Die Neugeborenen-Intensivstation flößte mir Ehrfurcht ein. Es schien mir so ein hell erleuchteter, emsiger Ort. Als ich sie zum ersten Mal betrat, hatte ich wirklich Angst. Eine Menge Leute rannte umher und da waren viele große Maschinen, die piepten und klingelten. Ich wollte mir die anderen Babys anschauen und Hoffnung suchen. Ich erinnere mich daran, dankbar gewesen zu sein, dass ich nicht allein war; um uns herum gab es noch 20 weitere Familien mit kranken Babys.
Mein Gefühl der Erleichterung darüber, dass unsere Tochter medizinisch versorgt wurde, war verbunden mit einem Gefühl großer Trauer … Trauer um diese Babys in der Neugeborenen-Intensivstation und die anderen Familien, die diese seltsame Erfahrung durchmachten.
Die Realität und Aktivität auf der Neugeborenen-Intensivstation sind nichts weniger als dramatisch. Mag sein, dass Besucher oder Neuankömmlinge auf der Neugeborenen-Intensivstation durch das Tempo der Tätigkeiten, die langen und intensiven Arbeitsstunden des Personals sowie die hochgradig technische Natur der medizinischen Gerätschaften betroffen sind. Sie könnten feststellen, dass die Babys von Reifgeborenen bis hin zu Babys reichen, die ungewöhnlich klein sind und unter Umständen nur knapp 500 Gramm wiegen (Abb. 2-1).
Abbildung 2-1: Benjamin, krank auf der Neugeborenenstation
Bald wird deutlich, dass das Ringen vieler dieser Kinder um Leben oder Tod ein regulärer Bestandteil der täglichen Routine auf der Neugeborenen-Intensivstation ist. Die Umgebung dort schüchtert Eltern von Neugeborenen oft ein und der erste Anblick ihres Babys kann starke Gefühlsreaktionen mit sich bringen. Manche Eltern mögen den Eindruck haben, ihr Baby sehe nicht aus, wie sie erwartet haben, und scheine unberührbar.
Das Team der Neugeborenen-Intensivstation
Für die Eltern werden die Fachkräfte der Neugeborenen-Intensivstation zu einer schwirrenden Vielfalt an Gesichtern und Namen, mit täglich neuen Gesichtern und Namen, die man sich merken muss. Die Rotation dieser Fachkräfte kann für Eltern verwirrend sein und sie überfordern. Am vertrautesten sind unter Umständen noch die Pflegenden, welche die meiste Zeit am Bett des Babys verbringen und engagiert pflegen, wie das folgende Beispiel zeigt:
Ich begab mich auf das Gebiet der Pflege, um für Menschen zu sorgen. Ich beschloss, dass ich in der neonatalen Intensivstation besondere Pflege leisten könnte. Ich weiß, dass Eltern auf der Neugeborenen-Intensivstation eine schwere Zeit durchmachen. Ich habe gelernt, dass das Beste, was ich tun kann, darin besteht, ihnen verstehen zu helfen, was wir tun, um ihrem Baby überleben zu helfen, und dies unter größter mir möglicher Beruhigung.
Während all der Zeit auf der neonatalen Intensivstation treffen Eltern auf hoch ausgebildete Gesundheitsfachpersonen. Zu diesen Professionellen gehört eine Vielzahl an Fach- und Hilfskräften – allesamt Spezialisten in Neugeborenen-Versorgung. Das medizinische Team besteht unter Umständen aus Spezialisten auf höchster Ebene der Intensivversorgung, wie etwa Neonatologen, das heißt Ärzten, die auf Diagnostik und Therapie bei kranken Neugeborenen spezialisiert sind, oder Fachpflegenden der Neonatologie, die in Neugeborenen-Pflege spezialisiert sind und rund um die Uhr in 8- bis 12-Stunden-Schichten pflegen. Auch viele andere Fachkräfte können dem Neonatologieteam angehören, darunter Kardiologen, Neurologen, Pneumologen und andere Fachärzte. Zu den weiteren Fachkräften auf der Neugeborenen-Intensivstation gehören Sozialarbeiter, Stillberaterinnen, Physio- und Ergotherapeuten, Atemtherapeuten, Röntgen- und Labortechnische AssistentInnen, Infant Development Specialists1 und Child Life Specialists2. Es gibt ein speziell benanntes Team, das täglich oder wöchentlich rotieren kann und sich um jedes Baby kümmert, und die Anzahl der Fachkräfte am Bett des Babys kann jederzeit vier bis zehn Personen umfassen.
Zur Bedeutung der Neonatalversorgung
Seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts haben Fortschritte in der medizinischen Versorgung Neugeborener in spezialisierten Neugeborenen-Intensivstationsumfeldern zum Überleben einer neuen Population Neugeborener geführt, darunter solchen mit niedrigem Geburtsgewicht, vorgeburtlich erkrankte und kranke, reifgeborene. In den USA kommen jedes Jahr 4 Millionen Kinder zur Welt, und über 523000 sind Frühgeborene mit einem Gestationsalter von weniger als 37 abgeschlossenen Wochen (reif bedeutet normalerweise 40 Schwangerschaftswochen mit einer Schwankungsbreite von 38 bis 42 Wochen; March of Dimes Foundation, 2010). In einer durchschnittlichen Woche kommen 10058 oder 12,18% der Babys als Frühgeborene zur Welt (Kochanek, Kirmeyer, Martin, Strobino & Guyer, 2012). Davon sind 2% sehr früh Geborene mit weniger als 32 abgeschlossenen Schwangerschaftswochen, 8,2% werden mit niedrigem Geburtsgewicht (< 2500 g) geboren und 1,5% haben ein sehr niedriges Geburtsgewicht (< 1500 g). Eine andere Art, diese Babys zu beschreiben, ist das Gestationsalter (Anzahl der Wochen im Mutterleib) und die Höhe des Geburtsgewichts. Die drei Bereiche umfassen:
- hypotroph (SGA, «small for gestational age»; Frühgeborene): Geburtsgewicht unterhalb der 10. Perzentile der populationsspezifischen intrauterinen Wachstumskurven
- eutroph (AGA, «appropriate for gestational age»; Reifgeborene): Geburtsgewicht in der 10. bis 90. Perzentile
- hypertroph (LGA, «large for gestational age»; Übertragene): Geburtsgewicht oberhalb der 90. Perzentile.
Frühgeburten kommen in allen Gruppen vor, ihre Häufigkeit schwankt jedoch nach Bevölkerung und ethnischer Zugehörigkeit:
- Schwarze/Afroamerikaner: 18,1%
- Amerikanische Ureinwohner: 14,1%
- Hispanics/Latinos: 12,2%
- Weiße: 11,4%
- Asiaten: 10,8% (March of Dimes Foundation, 2010).
Bei Mehrlingsgeburten ist die Gefahr einer Frühgeburt oder eines niedrigen Geburtsgewichts höher als bei Einzelgeburten und beträgt etwa das Sechsfache (60,4%) (March of Dimes Foundation, 2010).
Bei manchen Müttern wird schon frühzeitig erkannt, dass die Gefahr einer Frühgeburt oder eines Kindes mit niedrigem Geburtsgewicht besteht. Eine Hochrisikoschwangerschaft wird als solche identifiziert, wenn bei der Mutter medizinische, soziale oder demographische Faktoren vorliegen, die als Hochrisikofaktoren eingeschätzt werden (McGrath, Kenner & Amspacher, 2004). Schon früh in der Schwangerschaft können spezialisierte Pläne implementiert werden, um potenzielle medizinische Komplikationen für Mutter und Kind auf ein Minimum zu reduzieren. Während der ersten Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung bei ihrem Arzt kann man den Eltern Informationen geben. Falls der Arzt für Mutter und Kind eine besondere Behandlung und Überwachung im Laufe der Schwangerschaft ansetzen muss, wird die Mutter vor der Entbindung in eine Klinik mit kombinierter geburtshilflicher und neonatologischer Intensivversorgung verlegt, vor allem, wenn es möglicherweise zur Geburt eines Kindes vor der 34. Schwangerschaftswoche kommt oder wenn erwartet wird, dass das Neugeborene weniger als 2000 g wiegt.
Seit den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts war die Regionalisierung neonataler Intensivstationen integraler Bestandteil der Neugeborenen-Intensivversorgung – ein Prozess der Ressourcenallokation oder Dienstleistung auf der Grundlage geographischer Grenzen (Bagwell/Armstrong, 1998). Die American Medical Association regte die American Academy of Pediatrics, das American College of Obstretricians and Gynecologists sowie March of Dimes dazu an, ein spezialisiertes Komitee zur perinatalen Gesundheit einzuberufen. Diese Maßnahme führte zur Entwicklung von Programmen für die Intensivversorgung von Babys, die für Perinatalzentren und Ausbildungsstandards für eine effektive Gesundheitsversorgung hochgefährdeter Neugeborener sorgten. Ein nationales Programm von 200 regionalen Neonatalzentren wurde geschaffen. Der Erfolg dieses Regionalisierungsprogramms hilft, die Säuglingssterblichkeit zu senken. Es wurden drei Ebenen der Perinatalversorgung konzipiert:
- Einrichtung der Ebene I
- medizinische Grundversorgung
- unkomplizierte, nichtakute Neonatalversorgung
- Notfallmanagement
- Früherkennung hochgefährdeter Babys
- Sozialdienste
- Einrichtung der Ebene II
- komplette Entbindungsstation/Neonatalversorgung hochgefährdeter Babys
- Kurzzeitbeatmung Neugeborener (Abb. 2-2)
- Spezialeinrichtung für komplizierte Fälle (nicht intensiv)
- Wachstum und Entwicklung von Babys aus Einrichtungen der Ebene III
- Einrichtung der Ebene III
- Intensivversorgung hochgefährdeter Neugeborener
- koordiniertes Transportsystem
- koordinierte Schulung für die Region.
Abbildung 2-2: Benjamin, vom Beatmungsgerät abgekoppelt
Wenn ein Neugeborenes in einem Gemeindekrankenhaus (Ebene I) zur Welt kommt, das für die Behandlung von Frühgeborenen, kranken Babys und Babys mit niedrigem Geburtsgewicht nicht ausgerüstet ist, wird aus der Klinik mit...