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E-Book

Glück ohne Ratgeber

Eine Philosophie des Gelingens

AutorStefan Bauberger
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783451815638
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Das Glück gibt es heute zu kaufen - fast überall. Psychologische Ratgeber zeigen uns den Weg dorthin, und Kurse, die uns mit ihrer Wellnesskultur beglücken, gibt es noch und nöcher. Nur führt das wirklich zum Glück? Oder ist das eher eine Glücksfalle, gefangen im Glücks-Stress? Für Stefan Bauberger ist die Antwort klar. Er ist in drei Welten zu Hause: als Jesuit, als Naturwissenschaftler und als Zen-Meister. Die Erfahrungen und Lehren aus diesen drei Welten führt er zusammen und erklärt, weshalb es für Menschen besser ist, nicht hinter dem Glück herzurennen und gerade deshalb zu einem erfüllteren Leben finden. Bauberger schreibt über leere Wellness- und Managerspiritualität, spricht über Glück und Glückseligkeit und darüber, warum man das Glück gerade ohne Ratgeber findet. Dabei greift er auf sein Wissen aus der christlichen wie fernöstlichen Spiritualität und seine praktische Erfahrung als Meditationslehrer zurück. So ist ein Buch entstanden, das mit den gängigen Glücksratgebern bricht und stattdessen einen tiefgründigen Weg skizziert. Für Bauberger bedeutet Glück etwas Besonderes zu sein. Dazu gehört die religiöse Identität genauso wie die Erkenntnis, dass Spiritualität heute oft missverstanden wird als Bereicherung, als ein krampfhaftes Anhäufen von Erfahrungen und einzelnen Glücksmomenten. Solche Momente sind wichtig und Bauberger beschreibt, wie man sie erleben kann. Doch er macht auch klar, dass das Klammern daran nie zum endgültigen Glück führen. Im Gegenteil entzieht es sich umso mehr, je mehr man es festhalten will. Das wahre Glück entsteht da, wo man auf jedes Festhalten des Glücks verzichtet. 'Spirituelle Traditionen bereichern den Glückssucher, aber gleichzeitig können sie auch vom Eigentlichen wegführen, wenn sie äußerlich bleiben', so der Autor im Vorwort. In seinem klugen Buch zeigt der Jesuit und Zen-Meister, was hinter dem Glückswahn steckt und wie wir den Weg heraus aus der Glücksfalle finden.

Stefan Bauberger SJ, geb. 1960, ist Physiker, Jesuit und Zenmeister. Er lehrt als Professor für Philosophie an der Hochschule für Philosophie in München und leitet ein Zen-Zentrum. Außerdem leitet er Kurse in Zen-Meditation und leitet als Zenmeister die Herzgrund-Sangha in München. Er hat verschiedene Bücher zum Zen-Buddhismus und in der Philosophie veröffentlicht.

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Leseprobe

Worum es geht


Es geht in diesem Buch um das Glück und um Religion, beziehungsweise den Kern, das Herz von Religion. Beide Themen – Glück und Religion – hängen zusammen, sie hängen sogar eng zusammen. Deshalb diese Verbindung. Über das Glück zu reden und zu schreiben ist modern, im Gegensatz zum Thema Religion. Daher zunächst ein paar Worte zu diesem weniger modernen Thema, oder um es modern zu sagen, zu diesem Mega-out-Thema.

Vor fast zwanzig Jahren nahm ich in der Tempelstadt Varanasi in Indien an einer Führung teil, organisiert von dem Hotel, in dem ich übernachtete. Ein frommer Hindu zeigte uns einige Tempel und erklärte sie uns. Die Mehrzahl der Teilnehmer an dieser Führung bestand aus jungen Touristen aus aller Welt. Der Führer war sichtlich genervt vom wenig respektvollen Verhalten einiger dieser Touristen in seinen Tempeln, was ich gut verstehen konnte, denn auch ich war peinlich berührt. Während ich etwas abseits von der Gruppe durch einen der gezeigten Tempel ging, sprach mich der Führer an: »Sie sind doch auch ein religiöser Mensch?« Meine Antwort: »Ja, ich bin ein katholischer Priester.« Darauf erwiderte er, der fromme Hindu: »Sehr gut, sehr gut!«

Dieses Verstehen zwischen uns bewegte mich tief, und ihm erging es ganz offensichtlich sehr ähnlich. Etwas verband uns in diesem Augenblick und ließ uns das respektlose Verhalten der anderen Touristen vergessen. Dieses Etwas kann ich nicht klar in Worte fassen. Und ich hätte dieses Etwas wahrscheinlich auch nie den anderen, den Respektlosen, so erklären können, dass sie es verstanden hätten. Denn es ging nicht etwa um den mangelnden Respekt. Wäre dem so gewesen, hätte ich durchaus vermitteln können, warum dieser Respekt angebracht gewesen wäre. Es ging um die Dimension des Absoluten, des Göttlichen, womit schon zu viel gesagt ist, als könnte man es in Worten ausdrücken. Dieses Etwas, das in einer solchen Weise verbindet, ist mir nicht nur in dieser einen Situation begegnet, ich kenne es in meiner eigenen Religion und auch sonst vielfach aus dem Zusammentreffen mit Gläubigen anderer Religionen, aber ebenso auch aus der Begegnung mit spirituellen Suchern ohne Religion.

In der Dimension, in der diese Begegnung stattfindet, gibt es kein Vergleichen, kein Gegeneinander von Religionen. Da gibt es nur den Bezug auf das Absolute, für das viele unterschiedliche Namen existieren. Ich erinnere mich an ein öffentliches Streitgespräch während meines Theologiestudiums, in dem ein indischer Jesuit und Theologe, der im interreligiösen Dialog aktiv ist, bedrängt wurde. Alles wurde auf die ultimative Frage zugespitzt: »Wie steht es jetzt um den Absolutheitsanspruch des Christentums?« Seine Antwort lautete: »Gott ist absolut.« Diese Absolutheit trennt die Religionen nicht, sondern verbindet sie in ihrem Kern. Die jeweils eigene Religion muss immer gegen Verflachungen verteidigt werden. Nicht nur Gott ist absolut, sondern auch sein Anspruch an diejenigen, die ihm folgen. Eine bürgerliche Verharmlosung von Religion zerstört Religion von innen her. Doch Absolutheit darf nicht falsch verstanden werden. Der indische Dichter Rabindranath Tagore betet verbunden mit der absoluten Wirklichkeit: »Erlöse uns (…) von den Glaubensformeln, die mit Ausschließlichkeit prahlen.«1 Der absolute Anspruch der absoluten Wirklichkeit drückt sich nicht im Kampf der Religionen aus.

Auf der äußeren Ebene gibt es Religionen mit ihren jeweiligen unterschiedlichen Traditionen, es gibt einen Dialog der Religionen und ein Gegeneinander der Religionen und eine Konkurrenz. Es ist wichtig zu verstehen, dass es im Herzen, im Kern, aus dem die Religionen entspringen, das alles nicht gibt. Dort zählt nur das Absolute, nur dieses hat einen Wert, nichts anderes.

In diesem Bezug auf das Absolute treffe ich mich mit Gläubigen vieler Religionen – und gleichzeitig finde ich diesen Bezug leider oft genug nicht in der Begegnung mit Angehörigen meiner eigenen Religionen, dem Christentum und dem Buddhismus. Und das, obwohl es für mich das Wichtigste ist, wovon diese Religionen sprechen, wonach sie suchen und was darin zu finden ist. Es ist nicht nur das Wichtigste in diesen Religionen, sondern das Wichtigste überhaupt. Und auch dieser Vergleich trifft es noch nicht, weil nichts im Leben überhaupt eine Bedeutung hat im Vergleich zu diesem Unsagbaren. Jedenfalls stimmt das, sobald dieses Unsagbare im Bewusstsein ist. Denn dann hat nichts anderes noch eine vergleichbare Bedeutung. Wenn es aber entschwunden ist, ist es so, als hätte es nie existiert. Aus dieser Erfahrung des Vergessens kann ich auch diejenigen verstehen, denen dieses Religiöse oder Spirituelle ganz fremd ist. Es gibt kein Verstehen dieses Bereichs aus dem normalen Weltlichen heraus, es gibt keine Verbindung dorthin. Aus dem Bereich des »Weltlichen« betrachtet ist es, als würde das Absolute gar nicht existieren.

Es scheint so, als ob die meisten Menschen in Europa inzwischen den Bezug auf diesen Bereich verloren hätten. Es gibt hier eine große Krise der Religionen, jedenfalls des Christentums. Aber vielleicht ist es gar nicht so, dass da etwas vom Kern, vom Herzen der Religionen verloren gegangen ist. Vielleicht ist nur die kulturelle und gesellschaftliche Bindung an die Institutionen der Religion, an die Religionsgemeinschaften verloren gegangen. Wie schon gesagt: Auch innerhalb dieser Institutionen, innerhalb der Religionsgemeinschaften, ist der Bezug auf diesen Bereich des Absoluten keineswegs selbstverständlich. In der Bibel wird Jesus mit den Worten zitiert: »Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht geweissagt in deinem Namen, in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Wunder gewirkt? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch nie gekannt.« (Mt 7,21–23a)

Weder garantiert die Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinschaft, dass eine Verbindung mit dem gegeben ist, was Religion ausmacht, noch schließt Religionslosigkeit eine solche Verbindung aus.

Während ich an diesem Buch schreibe, wird ein erschreckender Bericht über Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Priester der katholischen Kirche in Deutschland veröffentlicht. Gleichzeitig läuft, weit weniger von der Öffentlichkeit bemerkt, innerhalb der Deutschen Buddhistischen Union eine schwierige und kontroverse Auseinandersetzung über Machtmissbrauch und sexuellen Missbrauch durch spirituelle Führer, von denen einige sehr bekannt und erfolgreich waren. In einigen Fällen sind auch Kinder davon betroffen, meist eher Erwachsene, wobei es aber auch hier um Abhängigkeitsverhältnisse geht, die missbraucht worden sind. Als bemerkenswert erweisen sich die Reaktionen aus dem Inneren dieser Religionsgemeinschaften. Innerhalb der katholischen Kirche zeigt man sich tief erschüttert. Und doch wird sich durch diese Erschütterung nichts Wesentliches an den Machtstrukturen ändern, jedenfalls steht das zu befürchten. Die Erschütterung wird schnell verklungen sein im Angesicht der Festigkeit der Strukturen der Institution. Einige innerhalb der Institution sind, davon gehe ich aus, tatsächlich tief erschüttert, und sie werden unter der institutionellen Starrheit leiden. Auch in den buddhistischen Schulen gibt es aufrichtig Erschütterte, aber auch dort weist nichts darauf hin, dass tiefgründige Reformen zu erwarten wären. Im Buddhismus sind die Institutionen selbst weniger ausgeprägt, aber gerade in den von Missbrauch betroffenen Schulen gab es mindestens genauso starke und starre Machtstrukturen.

Das Äußere der Religionen folgt weltlichen, nicht göttlichen Regeln. Dort geht es um Macht, es geht um Geld und um Ansehen, wie in allen anderen Institutionen auch. Die Spannung zwischen dem, was ich das Herz von Religion nenne, und diesen äußeren Strukturen ist manchmal schwer zu ertragen. In den religiösen Traditionen wird ein Bezug auf das Absolute weitergegeben, doch das geschieht nie ungebrochen, manchmal sogar grotesk verzerrt, und gerade deshalb muss dieser Kern von Religion immer wieder neu entdeckt werden. Nur in diesem Wiederentdecken sind Religionen wertvoll, sie sind es nur, soweit dieses Wiederentdecken gelingt. Insofern ist die Krise der institutionellen Religion vom Herz der Religion her gedacht eine große Chance, wenn sie zu diesem Wiederentdecken des Ursprungs führt – und nur dann folgen die Traditionen und Institutionen ihrer eigentlichen Bestimmung, wenn sie selbst unwichtig werden und hinter dem verschwinden, woraus sie entspringen und woraufhin sie zielen.

Gustav Mahler soll, in Anlehnung an Jean Jaurès, gesagt haben: »Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.« In der Praxis ist Tradition natürlich beides. Deshalb muss religiöse Tradition immer wieder von Neuem zum Leben kommen, deshalb muss sie immer wieder zum Feuer werden. Die Versuchung der Anbetung der Asche bleibt groß – und sie lässt sich viel besser organisieren als das Feuer.

Noch einmal zurück zu den Missbrauchsskandalen. In der katholischen Kirche wird beklagt, dass durch diese Vorkommnisse das Vertrauen der Gläubigen in die Kirche erschüttert ist. Von buddhistischer Seite höre ich die bange Frage: »Ist der Buddhismus also genauso verkommen und korrupt wie die anderen Religionen?«2 Für die Opfer des Missbrauchs klingen solche Fragen, insbesondere nach dem beschädigten Vertrauen, zynisch. Denn diese Fragen drehen sich um das Wohl der Institutionen, und gerade diese Fixierung hat vielfach dazu beigetragen, dass Missbrauch vertuscht wurde. Mit grausamen Folgen....

Blick ins Buch

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