Vorwort
Spaß haben am Essen und Kochen? Vor fünf Jahren noch wäre das für mich undenkbar gewesen, denn damals erkrankte ich an Magersucht. Heute, nachdem ich die Krankheit überwunden habe, liebe ich das Leben und das Kochen und ich möchte dir von meinen Erfahrungen der letzten Jahre erzählen. Mit diesem Buch möchte ich dir Mut machen, wieder Freude am Leben und am Essen zu finden. Ich werde keine traurige Geschichte erzählen, sondern zeigen, wie sich aus meiner Krankheit und ihrer Überwindung letztlich etwas Positives entwickeln konnte. Und darum geht es in diesem zugegeben etwas ungewöhnlichen Kochbuch.
Als ehemals Magersüchtige ein Kochbuch schreiben? Ja, das geht! Obwohl ich als Betroffene meine Erfahrungen immer wieder an Menschen weitergebe, die gerade mit der Krankheit kämpfen, habe ich lange gezögert, mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Was würde wohl mein Umfeld darüber denken? Wie würden Freunde, Familie und Bekannte reagieren? Gleichzeitig war mir bewusst, dass schon so viele autobiografische Bücher über Magersucht existieren. Warum sollte ich dann noch eines schreiben? Ich wollte, wenn möglich, in einer positiven Art und Weise über die Krankheit sprechen. Doch wie sollte das überhaupt gehen? Genau drei Jahre und viele Gedankengänge später habe ich all meinen Mut zusammengenommen und die Idee war geboren: Ich wollte meine neu gewonnene Leidenschaft zu kochen mit anderen teilen und ein Kochbuch schreiben, das gleichzeitig ein kleiner Ratgeber für (ehemals) Betroffene sein sollte.
Wie meine Idee entstand
Seit ungefähr vier Jahren bin ich Vegetarierin. Das war eine bewusste Entscheidung, die ich nach der Überwindung meiner Magersucht getroffen habe. Nach meinem Klinikaufenthalt habe ich mein Leben komplett umgestellt. Ich hatte das Gefühl, dass ich ein neues Leben gewonnen hatte. Und ich wollte anders leben als zuvor. Wollte glücklicher sein, viel mehr unternehmen und das Leben genießen. Ich hatte den starken Wunsch, die Dinge nachzuholen, die ich während der Krankheit verpasst hatte oder nicht zulassen konnte. In diesem Zusammenhang beschäftigte ich mich immer mehr mit meiner Ernährungsweise. Vielleicht hat auch das Bedürfnis eine Rolle gespielt, mich gesund zu ernähren, um mir und meinem Körper etwas Gutes zu tun. Ich merkte, dass die vegetarische Ernährung viel zu meinem wachsenden Wohlbefinden beitrug, ich hatte mehr Kraft, Energie und Lebensfreude. Na ja, trotz der überwiegend vegetarischen Ernährung landet ab und zu dann doch auch einmal Fisch auf meinem Teller – den liebe ich, neben guten Gewürzen und frischen pflanzlichen Produkten, nämlich sehr. Zum ersten Mal gab mein Körper mir positive Signale, dass ihm das, was ich aß, guttat. Das bestätigte mich in meiner Entscheidung, mich überwiegend vegetarisch zu ernähren – und genau so esse ich auch noch heute. Gut, sagst du jetzt vielleicht, das ist alles schön, aber deswegen ein Kochbuch schreiben? Da fehlt doch noch ein anderer wichtiger Impuls, oder?
Ja, das ist richtig. Erst seit ungefähr zwei Jahren koche und backe ich selbst unglaublich gerne. Die Küche war für mich nun nicht mehr, wie zu Beginn meiner Krankheit, mein Feind, sondern wurde zu einem lebendigen Ort der Begegnung und des Austauschs mit Freunden und der Familie. Diese Erfahrung machte ich insbesondere während meines Auslandsjahrs, das ich in Irland verbrachte. In Dublin absolvierte ich einen Europäischen Freiwilligendienst und kümmerte mich um alte Menschen. Dieses eine Jahr im Ausland war für mich zunächst eine große Herausforderung, gleichzeitig habe ich aber auch viel gelernt und die Zeit sehr genossen. Und vor allem: Ich habe mich selbst noch einmal ganz neu wahrnehmen und kennenlernen können.
In Irland fing ich dann an, mich noch intensiver mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährungsweise, mit innovativen Rezeptideen und den neuesten Food-Trends zu beschäftigen. Ich hatte Lust, mich diesem Interessensgebiet zuzuwenden, zumal Irland zu dem Zeitpunkt als neue »Hochburg der Trend-Foods« immer mehr an Bedeutung gewann. Kochschulen schossen aus dem Boden, irische Starköche wurden international bekannt. Kochbücher in deutscher und englischer Sprache begannen sich in meinen Regalen zu stapeln und damit wurde die Küche für mich zu einem Experimentierlabor und gleichzeitig zu einer kleinen Privatbibliothek.
Ich fing an Fortbildungen und Kochkurse zu besuchen, in denen ich neue Einblicke in die aufregende und bunte Welt der Lebensmittelvielfalt gewann. Ich entdeckte meine Leidenschaft für gesunde und frische Produkte und den Spaß, auf Märkten Neues zu entdecken. So entwickelte ich im Lauf der Zeit immer mehr neue Rezepte und eigene Kreationen, lernte, wieder mit Lebensmitteln zu hantieren und die unterschiedlichsten Gerichte auszuprobieren. Ich konnte wieder spontan sein und genießen. Und ich stellte fest, dass ich wegwollte von all den Fertigprodukten und industriell verarbeiteten Lebensmitteln. Frische Lebensmittel wurden für mich zu einem zentralen Begriff. Mit dem Selbstkochen motivierte ich mich, wieder besser auf mich zu achten und damit mein bisheriges Verständnis von Essen jetzt, so viele Jahre nach meiner Magersucht, komplett zu verändern. In gewisser Weise gab ich mir und meiner Beziehung zum Essen eine zweite Chance. Und schon nach kurzer Zeit merkte ich, wie mich diese neu gewonnene Ernährungs- und Sichtweise wieder strahlen ließ – von innen und von außen. Das merkte auch mein persönliches Umfeld. Meine Laune verbesserte sich. Ich lachte mehr und war mit mir selbst zufriedener. Und genau zu diesem Zeitpunkt, während meines Freiwilligendienstes, kam mir die passende Buchidee.
Wir alle haben eigene Essvorlieben – und das ist auch gut so
Aber da war auch noch etwas: In der heutigen Zeit wird es immer schwieriger, sich in dem Dschungel der Ernährungsphilosophien und Food-Trends zurechtzufinden. Mittlerweile wechseln die Ratschläge zu einer »gesunden Ernährung« täglich – und man weiß überhaupt nicht mehr, was richtig oder falsch ist. Ich habe gelernt, dass es ebenso viele unterschiedliche Essvorlieben wie Menschen gibt. Jeder von uns hat andere Bedürfnisse, Neigungen oder Gewohnheiten – auch was das Essen angeht. Dem einen tut diese, dem anderen jene Ernährungsweise gut.
Und genauso gibt es viele unterschiedliche Gründe, an Magersucht zu erkranken, und zahlreiche Arten, wie diese sich äußert. Deswegen gibt es für mich nicht »die eine« richtige oder gesunde Ernährungsform.
Mit diesem Buch möchte ich dir hierfür eine kleine Hilfestellung geben und von meinen ganz persönlichen Erfahrungen berichten. Ich koche für mein Leben gerne – und das meine ich wortwörtlich. Umso mehr freue ich mich, wenn dir meine Geschichte, meine Tipps und Tricks und auch meine Rezepte weiterhelfen und auch dir Spaß beim Ausprobieren machen.
Als Magersüchtige kocht man unglaublich gern – für andere. Jetzt ist es Zeit, dass du an dich denkst. Das Essen zu genießen bedeutet auch, das Leben wieder zu genießen. In Gesellschaft zu sein. Freunde zu treffen. Es ist Zeit zu leben. Es ist Zeit, ein (Über-)Lebensgourmet zu werden. Wie genau das geht? Das erfährst du in diesem Buch. Auf den nun folgenden Seiten möchte ich dich an die Hand nehmen und dich mit hineinnehmen in meine Rezeptwelt und damit auch in mein Leben. Also: Einfach anfangen!
Hinweise zu den Rezepten
Der Umgang mit diesem Buch ist denkbar einfach: Leg einfach los und schwinge den Kochlöffel. Wie bitte? Einfach loslegen? Ja, genau. Trau dich! Dazu ist dieses Kochbuch da. In den verschiedenen Kapiteln findest du abwechslungsreiche Rezepte, gepaart mit Ratschlägen, die dir dabei helfen können, einen Weg aus der Krankheit zu finden und die Freude am Essen wiederzuerlangen. Ich hoffe sehr, dass du das ein oder andere der Gefühle wieder neu entdecken kannst, nach denen ich die einzelnen Kapitel eingeteilt habe. Der einzige Weg aus der Krankheit ist, selbst zu handeln, aktiv etwas zu tun und bereit zu sein, etwas zu ändern. Und genau dazu möchte mein Buch dich bewegen: Das aktive Kochen soll dir helfen, das Essen und den Genuss daran wieder intensiv zu erleben – genauso, wie es mir geholfen hat.
Und wie sehen die Vorbereitungen aus, fragst du dich vielleicht? Wie sind die Rezepte aufgebaut und brauche ich spezielle Zutaten oder Küchengeräte? Zunächst einmal habe ich bewusst auf sämtliche Grammangaben oder andere Maßeinheiten verzichtet. Die sind in den meisten Fällen für Magersüchtige eher kontraproduktiv und hindern daran, nach Gefühl zu kochen und einfach Spaß zu haben an dem, was man tut. Mit meinem Kochbuch zu arbeiten bedeutet, wieder bewusst zu erleben, zu fühlen und sich auf das Erlebnis Kochen einzulassen. Alle Rezepte sind einfach nachzukochen und erfordern keine speziellen Kenntnisse oder ausgefallenen Küchengeräte. Ich habe viel Zeit in der Küche verbracht und ausprobiert, die sonst so üblichen Grammangaben in meine eigenen Maßeinheiten zu übersetzen. Es hat lange gedauert, aber es hat funktioniert.
Beim Kochen geht es auch um Gefühl. Nicht nur um genaues Abwiegen. Es geht darum, zu experimentieren und von neuen Aromen und Geschmackserlebnissen überrascht zu werden. Jeder von uns hat Vorlieben oder Abneigungen, die auf diese Weise berücksichtigt werden können.
Und wie mache ich das nun mit den Größenangaben, wenn ich für mehrere kochen will, fragst du dich? Nun, mit diesem Kochbuch sollst du zuallererst einmal selbst kochen und genussvoll essen lernen. Die allermeisten Rezepte sind nur für dich...