Bei den aktuell eingesetzten Green-IT-Strategien gibt es noch wenige Best Practices und es herrscht eine große Heterogenität, beispielsweise bei der Tiefe der Integration in die Unternehmensphilosophie. Einige Überlegungen und Vorgänge tauchen jedoch immer wieder auf und lassen sich in einem Kreislauf darstellen, wie Abbildung 4 zeigt.
Abbildung 4: Strategiekreislauf der Green IT
Ausschlaggebend für die Umsetzung einer Green-IT-Strategie sind immer die Ziele, die ein Unternehmen oder eine Behörde damit verfolgt. Diese können ökologischer Art sein, meist jedoch stecken ökonomische Überlegungen oder eine Marketingstrategie dahinter. Auf Grundlage dieser Vorgaben werden Maßnahmen ergriffen, um die Ziele zu erreichen. Hier besteht der größte Handlungsspielraum für die Akteure, jedoch lassen sich die meisten Maßnahmen den zwei inneren Ebenen der Green IT zuordnen. Zur Messung der Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen dienen Kennzahlen, wobei hierbei aus Gründen der Vergleichbarkeit auf internationale Standards zurückgegriffen werden sollte. Die gewonnenen Kennzahlen dienen als Basis für die Kommunikation nach außen, zum Beispiel in Form einer Werbekampagne, oder nach innen, um Korrekturen vorzunehmen. Die Kommunikation und die darauf erhaltene Resonanz nimmt wiederum Einfluss auf die Ziele der Green IT der Unternehmung, wodurch sich der Kreislauf schließt.
In den seltensten Fällen erfolgt der Einsatz von Green IT intrinsisch zum Schutz der Umwelt. Durch den globalen Wettbewerbsdruck werden Entscheidungen hin zu nachhaltigen IT-Lösungen aus ökonomischen Überlegungen oder für eine positive Außendarstellung getroffen. Laut einer Studie von 2010 sind für Unternehmen Kosteneinsparungen (57 %) und der positive Einfluss auf das Unternehmensimage (43 %) die zwei interessantesten Aspekte von Green IT [LIFE10, S. 48]. Dabei spielt die Energieeffizienz eine entscheidende Rolle, da durch stetig steigende Energiepreise Energieeinsparungen in oder durch die IT zu einem Wettbewerbsvorteil geworden sind und diese auch gut mess- und damit kommunizierbar sind. Abbildung 5 zeigt die Energiepreisentwicklung seit Anfang 2007.
Abbildung 5: Energiepreisentwicklung (in Anlehnung an [STAT13, S. 25; S. 49])
Die Angabe des Strompreises erfolgt hier ohne Mehrwertsteuer, aber mit Verbrauchssteuer und beziffert die Preise, die die Industrie mit einem Jahresverbrauch von 2.000 - 20.000 MWh zahlen muss. Zwar liegen diese Preise deutlich unter denen privater Haushalte – diese mussten 2012 mehr als das Doppelte zahlen [STAT13, S. 48] – verteuerten sich aber dennoch um nahezu 40 % seit 2007. Auch der Benzinpreis spielt bei Green-IT-Kalkulationen eine Rolle, lassen sich doch auch hier, beispielsweise durch IT-gestützte Logistik, Kosten sparen. Obwohl die Kurve der Benzinpreisentwicklung verglichen mit der des Strompreises weniger konstant verläuft, ist auch hier ein Anstieg von circa 35 % für denselben Zeitraum zu beobachten. Ebenso wie beim Strompreis erfolgt auch hier die Angabe der Preise ohne Mehrwertsteuer, jedoch einschließlich Mineralölsteuer und Erdölbevorratungsbeitrag und bezieht sich auf den Preis für Superbenzin, wobei auch Preisentwicklungen bei vergleichbaren Kraftstoffen wie Diesel ähnliche Verlaufskurven aufzeigen. Obwohl die Kraftstoffpreise, nach der Weltwirtschaftskrise, ab dem 2. Halbjahr 2008 stark einbrachen, befinden sie sich heute auf einem Niveau, das Wegeminimierung durch IT-Unterstützung interessant macht.
Auf Grundlage dieser Überlegungen, wenn Green IT vor allem aus Kostengründen und zur Imagepflege betrieben wird, wird deutlich, dass viele Unternehmen hohe Startinvestitionen in ökologische Innovationen scheuen und diese eher umsetzen, wenn sie sich schnell amortisieren [DBRS10, S. 1]. Hier gilt es, langfristige und ganzheitliche Konzepte zu entwickeln. Untergliedern lassen sich solche Konzepte durch Ziele, die direkt in der IT für Nachhaltigkeit sorgen und solchen, die mit IT-Unterstützung nachhaltig sind, analog zu den zwei inneren Ebenen der Green-IT-Definition. Auf die dritte Ebene, die hervorgerufenen Verhaltensveränderungen, wird bewusst verzichtet, da diese nicht nur schwer mess- und zuordenbar, sondern aufgrund vieler externer und nicht-beeinflussbarer Faktoren kaum planbar ist. Den Unterschied zwischen „Green in IT“ und „Green durch IT“ kannten 2010 immerhin 54 % der Unternehmen und zwei Drittel der Unternehmen, die bereits Green-IT-Projekte umgesetzt haben [DBRS10, S. 6]. Die Verteilung zwischen direkter und indirekter Green IT zeigt eine Untersuchung von 50 staatlichen Förderprogrammen durch die OECD. 26 dieser Programme zielten auf „Green in der IT“, nur acht auf die indirekten Effekte durch „Green durch IT“ [OECD09, S.19f.]. Durch die enge Verzahnung staatlicher Förderung mit betrieblicher Umsetzung von Green IT lässt sich eine ähnliche Verteilung im Unternehmensumfeld folgern. Dass dadurch viel Potenzial ungenutzt bleibt, lassen einzelne Studien vermuten, die davon ausgehen, dass die möglichen Ressourceneinsparungen durch „Green durch IT“-Maßnahmen achtmal höher liegen als der Verbrauch der Informations- und Kommunikationstechnik [BORD12, S. 7f.]. Dies wird auch für das Erreichen umweltpolitischer Ziele eine wichtige Rolle spielen, wird doch mit einem Reduktionspotenzial von knapp 200 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2020 durch direkte und besonders indirekte IT-Lösungen gerechnet [BOCG10, S. 7].
Nachhaltigkeit in der IT, also „Green in der IT“, wird überwiegend mit dem Ziel der Energieeffizienz während der Nutzung assoziiert. Bei einem geschätzten Anteil der IKT von 11 % am Gesamtstromverbrauch [BORD12, S. 42] und einem geschätzten Einsparpotenzial von 75 % durch energieeffiziente Technik [BORD12a, S. 2] ist dies auch nachvollziehbar. Energieeffiziente Komponenten sind für Green IT notwendig, aber nicht hinreichend [FICH09, S. 5]. Eine alleinige Fokussierung auf die Energieeffizienz der Komponenten kann zum Rebound-Effekt führen. Dabei würde, auch bei energieeffizienterer Hardware, durch die Zunahme der Daten und Geräte im Endeffekt mehr Strom verbraucht als im jetzigen Status quo [BORD12a, S. 2]. Wichtig ist daher, durch Betrachtung des gesamten Nutzungssystems eine systemische Ressourceneffizienz anzustreben [FICH09, S. 5], wozu zum Beispiel eine intelligente Steuerung und Nutzung vorhandener Ressourcen ebenso gehört wie eine Materialeffizienz in der Produktion und Entsorgung von IT-Gütern.
Die heutige Priorisierung auf die Stromreduktion während der Nutzungsphase kommt auch daher, dass aus Kostenüberlegungen seitens der Industrie innerhalb weniger Jahre die Produktionsverfahren für IT-Güter deutlich effizienter wurden. Bei einem durchschnittlichen Lebenszyklus eines PCs fallen heutzutage 70 % des Energieverbrauchs auf die Phase der Nutzung, während vor wenigen Jahren noch der Großteil der Energie während der Produktion verbraucht wurde [OECD10, S. 19].
Weiterhin kritisch bleibt der Materialeinsatz in der Produktion. Für die ITK-Branche werden viele seltene Metalle verwendet, deren Gewinnung schwierig und umweltschädlich ist. Bei weiterhin steigender Rohstoffnachfrage der ITK-Branche wird damit gerechnet, dass bei bestimmten Metallen wie Gallium und Germanium 2030 allein der Bedarf für IT-Komponenten die heutige weltweite Fördermenge übersteigt [BORD12, S. 70]. Darüber hinaus werden für Metalle wie Silber und Platin hohe Umweltverschmutzungen in Kauf genommen. Das Versauerungspotenzial, das durch die Jahresproduktion von Platin hervorgerufen wird, also die Summe aller Gase aus dem Gewinnungsprozess, die zur Versauerung der Umwelt beitragen können, entspricht dem der Roheisenproduktion – obwohl die Fördermenge von Roheisen 1,88 Millionen mal höher liegt als die von Platin [BORD12, S. 73].
Das Ziel von Green durch IT besteht darin, Nachhaltigkeit in Bereichen außerhalb der IT, aber mit Unterstützung der IT zu schaffen. Das bereits angesprochene große Potenzial dieses Ansatzes [BORD12, S. 7f.] liegt auch in den mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten begründet, die sich über die verschiedensten Unternehmensbereiche und Branchen erstrecken. Eine Auswahl der durch IT-Unterstützung ermöglichten Nachhaltigkeit zeigt Abbildung 6, ohne bereits auf konkrete Maßnahmen einzugehen.
Abbildung 6: Ziele von Green durch IT
Eines der Ziele ist die Dematerialisierung physischer Güter, die bereits seit Mitte der 1990er Jahre mit der Forderung „bits instead of atoms“ [BOCG10, S. 57] kursiert. Diese bezieht sich zum einen auf die Entwicklung elektronischer Substitute für Medien wie Zeitungen, Bücher und Musik [BORD12, S. 65], wird im Geschäftsumfeld jedoch zumeist mit Virtual Conferencing und Telearbeit assoziert [BOCG10, S. 58]. Der Wegfall von Pendlerverkehr oder Dienstreisen findet sich auch in Smart Mobility & Logistics, wobei hier ebenfalls eine intelligente Verkehrsführung [BORD12, S. 62] und die Verbesserung von Lieferketten und Transportrouten in...