Die Ansätze zur Neuordnung des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum zwischen 1949 und 1961 lassen sich nach den ersten drei Legislaturperioden des Deutschen Bundestages gliedern, die zugleich auch die Amtsperioden Adenauers waren. Während der ersten Legislaturperiode von 1949 bis 1953 bemühte sich die CDU-/CSU-/DP-Koalitionsregierung, das von den Alliierten geschaffene föderalistische Rundfunksystem gesetzlich neu zu regeln. Ihr Ziel war es, den Einfluss von Staat und Regierung auf den Rundfunk zu vergrößern. Dieser Versuch scheiterte aber am gemeinsamen Veto von Alliierten, Bundesländern und Rundfunkanstalten.[20]
In seiner zweiten Amtszeit von 1953 bis 1957 setzte der Bundeskanzler daher in dieser Angelegenheit stärker auf eine Kooperation mit den Ländern die letztlich aber ebenso erfolglos blieb, weil die CDU-Ministerpräsidenten ihrem Kanzler in dieser Angelegenheit nicht einheitlich den Rücken stärkten und die verfassungsrechtliche Position der Länder über die Parteiräson stellten.[21]
In seiner dritten Amtsperiode - Adenauer regierte zum ersten Mal mit einer absoluten Mehrheit im Parlament - versuchte der Kanzler angesichts einer mittlerweile fest gefahrenen Verhandlungssituation zwischen Bund und Ländern letztere vor rundfunkpolitisch vollendete Tatsachen zu stellen und ein zweites Fernsehprogramm durch die Gründung einer privaten Rundfunkgesellschaft unter Mehrheitsbeteiligung des Bundes produzieren und ausstrahlen zu lassen, auf das die Regierung hätte deutlichen politischen Einfluss nehmen können. Die vier SPD-regierten Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Hessen riefen daraufhin im Herbst 1960 das Bundesverfassungsgericht an. Mit seinem Urteil vom 28. Februar 1961 begrub das Gericht die Hoffnungen Adenauers, er könne das neue Massenmedium als politisches Führungsmittel der Bundesregierung nutzen.[22] Das Bundesverfassungsgericht hatte den Ministerpräsidenten mit seinem Urteil die Verantwortung für die weitere Entwicklung des Rundfunks in der Bundesrepublik in die Hände gegeben, die jetzt zu entscheiden hatten, ob und wie die Einrichtung eines allseits geforderten zweiten Fernsehprogramms verwirklicht werden sollte.
Die Kultusminister der Länder hatten bereits kurz nach Gründung der Bundesrepublik, noch bevor die Bundesregierung ihrerseits erste Andeutungen über eine mögliche Neuordnung des Rundfunks gemacht hatte, im Dezember 1950 einen Entwurf („Hannoveraner Entwurf“) über eine Neuordnung des Rundfunks in der Bundesrepublik vorgelegt, der das Thema zum ersten Mal ansprach. Der Entwurf schlug eine gesetzliche Festlegung des durch die Alliierten geschaffenen Status quo vor. Auch die Rundfunkanstalten hatten kurz darauf bereits Vorschläge zur Neuordnung des Rundfunks gemacht. Beide Vorschläge glichen sich in der gemeinsamen Forderung, ein Programm- und Sendemonopol für die Anstalten zu schaffen und liefen damit im Grundsatz auf eine Festigung der rundfunkpolitischen Positionen der Anstalten gegenüber dem Bund hinaus. Ziel der Kultusminister und Anstalten war es, den Bundesgesetzgeber mit ihren Vorschlägen zu überzeugen, bevor dieser selbst in Aktion trat.[23] Denn wenige Wochen nach Bildung seiner Regierung forderte auch Bundeskanzler Adenauer von seinem damaligen Innenminister Gustav Heinemann Informationen darüber zu erhalten, welche Einflussmöglichkeiten seine Regierung auf das bestehende Rundfunksystem habe, welche Möglichkeiten einer Neuordnung des Rundfunks bestehen und vor allem, welche Pläne die Rundfunkanstalten, die Adenauer unter starkem Oppositionseinfluss stehend verdächtigte, im einzelnen verfolgten. Heinemann teilte Adenauer mit, er betrachte es als „rechtlich einwandfreie“ und „praktisch brauchbare“ Lösung, dass der Bund neben der technischen Aufgabe der Wellenverteilung auch gesetzliche Richtlinien für den Rundfunk erlassen könne, nach deren Maßgabe die Länder die Rundfunkorganisation in ihrem Hoheitsbereich ausgestalten können.[24] Verbündete für eine solche gesetzliche Neuordnung des Rundfunks fand der Bundeskanzler in der Führungsspitze der Postbehörde. Sie betrachtete das Fernmeldeanlagengesetz von 1928, nach der die technische Zuständigkeit für das Fernmeldewesen in den Händen der Post lag, nach Gründung der Bundesrepublik für automatisch in das Grundgesetz transformiert und reklamierte deshalb die Hoheitsbefugnis über das Fernmeldewesen in der Bundesrepublik.[25] Adenauer operierte mit einer ähnlichen Taktik. Der Kanzler versuchte, die bis 1955 gültigen Rundfunkverordnungen der Alliierten in dem Wissen zu neutralisieren, dass bei einer Revision des Besatzungsstatuts die Rundfunkhoheit automatisch in die Zuständigkeit des Bundes zurückfallen würde. Für diesen Fall wollte die Bundesregierung schon 1949 ein Bundesrundfunkgesetz vorbereitet haben, das dem Bund beim Eintreten dieses Falles einen möglichst großen Einfluss auf den Rundfunk gesichert hätte.[26]
Die erste große rundfunkpolitische Debatte im Bundestag löste am 9. Mai 1951 der Koalitionspartner der CDU, die Deutsche Partei (DP), mit einem Antrag an die Regierung aus, unverzüglich einen Entwurf über ein Bundesrundfunkgesetz vorzulegen. Der Antrag fügte sich in das Vorhaben der Bundesregierung ein, die bereits am 3. März 1951 beschlossen hatte, mit der Vorbereitung eines Rundfunkrahmengesetzes zu beginnen.[27] Vorbedingung für das In-Kraft-Treten eines solchen Gesetzes war der Wegfall der von den Alliierten geschaffenen Rundfunkverordnungen in den einzelnen Zonen. Die Alliierten zeigten sich allerdings nur dann zur Aufhebung ihrer Verordnungen bereit, wenn dem Bund keinesfalls eine Möglichkeit zur Beeinflussung der Programmpolitik im bundesrepublikanischen Rundfunk eingeräumt werden würde, und die bestehenden Rundfunkordnungen weiter auf der Organisationshoheit der Länder beruhen blieben.[28] Für letztere Forderung setzten sich auch die ARD-Intendanten in ihren gemeinsam erarbeiteten „Vorschläge(n) für die Ordnung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik“ ein, in denen sie die politische, kulturelle, technische, wirtschaftliche und staatliche Unabhängigkeit der Rundfunkanstalten forderten.[29]
Ein erster Höhepunkt in der Debatte über eine Neuregelung der Rundfunkorganisation zeichnete sich zum Ende der ersten Legislaturperiode des deutschen Bundestages ab.[30] Bereits im Herbst 1952 war durch Presseveröffentlichungen ein Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium über ein „Bundesgesetz zur Ordnung des deutschen Rundfunks“ bekannt geworden. Der Entwurf erregte schon bei seiner Veröffentlichung Aufsehen, weil er vorsah, die Zahl der Landesrundfunkanstalten zu verringern und deren Sendebereiche von neun auf sechs zu reduzieren.[31] Die Intendanten der Landesrundfunkanstalten, die Ministerpräsidenten und auch die Alliierten kritisierten die Vorschläge des Ministeriums und bemängelten auch nach einer Überarbeitung des Entwurfes, er würde den Rundfunkzentralismus wieder einführen und im Falle seiner Realisierung durch eine dadurch notwendig gewordene Umverteilung der Rundfunkgebühren die Finanzlage der bestehenden Anstalten bis zur Existenznot schwächen.[32] Die Ministerpräsidenten lehnten den Entwurf wegen eines schwerwiegenden Eingriffs in die Kulturhoheit der Länder aus verfassungsrechtlichen Gründen ebenso ab wie die SPD, die ihn als Versuch der Regierung betrachtete, sich der Gewalt über den Rundfunk zu bemächtigen.[33]
Um einer möglichen Ablehnung des Entwurfe durch den Bundesrat zu entgehen, lancierte die CDU ihn als „Initiativantrag über ein Gesetz über die Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiet des Rundfunks“[34] aus der Mitte des Bundestages direkt in das Parlament[35], von wo er nach langer Debatte in erster Lesung am 15. April 1953 mit 160 zu 143 Stimmen an den Ausschuss für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films, sowie mitberatend an den Rechtsausschuss überwiesen wurde.[36] Von dort kehrte er bis zum Ende der Legislaturperiode nicht wieder in den Bundestag zurück und war damit verfallen, womit die Debatte über die Rundfunkgesetzgebung zunächst zu einem vorläufigen Abschluss kam. Die gesetzliche Neuregelung des Rundfunks rechtzeitig vor den Wahlen, wie sie Adenauer am 3. September 1952 vor seinem Kabinett gefordert hatte, war misslungen.[37] Die Verhärtung der Fronten war das augenscheinlichste Ergebnis der Debatte um eine Neuordnung des Rundfunks in der ersten Legislaturperiode. Rundfunkpolitisch hatte sich bis auf geringfügige Veränderungen in den Rundfunkordnungen einzelner Länder nichts verändert.[38] Die Länder hatten jedoch begonnen, sich diesem Problem verstärkt zuzuwenden. Als Indiz dafür ist zu werten, dass sich statt der Kultusminister nun die Ministerpräsidenten mit der Neuregelung des Rundfunks befassten.[39] Bundespostminister Schröder sprach für die erste Legislaturperiode rückblickend von einer „klaren Verlustbilanz“ für seine Regierung, auch deshalb,...