Warum Coaching?
Wirtschaftliches Umfeld
Aus dem Führungsalltag des Herrn P.:
Der Mitarbeiter, Herr A., kommt zu seiner Führungskraft, Herrn P.
A.: „Herr Chef, ich hab’ da ein Problem.“
P. (denkt sich: Nicht schon wieder! Immer werde ich aus meiner Arbeit gerissen.): „Was gibt’s denn schon wieder?“
A.: „Na, Sie wissen ja, der Kunde K. regt sich bei jeder Gelegenheit auf. Und jetzt hat er mich gerade angerufen, weil er die Lieferung nicht ins Haupthaus, sondern in die Zweigstelle haben möchte und das zum gleichen Preis. Geht das?“
P. (denkt sich: Ich komm’ mir vor wie im Kindergarten. Um jede Kleinigkeit muss ich mich selber kümmern, sonst funktioniert gar nichts): „Das müssen wir zuerst durchrechnen, ob sich das rentiert.“
A.: „Hmm.“
P. (denkt sich: Bevor ich dem das jetzt erkläre, mach’ ich es lieber selber): „Ach wissen Sie, ich rechne mir das heute Abend schnell durch und rufe den K. morgen an. Ich sage Ihnen dann Bescheid, was Sie tun sollen.“ (denkt sich: Schon wieder Überstunden, aber es geht halt nicht anders. Womit hab’ ich solche unselbständigen Mitarbeiter verdient?)
Kommen Ihnen solche und ähnliche Gedanken und Situationen bekannt vor? In diesem Fall befinden Sie sich in bester Gesellschaft. Denn traditionell basiert Mitarbeiterführung auf der Trennung zwischen Entscheidungs- und Ausführungskompetenz. Einer denkt, und 20 arbeiten. Durch diese klassische Rollenaufteilung haben sich destruktive Kontrollmechanismen und Strategien zu deren Umgehung entwickelt. Probleme werden außerdem häufig auf einer anderen Ebene bearbeitet und entschieden, als sie entstanden sind. Dies führt meist zu erhöhtem Zeit- und Kostenaufwand, der bisher wohl allgemein als unausweichlich akzeptiert wurde. Zusätzlich gehen zwischen den Ebenen oft wesentliche Informationen verloren. Diese werden von den handelnden Personen aller Hierarchiestufen durch vermeintliches Wissen und Interpretationen ersetzt. Irrtümer und Missverständnisse sind das Ergebnis, erhebliche Qualitätseinbußen die Folge.
Diese „Machen Sie das so!“-Führungskultur hat darüber hinaus Mitarbeiter herangebildet, die ihre persönliche Kreativität und ihre Lösungskompetenz in der Arbeitswelt auf Sparflamme reduzieren. Die Mitarbeiter leben ihr verantwortungsvolles Engagement und ihr Bedürfnis nach Selbstverwirklichung vielfach in Freizeitaktivitäten aus („freizeitorientierte Schonhaltung“). Umfragen haben ergeben, dass die Fähigkeiten der Mitarbeiter nur zu höchstens 30 Prozent genutzt werden. Der persönliche Einsatz hinsichtlich Einfallsreichtum, Kreativität und neuer Lösungen ist häufig der Spitze des Unternehmens vorbehalten. Daran ändern auch firmeninterne Vorschlagswesen nichts, die von Führungskräften aus unterschiedlichsten Gründen zumindest halbherzig, wenn nicht sogar kontraproduktiv verwendet werden. Ideen verschwinden unbeachtet und unkommentiert in Schreibtischladen oder werden von Führungskräften sogar als die eigenen nach oben verkauft. Damit versuchen Vorgesetzte, die eigene Machtposition abzusichern und Konkurrenz in den eigenen Reihen zu verhindern. So schmälern sie unter Garantie die Lust der Mitarbeiter, mehr als nur einen „Dienst nach Vorschrift“ zu leisten.
Künftig wird der Wettbewerb immer neue und höchste Anforderungen an das Leistungsvermögen und die Flexibilität von Unternehmen und deren Mitarbeiter stellen. Produkte werden immer ähnlicher und austauschbarer, der Erfolg eines Unternehmens wird zunehmend von der Service- und Beratungsqualität bestimmt werden. Aus der Globalisierung, der Notwendigkeit von Expansion, aus kürzeren Produktzyklen und vor allem auch aufgrund von höheren Kundenansprüchen entsteht zunehmend Druck. Dazu kommen noch dezentrale Strukturen und größere Führungsspannen. Viele Unternehmen stoßen im Umgang mit diesen Herausforderungen an ihre Grenzen. Ihre Ratlosigkeit macht von Tag zu Tag deutlicher, dass jede Form von Arbeitsteilung überholt ist, in der nicht jeder Mitarbeiter Gesamtverantwortung übernimmt und sein Potenzial voll einbringt. Dieser Wandel verlangt geradezu nach einem „ge-wandel-ten“ Mitarbeiter (und damit nach „ge-wandel-ten“ Führungskräften!).
In diesem Buch erfahren Sie, wie Herr P. als „ge-wandel-te“ Führungskraft das obige Gespräch ganz anders führen könnte (und damit dazu beiträgt, Herrn A. zu einem „ge-wandel-ten“ Mitarbeiter zu entwickeln) …
Der „ge-wandel-te“ Mitarbeiter
Der „ge-wandel-te“ Mitarbeiter (und auch die „ge-wandel-te“ Führungskraft!) muss in der Lage sein, auf komplexe und spezifische Anforderungen selbstverantwortlich und eigeninitiativ zu reagieren. Er muss es wollen (Motivation), können (Qualifikation) und dürfen (Erlaubnis, Freiraum).
Er ist bereit, im Team zu kommunizieren und zu kooperieren und dort vorhandene Synergien zu nutzen. Er ist beziehungsfähig und hat die Kompetenz, mit Konflikten konstruktiv umzugehen. Er achtet andere Menschen und deren Meinungen.
Veränderungen sind für ihn Chancen, die er mit Umsicht, Flexibilität und Risikobereitschaft wahrnimmt. Er hinterfragt kritisch und sucht ständig nach Verbesserungsmöglichkeiten. Er plant vorausschauend und setzt seine gestalterische Kraft in praktische Lösungen um. Er ist aufmerksam gegenüber Impulsen aus der Umwelt und holt sich laufend Informationen vom Markt.
Er hat Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten und setzt diese selbstbewusst ein. Neugier und Offenheit für alles Neue zeichnen ihn aus. Er ist lernfähig und bereit, sich selbst und sein Verhalten zu reflektieren.
Er ist engagiert und stellt sein Wissen aktiv zur Verfügung. Er denkt und handelt wie ein Mitunternehmer und übernimmt Verantwortung für das Gelingen des Gesamten.
Sind Sie bereits von solchen Mitarbeitern umgeben? Oder sehen Sie sich vielmehr tagtäglich mit äußerst „schlappen“ Mitarbeitern konfrontiert? Im Gegensatz zu obigem Idealtypus des „ge-wandel-ten“ Mitarbeiters nutzen diese nur Bruchteile ihrer äußeren Möglichkeiten und inneren Potenziale (die ihnen oft selber gar nicht bewusst sind) und sind damit für die aktuelle Arbeitswelt nicht gerüstet. Sie verfügen über eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit, was die eigenen Gefühle und inneren Vorgänge anbelangt. Sie sind nur an reproduzierendes Denken und Handeln gewohnt und können nur nach Vorschriften arbeiten. Sie neigen dazu, verschlossen zu sein und Fehler zu vertuschen oder sie nicht als die ihren darzustellen, sobald sie dann doch zutage treten. Diese Mitarbeiter wünschen sich aufgrund ihrer Erfahrungen einen „Leithammel“, der ihnen sagt, wo es langgeht, den sie gleichzeitig jedoch frustriert kritisieren, boykottieren und beschuldigen, ihre Selbstverwirklichung zu behindern.
Der Erziehungsprozess zu solchen Mitarbeitern hat wohl in unterschiedlichen Lebensphasen stattgefunden: im Elternhaus, in der Schule, an den Universitäten. Am Arbeitsplatz setzt er sich meist verstärkend fort. Bevormundung und Frontalberieselung ohne geförderte Eigeninitiative sind auch dort häufig an der Tagesordnung. Die Mitarbeiter erhalten kaum Informationen über Zusammenhänge, es fehlt an Transparenz und Einbindung in Entscheidungsprozesse. Obwohl man Teamarbeit fordert, werden noch immer Einzelkämpfer belohnt. Engagement wird erwartet, doch Anerkennung fehlt. Statt dem Mitarbeiter Erfolg zu ermöglichen, profilieren sich Führungskräfte auf Kosten ihrer „Untergebenen“.
Das Verhalten der Mitarbeiter ist als Ergebnis dieses Entwicklungsweges durchaus nachvollziehbar. Dennoch fällt es Führungskräften verständlicherweise schwer, „schlappe“ Mitarbeiter zu akzeptieren und auf Basis dieser Akzeptanz eine behutsame Entwicklung hin zum „ge-wandel-ten“ Mitarbeiter in Gang zu setzen. Statt dessen halten sie z. B. durch autoritären Druck oder ungeeignete Motivierungsstrategien (Incentives, Gehaltserhöhungen und Ähnliches) den unerwünschten Zustand aufrecht. Resignation ist oft die Folge: „Mit diesen Mitarbeitern ist einfach nichts zu machen! Ich bin von lauter Kindern (Idioten, Schläfern etc.) umgeben! Es nützt ja sowieso alles nichts! Ich habe schließlich Wichtigeres zu tun, als meine Leute zu therapieren!“ Schließlich endet dieser Prozess häufig mit...