publizierten Erstbeschreibung der Parkinson- Erkrankung »An Essay on the Shaking Palsy « berichtete James Parkinson nicht über die Beeinträchtigung von Sinnen und Intellekt (Parkinson 1817), da seine 6 Fallbeschreibungen auf anamnestischen Daten und visueller Inspektion beruhten, die Parkinson z. T. auf der Straße durchführte, daher blieben Phänomene wie Rigidität und psychopathologische Phänomene unerwähnt. In allen späteren Beschreibungen der Parkinson-Erkrankung tauchen Depressionen jedoch auf.Hinsichtlich der Schwere der Depression erfüllten ca. 50% der depressiven Patienten mit MP die Kriterien für eine mittelschwere bis schwere Depression und ca. 50% für eine leichte Depression oder Dysthymie (Cummings 1992).

8.2 Klinische Symptomatik

Aus der klinischen Perspektive kann die Differenzialdiagnostik schwierig sein. Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen oder Erschöpfbarkeit werden auch bei nichtdepressiven Patienten mit MP beobachtet,während Symptome der Depression wie psychomotorische Verlangsamung, mimische Starre u. a. auch durch die neurologischen Defizite der Parkinson-Erkrankung bedingt sein können. Die Diagnose einer Depression bei Patienten mit MP muss daher besonders auf der Erfassung von subjektiv erlebten depressiven Kognitionen und Erleben beruhen wie z. B. Gefühle von Leere und Hoffnungslosigkeit, Reduktion der emotionalen Reagibilität und Verlust der Lebensfreude (Anhedonie). Studien, in denen eine Selbstrating- Skala zur Anhedonie (Franz et al. 1998) eingesetzt wurde, konnten zeigen, dass etwa die Hälfte der Patienten mit MP in fortgeschrittenen Stadien (Hoehn und Yahr II und III) unter dieser Symptomatik leiden (Lemke et al.2003).

Das Profil depressiver Symptome bei Patienten mit MP ist geprägt durch gereizte Traurigkeit mit geringen Schuldgefühlen und einer geringen Rate von Suizidhandlungen trotz häufiger Suizidgedanken. Es scheint eine Subgruppe depressiver Patienten zu geben, deren klinisches Bild hauptsächlich durch die Beeinträchtigung exekutiver Funktionen wie Planen, Sequenzieren, Organisieren und Abstrahieren geprägt ist (Alexopoulos 2001).Dies betrifft ältere Patienten,bei denen vermehrt psychomotorische Verlangsamung, Apathie und Behinderungen im täglichen Leben auftreten. Für diese Gruppe werden in der Entstehung Störungen striatofrontaler Projektionsbahnen und D3-Rezeptoren, schlechteres Ansprechen auf Antidepressiva und eine höhere Tendenz zur Chronifizierung diskutiert.Neuere Ansätze in der Depressionstherapie mit neuen Dopaminagonisten, Acetylcholinesterasehemmern und Opiatantagonisten/-agonisten könnten hier zum Einsatz kommen.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 2. Auflage5
Vorwort zur 1. Auflage6
Inhaltsverzeichnis7
1 Historische Konzepte der Frontalhirnfunktionen und -erkrankungen12
1.1 Frühe Vorstellungen über die Hirnentwicklung13
1.2 Kasuistiken16
1.3 Tierexperimente17
1.4 Neuro-(»Psycho«-)Chirurgie17
1.5 Empirisch gestützte Modelle18
1.6 Epistemologie21
Literatur21
I Grundlagen26
2 Neurobiologische Grundlagen26
2.1 Strukturelle Organisation des Stirnhirns27
2.2 Funktionelle Organisation des Stirnhirns32
Literatur46
3 Kognitive Neurologie und Neuropsychologie52
3.1 Funktionen des Frontalhirns53
3.2 Symptome57
3.3 Anatomischer Bezug74
3.4 Stellenwert von Klinik und Psychometrie75
3.5 Ausblick84
Literatur85
4 Psychopathologie94
4.1 Einleitung95
4.2 Störung der Handlungsinitiierung und -kontrolle95
4.3 Wertattribution102
4.4 Affekte und Emotionen103
4.5 Störung der Informationsverarbeitung von Aspekten der eigenen Person106
4.6 Abschließende Bemerkungen106
Literatur110
5 Psychosomatische Aspekte am Beispiel der Alexithymie und chronischer Schmerzen114
5.1 Einführung115
5.2 Theoretische und neurobiologische Grundlagen der Affektentwicklung115
5.3 Entwicklungspsychologische und psychodynamische Grundlagen der Alexithymie125
5.4 Chronischer Schmerz, Schmerzwahrnehmung und Frontalhirn131
5.5 Schlussfolgerung135
Literatur136
6 Neurale Korrelate des Perspektivwechsels und der sozialen Kognition: vom Selbstbewusstsein zur »Theory of Mind«140
6.1 Einleitung141
6.2 Selbstbezug und Selbstrepräsentation141
6.3 Erste-Person-Perspektive im Raum142
6.4 Erste-Person-Perspektive und Handlungen145
6.5 Erste-Person-Perspektive in sozialer Interaktion146
6.6 Erste-Person-Perspektive und Körperrepräsentation147
6.7 Selbst und Welt148
6.8 Schlussfolgerungen149
Literatur150
II Klinik154
7 Neurodegenerative und verwandte Erkrankungen154
7.1 Einleitung155
7.2 Klinik und Diagnostik der frontotemporalen Degenerationen155
7.3 Sonderformen und Differenzialdiagnosen169
7.4 Therapie175
7.5 Zusammenfassung178
8 Motion und Emotion: Morbus Parkinson und Depression188
8.1 Einleitung189
8.2 Klinische Symptomatik189
8.3 Ätiologie und Pathophysiologie191
8.4 Therapie194
8.5 Schlussfolgerung200
Literatur200
9 Vaskuläre Erkrankungen204
9.1 Einleitung205
9.2 Vaskuläre Versorgung des Frontalhirns206
9.3 Funktionelle Anatomie des Frontalhirns207
9.4 Ischämien des Frontalhirns208
9.5 Blutungen und Gefäßmissbildungen214
9.6 Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE)218
Literatur222
10 Bedeutung der Frontallappen für die Pathophysiologie schizophrener Erkrankungen224
10.1 Einleitung225
10.2 Untersuchungen am Frontalkortex Schizophrener226
10.3 Hirnstrukturelle Veränderungen außerhalb des Frontalhirns230
10.4 Hirnentwicklungsstörung oder Atrophie?233
10.5 Frontale und temporale Asymmetrie235
10.6 Klinische Bedeutung hirnstruktureller Befunde bei Schizophrenen235
10.7 Zusammenfassung und Interpretation der Befunde im Frontallappen Schizophrener236
Literatur237
11 Affektive Störungen244
11.1 Strukturelle anatomische Befunde245
11.2 Komorbidität mit neuropsychiatrischen Erkrankungen249
11.3 Der Beitrag funktioneller Bildgebung251
11.4 Funktionelle Korrelate kognitiver Anforderungen258
11.5 Dysfunktion und Hemisphärenasymmetrie267
11.6 Methodologische Aspekte267
11.7 Zusammenfassung268
Literatur269
12 Angsterkrankungen278
12.1 Einleitung279
12.2 Panikstörung279
12.3 Spezifische Phobie286
12.4 Soziale Phobie289
12.5 Generalisierte Angststörung290
12.6 Posttraumatische Belastungsstörung291
12.7 Gemeinsame funktionelle Neuroanatomie297
12.8 Interaktion zwischen limbischen Strukturen und Frontalhirn297
12.9 Frontalhirn, emotionale Bewertung und Angst298
12.10 Psychotherapie, Psychopharmakologie und Neuroplastizität299
Literatur299
13 Zwangsstörungen304
13.1 Einleitung305
13.2 Klinische Hinweise für eine Beteiligung frontaler bzw. striataler Strukturen305
13.3 Studien mit bildgebenden Verfahren und frontostriatale Regelkreise307
13.4 Neuropsychologie und frontostriatale Regelkreise312
13.5 Klinische Heterogenität – Basis für die ätiologische Forschung313
13.6 Kortikostriatales Modell der Zwangsstörung316
13.7 Ätiologische Modelle319
13.8 Ausblick324
Literatur324
14 Borderline- und antisoziale Persönlichkeitsstörung332
14.1 Einleitung333
14.2 Bedeutung frontaler Strukturen für die Ausbildung von Persönlichkeitsmerkmalen sowie für die Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen334
14.3 Frontale Korrelate bei der Borderline- und antisozialen Persönlichkeitsstörung340
14.4 Methodische Probleme der Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen349
14.5 Ausblick351
Literatur352
15 Alkoholabhängigkeit358
15.1 Frontale Hirnatrophie bei alkoholabhängigen Männern und Frauen359
15.2 Psychopathologische Korrelate der frontalen Hirnatrophie361
15.3 Zusammenfassung365
15.4 Ausblick366
Literatur368
16 Epilepsien372
16.1 Anfallssemiologie373
16.2 Untergruppen376
16.3 Ätiologie377
16.4 Diagnostik378
16.5 Therapie382
Literatur384
17 Schädel-Hirn-Trauma388
17.1 Einleitung389
17.2 Schädigungsmechanismen und ihr Korrelat in der Bildgebung389
17.3 Die neuropsychologische Symptomatik in der Postakutphase nach Schädel-Hirn-Trauma391
17.4 Die neuropsychologische Symptomatik in der chronischen Phase nach Schädel-Hirn-Trauma392
17.5 Fazit und Ausblick393
Literatur394
III Therapeutische Perspektiven396
18 Grundsätzliche Überlegungen398
18.1 Einleitung399
18.2 Frontalexekutive Störungen400
18.3 Pharmakologische Therapie401
18.4 Neuropsychologische Therapie401
18.5 Zusammenfassung und Ausblick402
Literatur403
19 Neuropsychologische Therapieprogramme406
19.1 Das »Frontalhirnsyndrom«407
19.2 Spezifische neuropsychologische Interventionen bei Störungen exekutiver Funktionen414
19.3 Ausblick423
Literatur423
Glossar428
Farbtafeln442
Namen- und Sachverzeichnis448

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