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E-Book

HAND - HERZ - HIRN: Zur Salutogenese mentaler Gesundheit

AutorRotraud A. Perner
VerlagEdition Roesner
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl119 Seiten
ISBN9783903059597
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR

Wie werde ich gesund, wie bleibe ich gesund? – Gesundheitsförderung ist nicht Monopol medizinischen und psychologischen Geheimwissens, vielmehr basiert mentale Gesundheit auf ganzheitlichem Wahrnehmen: körperliches Empfinden (Hand), emotionales Fühlen sowie ahnungsvolles Intuieren (Herz) und kognitives Denken (Hirn). So ist jeder Mensch in der Lage, tägliche kleine oder große Erschütterungen des Lebens auszubalancieren und Auswege resp. den richtigen Weg an Kreuzungen zu finden. Eigenkompetenz und Erkennen der eigenen Denkmuster sind hierbei die Zauberworte.
In Kürze und mit Leichtigkeit gelingt Rotraud A. Perner einmal mehr, Fachwissen als unabdingbare Basis zu vermitteln, dies durch Beispiele aus dem Alltag verständlich zu machen und Übungen anzubieten, die so simpel anzuwenden wie absolut effektiv sind. Ihre Botschaften in die Welt zu tragen, von Mensch zu Mensch, von Angesicht zu Angesicht, wäre ein Meilenschritt in der allgemeinen mentalen Gesundheit der Welt. – Wohlan, mein Herz …

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Leseprobe

Was ist mentale Gesundheit?


 

Eine häufige Frage, mit der Klienten und Klientinnen in Beratung oder Therapie kommen, lautet: „Bin ich normal?“

Dahinter steckt der Anspruch, einer Richtschnur – einer „Norm“ – entsprechen zu wollen. Das ist sehr ehrenwert. Ande­rerseits gäbe es keine Verbesserungen, Erfindungen, Kunst­werke etc., wenn es nicht „Normabweicher“ gäbe, die den Mut haben, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue zu treten.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization) definiert in der Ottawa-Charta 1986 Gesundheit „als einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens“ und nicht nur „als Fehlen von Krankheit und Gebrechen“; dieser Umschreibung wurde in der so genannten Bangkok-Charta der WHO 2006 noch die Di­mension des „spirituellen Wohlbefindens“ explizit beigefügt.

Es gibt allerdings auch Fachleute, die von sechs Dimensionen der Gesundheit sprechen: physisch, psychisch, emotional, sozial, sexuell und spirituell (Aggleton und Homans, zitiert nach Steinmann). Aber liegt es nicht immer am „Geist“, an den mentalen Fähigkeiten, die eigene körperliche, seelische, emotionale, soziale, sexuelle und vor allem auch spirituelle Verfassung überhaupt wahrzunehmen?

Um etwas wahrnehmen zu können, braucht man ein Wahrnehmungsneuron, d. h. einen Reizrezeptor im Gehirn, der das, was man sieht, hört, riecht, schmeckt, spürt, fühlt, erahnt mit einer Symbolisierung – einem Wort, einer Analogie, einem Ritual etc. – verbindet.

Denken wir etwa an Worte wie Burn-out, Mobbing oder Stalking. Die Phänomene gab es immer schon, aber man musste lang herumreden, bis die jeweiligen Gesprächspart­ner/innen sich genau auskannten und wussten, was gemeint war. Heute haben wir dafür diese Worte, und die meisten Menschen, die schon über die zu Grunde liegenden Tatbestände aufgeklärt wurden, wissen sofort, was damit angesprochen wird. Sie haben dafür eine entsprechende Wahrnehmungsnervenzelle entwickelt, und wenn sie einen rechtskundigen Beruf wie beispielsweise Polizist, Jurist oder Rechtsanwalt erlernt haben, haben sie zusätzlich ein Repertoire abstrakter oder konkreter Handlungsanweisungen im Gedächtnis, das sind zusätzliche Wahrnehmungsneurone, was die schriftlichen oder akustischen Quellen ihres Handlungswissens sind, und Handlungsneurone, was konkrete Interventionen betrifft.

Jeden Neuerwerb von Wissen bezeichnet der britische Evolutionsbiologe und Inhaber des eigens für ihn eingerichteten Lehrstuhls für Public Understanding of Science an der Universität Oxford, Richard Dawkins, als Informationseinheit und nennt dies „Mem“. Mem ist genauso eine Wortneuschöpfung wie Salutogenese. Ich sehe im Begriff des Mem aber auch einen Baustein der mentalen Gesundheit.

Dawkins schreibt in seinem Bestseller „Das egoistische Gen“: „Wir brauchen einen Namen für den neuen Replikator, ein Substantiv, dass die Assoziation einer Einheit der kulturellen Vererbung vermittelt, oder eine Einheit der Imitation. Das Wort ‚Mimem‘ kommt von einer geeigneten griechischen Wurzel, aber ich suche ein einsilbiges Wort, das ein wenig wie ‚Gen‘ klingt. Ich hoffe, meine klassisch gebildeten Freunde werden mir verzeihen, wenn ich Mimem zu Mem verkürze. Sollte es irgendjemandem ein Trost sein, so könnte er sich wahlweise vorstellen, dass es mit dem lateinischen ,me­moria‘ oder mit dem französischen Wort ‚même‘ verwandt ist.

Beispiele eines Mems sind Melodien, Gedanken, Schlagworte, Kleidermode, die Art, Töpfe zu machen oder Bögen zu bauen. So wie Gene sich im Genpool vermehren, indem sie sich mit Hilfe von Spermien oder Eiern von Körper zu Körper fortbewegen, so verbreiten sich Meme im Mempool, indem sie von Gehirn zu Gehirn überspringen mit Hilfe eines Prozesses, den man in einem allgemeinen Sinn als Imitation bezeichnen kann. Wenn ein Wissenschaftler einen guten Gedanken hört oder liest, so gibt er ihn an seine Kollegen und Studenten weiter. Er erwähnt ihn in seinen Aufsätzen und Vorlesungen. Kommt der Gedanke an, so kann man sagen, dass er sich vermehrt, indem er sich von einem Gehirn zum anderen ausbreitet ...“

Der Begriff der Salutogenese als Blickwinkel auf Ressourcen zur präventiven Erhaltung von Gesundheit (statt alleinige Suche nach Krankheitsursachen und Heilmitteln) kann als Mem identifiziert werden; ihr zur Seite steht der ebenfalls junge Begriff des „mündigen Patienten“, dem die Fähigkeit zugetraut wird, sich selbst um seine Gesunderhaltung kümmern zu können und dazu nicht in jedem Fall ärztliche Besserwisser zu benötigen, sondern vor allem Informationen, also Bildung, und die könnte und sollte wohl auch schon im Biologieunterricht einsetzen (und nicht in der medialen Produktwerbung der Pharmaindustrie).

Den geheimen Grundsatz: „Der Arzt weiß alles, der Patient weiß nichts“, hat der Sozialphilosoph und katholische Priester Ivan Illich, ein Altösterreicher, dessen Berufsbiografie eine Bandbreite von Seelsorgetätigkeit in den Slums von New York bis zur Leitung der Universität Puerto Rico als Rektor umfasst, schon 1976 in seinem aufrüttelnden Buch „Die Nemesis der Medizin“ kritisiert. So weist er darauf hin: „Die gebräuchlichsten neuen Maßnahmen der Gesundheitspflege sind so einfach, dass auch die letzte Generation von Großmüttern sie längst gelernt hätte, wenn sie nicht durch ärztliche Geheimniskrämerei eingeschüchtert worden wäre.“ Und: „Eine leidliche Pfadfinderausbildung, eine allgemeine Samariterhaltung (Hervorhebung RAP) und die Pflicht, in jedem Auto einen Erste-Hilfe-Koffer mitzuführen, könnten auf der Autobahn mehr Todesfälle verhüten als eine Flotte von Ambulanzhubschraubern. Jene übrigen Eingriffe, die zur primären Versorgung gehören und die sich, obgleich sie die Arbeit von Spezialisten verlangen, im Bevölkerungsmaßstab als effektiv erwiesen haben, könnten noch effektiver eingesetzt werden, wenn ich oder mein Nachbar sich verantwortlich fühlte, zu erkennen, wenn sie angezeigt sind, und eine erste Behandlung vorzunehmen.“

Das sind damals revolutionäre Ansichten konträr zu den Marketing-Strategien der Medizinindustrie gewesen; sie wurden zwar von fortschrittlichen Ärzten wie dem langjährigen Berliner Ärztekammerpräsidenten Ellis Huber unterstützt, der in seinem Buch „Liebe statt Valium“ die Ablösung des Bildes – ich würde sagen: Mems – von der „Körpermaschine“ hin zur ganzheitlichen Sicht des Menschen mit Körper, Seele und Lebensumfeld konstatierte. So erkannten auch andere Fachleute aus den psychosozialen Umfeldern und sonstige Gesundheitsinteressierte erkannten, dass es wirklich dieser „allgemeinen Samariterhaltung“ bedürfe, damit sich jeder Mensch als „Hüter seines Bruders“ oder „seiner Schwester“ versteht (und nicht nur die wenigen Alltagshelden und -heldinnen, deren Einsatz für andere dann den einen Tag von Politikern und Medien gelobt wird, den anderen Tag aber schon wieder in Vergessenheit geraten ist). Aber wie bei dem Konfliktthema Rauchen waren und sind die Profiteure einer „Entmündigung durch Experten“ (so ein anderer Buchtitel von Ivan Illich) in ihren Gegenstrategien erfolgreicher gewesen als ihre Kritiker.

 

Mündige Patienten


 

Mit dieser Formulierung wird die Eigenkompetenz des so genannten „mündigen Patienten“ angesprochen und damit Subjektivität „erlaubt“.

Mündig bedeutet juristisch, dass man sich selbst vertreten darf und keinen „Vor-Mund“ benötigt. Nach derzeit geltendem österreichischen Recht ist man unter 14 Jahren „unmündig“, wird mit 14 Jahren ein „mündiger Minderjähriger“ – darf also nur bestimmte Rechtsgeschäfte abschließen wie beispielsweise Kauf nur in der Höhe des eigenen Einkommens, sonst braucht man die Zustimmung der Erziehungsberechtigten, darf aber für sich selbst sprechen, z. B. bei der Wohnsitznahme, wenn sich die Eltern trennen, oder bei der Abmeldung vom Religionsunterricht – und ist nach derzeitigem Geltendrecht ab 18 „volljährig“, d. h. für alle eigenen Handlungen zivilrechtlich wie strafrechtlich voll verantwortlich.

Was also die juristische – nicht unbedingt auch die finanzielle bedeutet – Zustimmungspflicht der Eltern betrifft, braucht eine über 18 Jahre alte Person eine solche nicht mehr, wenn es um ärztliche Dienstleistungen wie die Beratung bei und Abgabe von empfängnisverhütenden Hilfsmitteln geht oder um kosmetische Operationen, Piercings inbegriffen. Allerdings bedeutet dies noch lange nicht, dass die jeweiligen Vertreter/innen des Ärztestandes auch bereit sind, „Bestellungen“ entgegenzunehmen wie andere Angehörige von Dienstleistungsberufen auch. Was nun die medizinische Indikation zur Behandlung betrifft, ist eine ethische Gewissensentscheidung löblich (und fehlt oft, wenn es darum geht, eine „Stammkundschaft“ wunschgemäß krank zu schreiben) – umgekehrt aber ethisch zu indizieren, wo eine...

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