Handhabungsobjekte sind geometrisch bestimmte Gegenstände, die von einer Handhabungseinrichtung bewegt oder gehalten werden. Dazu zählen Bauteile, Werkzeuge, Prüfmittel, Vorrichtungen u. a. Es können auch Steine, Betonteile, Schlachtkörper und landwirtschaftliche Produkte sein, soweit man sie wenigstens angenähert als „geometrisch bestimmt“ ansehen kann. Handhabungsobjekte besitzen ein körpereigenes Koordinatensystem (xK, yK, zK). Um das Körpersystem in das Bezugskoordinatensystem zu überführen, sind drei Drehungen (A, B, C) und drei Verschiebungen (X, Y, Z) erforderlich. Der maximale Freiheitsgrad f eines Körpers im Raum ergibt sich somit zu f = 6 (Bild 2.1).
Bild 2.1 Koordinatensystem beim Handhaben von Gegenständen im dreidimensionalen Raum.
Ortsvektor mit (x, y, z)
Im Gegensatz zu den Handhabungsobjekten kann ein Roboterarm als bewegliches kinematisches System auch mehr (Getriebe-)Freiheitsgrade F als F = 6 besitzen. Die Freiheitsgrade f (degree of freedom) des dreidimensionalen Raumes und die eines kinematischen Systems F darf man nicht verwechseln. Eine Handhabungseinrichtung, mit weniger als F = 6 kann nicht alle Positionen und Orientierungen in einem Raum erreichen. Ist F kleiner als die Anzahl an Gelenkachsen, dann spricht man vom redundanten Roboter.
2.1 | Gliederung und Merkmale |
Um möglichst viele industrielle Prozesse erfassen zu können, ist es vorteilhaft, wenn man vom Begriff des Arbeitsgutes (Bild 2.2) ausgeht. Das sind Halbzeuge, Roh- und Fertigteile, die im Produktionsprozess bearbeitet, verarbeitet, montiert und geprüft werden. Wesentlich ist die schon in Bild 1.19 erwähnte Unterteilung in Stück- und Fließgut.
Für die Handhabungstechnik sind die geometrischen Formen der Teile sehr bedeutungsvoll, weil davon die Schwierigkeit des Handhabens abhängt, z. B. Wirrteile (tangling parts), die sich im Haufwerk zu einem Knäuel verhaken und dann nicht mehr einzeln zuführbar sind. Das Ziel besteht auch darin, Handhabungseinrichtungen unter Ausnutzung des Werkstückverhaltens zu gestalten. Das trifft besonders auf freie Werkstückbewegungen zu, die vorwiegend unter Schwerkrafteinfluss ablaufen.
Bild 2.2 Allgemeine Gliederung von Arbeitsgut
Das Bild 2.3 zeigt ausgewählte Werkstückbeispiele. Die Schwierigkeit für das Handhaben nimmt in dieser tabellarischen Anordnung nach rechts unten zu. Konstrukteur und Fertigungsplaner interessieren sich natürlich auch dafür, welche typischen Merkmale ein Objekt aufweist und welche Verhaltenseigenschaften, positive wie negative, damit verbunden sind.
Bild 2.3 Beispiele für typische Werkstückgrundformen mit verschiedener Handhabungsschwierigkeit
Problematisch ist die Zuführung von Wirrteilen. Sie lassen sich in Hakenwirrteile (formschlüssige Verbindung), Klemmwirrteile (kraftschlüssige Verbindung) und Klebewirrteile (stoffschlüssige Verbindung) einteilen. Entwirrgeräte sind fast nur für die Zuführung von Hakenwirrteilen bekannt, die auch als „Heuteile“ bezeichnet werden. Der Entwirrprozess unterliegt den statistischen Gesetzmäßigkeiten und hängt von der Verhakungsneigung der Teile und ihrer Deformierbarkeit ab. Dadurch entstehen stärkere Schwankungen in der Gleichmäßigkeit der Lieferung entwirrter und geordneter Teile. Als Funktionsprinzip werden eingesetzt:
Verwirbeln im getakteten Luftstrom (Blasförderer mit Führungsrillen)
elektrisches Wanderfeld
oszillierende Entwirrbürsten
Schwingplatten mit Ausricht-, Prall- und Trennelementen
Kombinationen von mehreren Prinzipen wie z. B. Trommel plus Luftstromimpulse
Das Bild 2.4 zeigt das Entwirren von kleinen Drahtfedern mit Druckluftstößen. Das durchwirbelte Drahtknäuel gibt einige Federn frei, die dann über mehrere Röhren ausgegeben werden. Es werden Leistungen bei mehrkanaligen Systemen bis 1000 Stück je Minute erreicht, bei einem Federndurchmesser von 3 mm bis 10 mm, einer Federlänge bis 50 mm und einer Drahtstärke von 0,3 mm.
Bild 2.4 Entwirr- und Zuführgerät für kleine Schraubenfedern (Colombi Speedfeeder)
Für eine Analyse der Werkstückmerkmale und Eigenschaften kann die Übersicht nach Bild 2.5 herangezogen werden. Sie ist ein Beitrag zu einer allgemeinen Verhaltenslehre der Werkstücke. Sind die Eigenschaften eines Werkstücks erkundet, dann lassen sich für die einzelnen Handhabungsfunktionen viel besser Funktionsträger auswählen. Einem Werkstückmodell werden dann verschiedene Gerätemodelle gegenübergestellt.
Für die Planung des erforderlichen Umfangs an Handhabungsoperationen ist der Anlieferzustand wichtig, und zwar bezüglich der Orientierung (orientation) und der Position eines Körpers.
Bild 2.5 Beschreibungsgrößen für Handhabungsobjekte (Merkmale, Verhalten, Eigenschaften)
Werkstücke lassen sich, wie man sieht, auch nach Verhaltenstypen einteilen. Das kann man in Bild 2.6 sehen. Dort sind jeweils Typenvertreter als Beispiel skizziert. Probleme einer Systematik werden in [2.2] aufgezeigt.
Bild 2.6 Einteilung von Werkstücken nach Verhaltenstypen [2.3]
Der Sinn einer solchen Werkstücksystematik besteht in den folgenden Aspekten:
Den Verhaltenstypen lassen sich unter Verwendung rechnergestützter Auswahlsysteme in der Art von „Wenn-Dann-Beziehungen“ (Entscheidungstabellen; decision table) geeignete Handhabungsgeräte zuordnen.
Verhaltenstypen (types of behaviour) können Basis für die Ausarbeitung typisierter Handhabungstechnologien sein, zum Beispiel die Auslegung von Orientierungsschikanen mit Expertensystem, CAD-Modellen für die Schikanen u. a.
Die Handhabung biegeweicher Bauteile ist besonders schwierig, weil sie bei jeder Einwirkung (Kraft, Schwerkraft, Druck) ihre Form verändern. Manchmal kann man die Teile durch starke Unterkühlung vorübergehend versteifen. Für textile Gebilde lassen sich z. B. Gefrier- oder Nadelgreifer für das Handhaben einsetzen. In Bild 2.7 wird eine Greifeinheit gezeigt, die das Material baggert (aufwälzt), faltet und klemmt [2.4]. Dann kann das erfasste Flächengebilde an einen Zielort bewegt und abgelegt werden.
Bild 2.7 Anfassen textiler Flächengebilde vom Stapel.
1 Rundbürste, 2 gestapelte textile Lagen, 3 Aufwälzfinger, 4 Auflagetisch, 5 Anlageplatte
Handhabungsobjekte können auf vielfältige Weise gleichzeitig auch Werkzeug sein. Ein Beispiel wird in Bild 2.8 vorgestellt. Es werden Lagerbuchsen in einem Zahnrad kalibriert (Buchse auf ein genaues Innenmaß bringen und Oberfläche glätten). Die Kalibrierkugeln laufen ständig im Takt der Maschine um und werden immer wieder verwendet. Dafür wurde ein Rücklaufkanal vorgesehen.
Das zu bearbeitende Zahnrad wird in einem Rundschaltteller (indexing rotary table) taktweise zugeführt und positioniert. In einer vorgelagerten Arbeitsstation (process of manufacture) wird die Buchse auf der gleichen Maschine eingepresst.
Bild 2.8 Kugelkalibrierung von Lagerbuchsen in Zahnrädern.
1 Pressstempel, 2 Kugelumlauf, 3 Werkstück, 4 Rundschaltteller, 5 Kalibrierkugel, 6 Rückhalter, 7 Zuteilerstößel
Ordnungen existieren vielfältig in der Natur und können auch Vorbild für ingenieurmäßiges Denken sein. Man könnte so etwas wie „Urordnungen“ formulieren. Der Techniker interessiert sich für die Platzierung von Körpern, die die einfachste, dichteste und damit auch die raumsparendste Ordnung darstellt. Für eine Demonstration lassen sich Kugeln gut verwenden. Die dichteste Packung kann mit einem gleichseitigem Dreieck umhüllt werden. Auch Zylinder bilden ein gleichseitiges Dreieck, wenn man sie „auf Lücke“ platziert. Legt man einer dichten Kugellage eine Lage obenauf, dann lassen sich jeweils vier Kugeln von vier gleichseitigen Dreiecken umhüllen. Das ergibt ein Oktaeder. Der Winkel von 60° spielt hier die entscheidende Rolle. Somit erhält man eine Mischpackung von Tetraedern und Oktaedern (Bild 2.9).
Bild 2.9 Elementare Ordnungen am Beispiel dicht gepackter Kugeln.
a) tetraedrische dichteste Packung, b) oktaedrische dichteste Packung, c) dichteste Kugelpackung; Sie kann als „Urordnung“ verstanden werden.
Durch einfache Teilung von Kanten und Umhüllungen über die Ecken sind die regulären Körper ineinander überführbar. Die Stapelung von Kugeln zeigt, dass Tetraeder mit sich selbst nicht stapelbar sind, sondern nur im Wechsel mit Oktaedern. Es gibt übrigens nur wenige reguläre Körper, die mit sich stapelbar sind. Am bekanntesten ist der Kubus.
Eine Packung von Kugeln ist der Idealfall. In der Fertigungstechnik hat man es dagegen oft mit recht komplizierten Werkstückformen zu tun....