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Gleichgeschlechtliche Lebensweisen aufgezeigt am Beispiel von Jugendliteratur

AutorKathrin Kadasch
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl138 Seiten
ISBN9783638463591
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Didaktik - Deutsch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1-, Technische Universität Berlin (Erziehungswissenschaften), 91 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Wenn ich aus Kindern- oder Jugendbüchern vorgelesen habe, ist mir immer wieder aufgefallen, dass hier größtenteils ganz bestimmte Personen, Familien oder Beziehungszusammenhänge dargestellt werden. Die Eltern sind zumeist heterosexuell, gehören der Mittelschicht an, sind 'weiß', 'gesund' und weisen gleichzeitig eine traditionelle Familienstruktur auf: Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Des Weiteren werden überwiegend gesellschaftlich zugeschriebene, geschlechtsspezifische Rollenmuster vorgestellt. Oft geht der Vater einer Erwerbstätigkeit nach, während die Mutter Familienarbeit leistet. In den Jugendbüchern entwickeln sich zudem die Mädchen und Jungen überwiegend heterosexuell und es werden bezüglich der ersten Liebe bestimmte geschlechtsspezifische Verhaltensweisen dargestellt. Gesellschaftliche Normen und Werte werden auch durch die Literatur vermittelt. Besonders Kinder und Jugendliche, die - oder deren Eltern - nicht der Norm entsprechen, beispielsweise weil sie nicht in herkömmlichen Familienstruktur (Mutter- Vater-Kind-Kleinfamilie) aufwachsen und/oder sich nicht heterosexuell entwickeln, können sich in den meisten Büchern nicht wiederfinden. So ging ich auf die Suche nach Kinder- und Jugendbüchern, in denen gesellschaftliche Werte und Normen gebrochen werden. Schließlich entdeckte ich einige Kinderbücher, in denen gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Eltern dargestellt werden, und viele Jugendbücher, in denen sich die ProtagonistInnen für eine gleichgeschlechtliche Lebensweise entscheiden. Da mich die Darstellung der gleichgeschlechtlichen Lebensweise in der Literatur interessiert, möchte ich mich mit diesem Thema in meiner Magisterarbeit auseinandersetzen. Um das Thema einzugrenzen, entschied ich mich für Jugendliteratur, in denen weibliche Protagonistinnen im Vordergrund stehen. Dafür habe ich drei Werke ausgewählt: I. Cornelia Funke: Die wilden Hühner und die Liebe (2003) II. Mirjam Müntefering: Verknallt in Camilla (2004) III. Kristina .Dunker Der Himmel ist achteckig (1999)

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Leseprobe

2.           Gesellschaftliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen

 

 Exkurs – Homosexualität: historischer Überblick ab Weimarer Zeit

 

Homosexualität ist ein Begriff der Neuzeit. Dessen ungeachtet haben allerorts und zu jeder Zeit gleichgeschlechtliche Handlungen statt gefunden. Diese wurden immer wieder von Seiten der Regierung oder anderweitig verfolgt. (Vgl. Schoppmann, 2000:127f) Besonders von der Kirche wurde gleichgeschlechtliche Liebe als krankhafte Sünde bezeichnet. Mit der Herausbildung von Sexualwissenschaften konnte dieser Standpunkt zunehmend aufgeweicht werden. (Vgl.ebd.:128) In der Frauenbewegung der Weimarer Republik[11] wurde weibliche Homosexualität nicht diskutiert. Aus diesem Grunde schlossen sich die lesbischen Frauen, wenn auch nur vereinzelt, den männlich dominierten Homosexuellengruppen an. (Vgl. Schoppmann, 1990:11) Der Arzt Magnus Hirschfeld (1868-1935) gründete 1897 das „Wissenschaftlich-humanitäre Komitee“ (WhK). Dieses setzte sich vor allem das Ziel, den §175 StGB, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern kriminalisierte, abzuschaffen. Um dies zu erreichen, strebte das WhK eine wissenschaftliche Aufklärung der Öffentlichkeit an. Das WhK war eher an einflussreiche Personen interessiert, da sich ihre Orientierung auf eine Strafreform und eine akademische Struktur dieser Organisation richtete. (Vgl.ebd.:11) Damit waren Frauen, die erst ab 1908 an den Universitäten zugelassen waren, weniger vertreten. Zudem war es Frauen untersagt (bis 1908), sich politisch zu organisieren (Vgl.ebd.:11). „Erst die Errungenschaften der Demokratie; Versammlungsfreiheit sowie Freiheit der Meinungsäußerung und der Presse, ermöglichten nach 1918 eine Organisierung und Sichtbarwerdung lesbischer Frauen, wie sie bis dahin in Deutschland nicht existiert hatte.“ (Schoppmann, 1990:11) Berlin war das Zentrum der homosexuellen Kultur und Emanzipationsbewegung. Aber auch in anderen Städten[12] gab es in den 20er Jahren für lesbische Frauen ein großes Angebot an Vereinen und Bars (allein in Berlin konnten cirka 70 solcher Clubs gezählt werden). Lesbische Frauen waren in diesen Treffpunkten keine Minderheit, sondern als tragende Gruppe sehr präsent. Sie hatten in diesen öffentlichen Räumen Möglichkeiten ihrem eigenen Lebensgefühl nachzugehen und konnten dabei gesellschaftlich vorgeschriebene Regeln ausblenden. (Vgl. Schader, 2000:19)

 

„Sie konnten mit heterosexuellen Normen spielen, neue Regeln erschaffen oder sich völlig entgegengesetzt zum eigenen sowie zum fremden Bild verhalten. Verhaltensweisen wurden hier auf ihre Tauglichkeit überprüft. Individuelle Kleidungsstile konnten zur Mode gemacht oder abgelehnt werden. Freundinnen wurden gesucht, gefunden und wieder verloren. In dieser Umgebung entwickelten sich mehr oder weniger langlebige Normen für homosexuelle Frauen.“ (ebd.:16)

 

Durch diese verschiedenen Vereine und Lokale wurde auch der Emanzipationsprozess gefördert. Einige dieser Vereine waren zudem auch in gemischten Homosexuellenorganisationen aktiv. Wie bspw. in dem „Bund für Menschenrechte“ (BfM), deren Hauptanliegen die Abschaffung des §175 und der Zusammenschluss homosexueller Personen war. (Vgl. Schoppmann, 1990:12) Der Vorsitzende der BfM war einer der bedeutendsten Verleger homosexueller Medien. Trotz eingeschränkter Pressefreiheit gab es Zeitschriften, die speziell an lesbische Frauen gerichtet waren: „Ledige Frauen“, Frauenliebe“, „Garçonne“, „Blätter für ideale Frauenfreundschaft“ sowie „Die Freundin“. (ebd.:12) Diese waren an Kiosken in Berlin erhältlich. Die Zeitschriften konnten teilweise auch über die Grenzen Deutschlands hinaus erworben werden. (Vgl. Schader 2000:9) „Aus keinem Zeitraum sind so viele Zeitschriftenhomosexueller Frauen bekannt die parallel oder mit kurzer zeitlicher Verschiebung existierten.“ (ebd.:14)[13] Gleichzeitig gab es vielfältige lesbische Belletristik, die identifikatorische Angebote beinhaltete. Frauen aller Schichten waren nun auch in der Öffentlichkeit als homosexuelle Frauen erkennbar. (Vgl.ebd.:8) Sie waren Bürgerinnen der Gesellschaft und somit als Frauen sozialisiert. Durch diese weibliche Sozialisation wirkten traditionelle, wissenschaftliche und gesellschaftliche Modelle auf den Entwurf ihrer Selbstinszenierung. (Vgl. ebd.:14) Einen großen Einfluss hatten hierbei die in den zwanziger Jahren weit verbreiteten sexualwissenschaftlichen Theorien.[14] Sie verschafften lesbischen Frauen Möglichkeiten zur Auseinandersetzung und Identifikation, wenngleich diese auch eingeschränkt auf die Typen >viril und feminin< war. Homosexuelle Frauen mussten für ihre Lebensgestaltung einen Entwurf finden, damit ihre Lebensweise der Norm, die auch bezüglich gleichgeschlechtlicher Beziehungen existierte, der damaligen Gesellschaft entsprach. Aus diesem Anliegen heraus, dem gesellschaftlichen Bild von weiblicher Homosexualität zu entsprechen, entwickelte sich die Vorstellung von der Virilität der homosexuellen Frau. (Vgl. ebd.:14) Dies stand zwar in Korrespondenz mit gesellschaftlichen Ansichten, wurde aber auch neu entwickelt und umgestaltet. Jedoch waren diese Freiräume, die Lesben und Schwule erreicht hatten, nicht sicher. So entstand eine Vielzahl von antihomosexueller und antifeministischer Literatur. Diese Autoren befürworteten eine Kriminalisierung der Homosexualität und griffen die Frauenbewegung an:

 

„Die Frauenbewegung stelle nicht nur die herrschenden Machtstrukturen ungerechtfertigterweise infrage; er warf der angeblich lesbisch unterwanderten Frauenbewegung außerdem vor, Frauen zu „verführen“, sie dem Mann, der Institution Ehe und damit auch dem Staat zu entziehen“. (ebd.12f)

 

Der öffentliche Verkauf einiger Zeitschriften wurde eingeschränkt und teilweise verboten. Auch viele Vereine hatten sich die Bekämpfung der Homosexualität zum Ziel gesetzt. Des Weiteren wurden 1932 Tanzveranstaltungen und Versammlungen für Lesben und Schwule untersagt. (Vgl.ebd.:13) Auch die Frauenbewegung sollte mit dieser Kriminalisierung der Homosexualität an ihrer Arbeit gehindert werden. Homosexualität wurde unter den Sammelbegriff „Unzucht“ eingeordnet. Dies betraf nach Ansicht der Nationalsozialisten jede Sexualität, die außerhalb der Ehe stattfand und nicht der Fortpflanzung diente. (Vgl.ebd.14f) Die Propaganda gegen ledige und kinderlose Frauen traf besonders lesbische Frauen, da sie zum größten Teil unverheiratet waren. Jedoch heirateten viele auch, um dem gesellschaftlichen Druck zu entgehen: „Im günstigsten Fall konnten die Frauen einen homosexuellen Mann heiraten, dem die Eheschließung ebenfalls, größeren, wenngleich keineswegs absoluten Schutz bot.“ (ebd.:21) Der §175 sollte nach einer Strafrechtdebatte im Reichsjustizministerium auch auf lesbische Frauen ausgeweitet werden.[15] Da aber die meisten Juristen und Bevölkerungspolitiker die Ansicht vertraten, dass die Gefahr der „Verführung“ bei Frauen für den Staat nicht so bedrohlich ist, wie bei homosexuellen Männern, argumentierten sie wie folgt: Eine verführte Frau würde dadurch nicht dem normalen Geschlechtsverkehr entzogen werden, sondern würde bevölkerungspolitisch weiterhin „nutzbar bleiben“. (Vgl. ebd.:22) „(…)weibliche Homosexualität wurde zumeist, (…) über die „Geschlechtsbereitschaft“ und Fortpflanzungsfähigkeit“ der lesbischen Frauen, als „Pseudohomosexualität“ und damit „kurierbar“ entschärft, wenn sie überhaupt erwähnt wurde.“ (ebd.:24) 1933 wurde die Homosexuellenbewegung und –subkultur weitgehend zerstört. Die Organisationen, wie das Institut für Sexualwissenschaft (IfS), BfM und der dem BfM angeschlossene Vereine mussten aufgelöst werden. Weiterhin wurden die Lokale geschlossen und überwacht und das Kommunikationsnetz (Medien) verboten. (Vgl. ebd.:163f.) Die Konzentrationslager, die nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten errichtet wurden, sollten für Menschen, die allein wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden, eine „Umerziehungsfunktion“ haben. Mit diesem zynischen Begriff wird die Situation, in der sich Homosexuelle befanden, heruntergespielt. (Vgl.ebd.:224)

 

Die Geschichte der homosexuellen Männer wird zumeist getrennt betrachtet, ohne dass ein Bezug zu lesbischen Frauen hergestellt wird – oder ggf. die Gründe für diese Ausblendung erwähnt werden. Frauen, die mit Frauen zusammen waren, wurden nicht im selben Ausmaß von Staat und Gesellschaft wahrgenommen und verfolgt wie homosexuelle Männer. Dadurch erschwert sich die Rekonstruktion der Geschichte von lesbischen Frauen.[16] Bis heute ist unklar, ob es eine gesondert gekennzeichnete Gruppe lesbischer Frauen in den Konzentrationslagern gab. (Vgl.ebd.:228)[17] Hingegen gab es zahlreiche „getarnte“ Verfolgungen und Einweisungen lesbischer Frauen. Hierfür wurde jedoch nicht Homosexualität als Grund genannt sondern andere Kategorien, wie beispielsweise „Asoziale“, angegeben. Damit blieb die Homosexualität nach außen, z.B. in der Statistik, als Inhaftierungs-(mit)grund in der Regel unsichtbar und wurde nur in Einzelfällen nachgewiesen. Quantitative Angaben können aus diesem Grund nicht gemacht werden. (Vgl. ebd.:230)

 

„Mit Sicherheit kann man wohl nur sagen, dass es aus Macht- und Bevölkerungspolitischen Gründen keine systematische Verfolgung lesbischer Frauen gegeben hat, die mit derjenigen homosexueller Männer (etwa 500.000...

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