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How to Drink Gin: Deutschland

Die 100 besten Gins

VerlagHallwag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783833870248
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Nach dem überragenden Start der Reihe 'How to Drink', folgt nun die bereits erwartete Fortsetzung mit Blick auf die hiesige Gin-Gemeinde. Was vor einigen Jahren als kleine Szene von England nach Deutschland kam, ist heute voll im Mainstream angekommen: Das Bewusstsein und die Leidenschaft für guten Gin. Zahlreiche Hersteller aus allen Teilen des Landes beweisen, wie vielseitig die neue Lieblingsspirituose der Deutschen ist. Als erster Guide, der nicht  nur die hiesige Szene in den Blick nimmt, sondern auch in Bewährter 'How to Drink' manier darüber aufklärt, wecher Gin sich für welchen Drink am besten eignet, ist 'How to Drink Gin: Deutschland' nicht nur der Nachfolger seines erfolgreichen Vorgängers, sondern ein echter Gewinn für den hiesigen Gin-Liebhaber.

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Leseprobe

A SPICY STORY


Deutscher Gin ist erst seit wenigen Jahren »in«. Doch die heimische Tradition der Wacholder-Destillate ist nicht neu, sie hat hierzulande eine Geschichte, die mehrere Jahrhunderte zurückreicht. Obwohl es manchem Fußballfan nicht gefallen wird: Die kulturelle Nähe zu den Niederlanden spielt dabei eine zentrale Rolle. Und ein Ski-Unfall hat auch noch seinen Teil zur Historie beigetragen.

Die Brennerei Eversbusch in Hagen-Haspe im Jahre 1938. Geändert hat sich dort bis heute nur wenig: Auch der »Doppelwachholder« von dort schreibt sich noch immer stolz mit »hh«.

ZWISCHEN GESTERN UND HEUTE: DIE GESCHICHTE DES DEUTSCHEN GINS


Die neue deutsche Gin-Welle beginnt wahrlich mit einem Knall: In den Tiroler Alpen fahren sich Dr. Ulf Stahl und Gerald Schroff gegenseitig in die Skier. Wie es der Zufall will, begegnen sie sich noch am gleichen Abend an einer Hotelbar wieder: der eine, dekorierter Mikrobiologe, als Gast, der andere, Diplom-Hotelier, als Bartender. Über mehrere Abende entsteht eine kleine Freundschaft, die kurze Zeit darauf in einer großen Idee mündet: der Wiederbelebung von Adler Gin.

Schroff, der schon für Alfons Schuhbeck gearbeitet hat, verlässt die Berge und zieht nach Berlin, wo er die im Dornröschenschlaf liegende Preussische Spirituosen Manufaktur vorfindet, wo Stahl tätig ist. Das ist zumindest die romantische Version. In der Realität bedeutet die Revitalisierung der Anlage, die 1874 als Versuchsanstalt des Verbandes der Spirituosenfabrikanten Deutschlands (VLSF) im rauen Stadtteil Wedding eröffnet wurde, harte Arbeit. »Die Scheiben sahen aus, als wären sie aus Milchglas. In Wahrheit war es der jahrzehntelange Beschlag von ätherischen Ölen, den wir in Handarbeit mit der Rasierklinge abkratzen mussten«, erinnert sich Schroff an die Anfänge.

2007 schließlich kommt Adler Gin auf den Markt, der großteils auf einem Rezept von Max Delbrück beruht, dem ersten Leiter der VLSF. Adler Gin leitet somit nicht nur als Produkt die neue deutsche Gin-Welle ein, sondern nimmt auch deren Philosophie vorweg: Es geht um hochwertige, handgemachte Spirituosen, in denen persönliche Leidenschaft steckt.

Dass Schroff und Stahl in ihrem Vorhaben auf ein Rezept aus dem vorigen Jahrhundert zurückgreifen, verdeutlicht aber auch, dass deutscher Gin auf eine Historie zurückblicken kann. Sie mag nicht so groß sein wie in England, dem Mutterland des Gins; aber die Deutschen und Wacholder – das ist schon lange eine Liaison. Sie war nur etwas in Vergessenheit und Verruf geraten.

Das Haus Schlichte war die führende Wacholder-Brennerei in Steinhagen und damit stilprägend für die ganze Gattung. Und Schlichte war auch die letzte Steinhagener Brennerei, die aufgekauft wurde. Nach rund 150 Jahren.

VON DER ARZNEI ZUM ARBEITGEBER


Um das zu verstehen, wirft man am besten einen Blick ins westfälische Steinhagen. Das heute knapp 20.000 Einwohner zählende Städtchen trägt die Wacholderbeere gar im Stadtwappen, und das nicht von ungefähr. Arzneien auf Basis von Wacholder – schon seit dem Mittelalter u. a. für seine magenberuhigende Wirkung geschätzt – wurden dort seit dem 15. Jahrhundert verwendet. Mit der aufkommenden Destillationskunst in Europa wurde Steinhagen dann rasch zu einem Epizentrum des deutschen Wacholderschnapses.

Brannten die Steinhagener zunächst meist für den Hausgebrauch, war es Heinrich Wilhelm Schlichte, der um 1840 begann, seine Erzeugnisse weitläufiger zu vertreiben. Steinhäger wird mit den Jahrzehnten zum geflügelten Begriff, verkauft in markanten Flaschen aus Steinzeug. Diese halten die Flüssigkeit nicht nur kühl, sondern verleihen Steinhäger auch noch lange Zeit sein Image.

Zur Hochblüte produzieren in Steinhagen ca. 20 Brennereien die Spezialität. Steinhäger unterscheidet sich – neben technischen Besonderheiten – von Gin geschmacklich vor allem dadurch, dass bei seiner Produktion einzig und allein auf Wacholder als Aromat zurückgegriffen wird, während im klassischen London Dry Gin die Wacholdernote zwar tonangebend ist, aber auch ergänzende Zutaten zum Tragen kommen. Der Mindestalkoholgehalt für Gin ist bei 37,5 % Vol. festgelegt, während Wacholderschnäpse auf nur 30 % Vol. kommen müssen.

Steinhagen ist durch seine Dichte an Brennern der wohl bekannteste Ort der deutschen Wacholder-Tradition, er ist aber nicht der einzige. Im westfälischen Hagen etwa produziert die Familie Eversbusch seit 1817 ihren Doppel-Wachholder (das doppelte »h« ist kein Schreibfehler), und im münsterländischen Schöppingen sitzt die Brennerei Sasse, 1707 erstmals urkundlich erwähnt; nur zwei weitere Beispiele, bei denen die Wacholderbeere – wissenschaftlich gesehen übrigens ein Zapfen – für Familienehre steht.

Eversbusch ist – nicht nur in Sachen Wacholder – eine der traditionsreichsten deutschen Destillerien. Und bis heute in Familienbesitz.

IM DEUTSCH-HOLLÄNDISCHEN GRENZGEBIET


Nicht von ungefähr blüht diese deutsche Tradition in Bundesländern, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Niederlanden und Belgien liegen. Von dort stammt Genever, der Vorläufer des Gins. Genever wiederum leitet sich von den niederländischen ( jeneverbes ) bzw. französischen ( genévrier oder genièvre ) Begriffen für Wacholder ab. Laut EU-Spirituosenverordnung muss Gin aus Neutralalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs bestehen, der mit Wacholder und anderen Gewürzen versetzt wird. Für Genever ist jedoch vor allem Moutwijn (»Malzwein«) charakteristisch, ein auf Getreide basierendes Destillat, das sehr malzig ausfallen kann. Dafür werden meist Roggen, Weizen, Gerste und Mais verwendet. Dieser Moutwijn wird mit einem Destillat aus Wacholder, Früchten und Kräutern verschnitten – also im Prinzip mit Gin. Die Bandbreite ist sehr groß: Es gibt sehr neutrale Genever, fassgelagerte Genever (mit Whisky-Anklängen), aber auch komplexe ungereifte Genever mit vielen Botanicals und tiefer Malzstruktur. Und neben den Niederlanden, Belgien und den beiden französischen Départements Nord und Pas-de-Calais dürfen nur Produkte aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen als Genever bezeichnet werden, wie etwa Fissers echter ostfriesischer Genever.

Wacholder

Ohne Wacholder kein Gin, so einfach ist das. Die kleinen Beeren – aus botanischer Sicht übrigens Zapfen – verleihen dem Destillat sein klassisches harzig-frisches und manchmal »waldiges« Aroma. Je nachdem, wie der Brenner sie einsetzt, lassen sich allein aus Wacholderbeeren schon unheimlich vielschichtige Aromen hervorzaubern.

So setzt sich die deutsche Wacholder-Tradition aus Wacholderschnaps und Genever zusammen und erlebt vor allem in den Zeiten des Wirtschaftswunders ihre Blüte. Aber parallel zum Niedergang der klassischen Cocktailkultur – also spätestens ab den 1970ern – beginnt auch die Talsohle des deutschen Wacholderschnapses. Die Gründe sind klar: Für die junge Generation stehen Disco und Punk höher im Kurs, und niemand trinkt zu »Saturday Night Fever« oder The Clash gerne Opas Steinhäger, eher Tequila Sunrise und Wodka. Parallel dazu ersetzen in den Hausbars der Mittelschicht exotische Urlaubsimporte wie Metaxa oder Campari die einheimischen Dauerbrenner Wacholder und Eierlikör. Die Rezeptur des alten Adler Gins verstaubt längst in den Berliner Archiven.

Heute würde man es »craft« nennen, in der Zwischenkriegszeit war diese Abfüllstraße in Steinhagen der »State of the Art«.

Der Zeitgeist braust über Wacholder hinweg. Darüber hinaus steigt die Schnapssteuer in Deutschland von Anfang der 1970er-Jahre bis Mitte der 1980er-Jahre um 70 Prozent, ein weiterer Grund, weshalb der Absatz von Steinhäger im gleichen Zeitraum um etwas mehr als die Hälfte sinkt. Vom weitbekannten Schlichte-Slogan »Trinke ihn mäßig, aber regelmäßig« scheint nur das dritte Wort den Konsum zu beschreiben: mäßig. In Steinhagen fusionieren schließlich die großen Konkurrenten König und Schlichte, um das Unheil abzuwenden. Aber auch das nützt nichts gegen die grassierende Wacholderfeindlichkeit im Lande: 1990 wird Schlichte von der Kornbrennerei Friedr. Schwarze übernommen und firmiert seither unter Schwarze & Schlichte. Zwar ist Steinhäger ab 1989 ein geschützter Begriff und darf nur von Steinhagener Produzenten verwendet werden – von den einst 20 Brennereien gibt es allerdings vor Ort nur noch zwei, und keine davon ist tatsächlich in Steinhagener Hand.

Die Brennerei Kisker aus Halle/Westfalen gehört zu den wenigen »Überlebenden«. Dort wird seit über 285 Jahren Wacholder destilliert.

BEWEGUNG, GEGENBEWEGUNG


Ein Gesetz des Kosmos ist: Auf Bewegung folgt Gegenbewegung. Mit dem Start in das neue Jahrtausend erlebt die klassische Barkultur eine Wiederauferstehung, und zieht den Wacholder wieder mit...

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