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E-Book

Im Irrgarten der Liebe

Dreiecksbeziehungen und andere Paarkonflikte

AutorHans Jellouschek
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783451804557
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Liebe ist oft unübersichtlich - das wissen schon Märchen und Mythen. Sie helfen, sich im richtigen Leben gut zurecht zu finden. Sie und Er haben oft unterschiedliche Sehnsüchte. Sie miteinander in Einklang zu bringen, darauf kommt es an. Hans Jellouschek zeigt Wege in eine gute Paarbeziehung - Märchen und Mythen laden dazu ein, den Weg ins Zentrum der je eigenen Liebe zu finden.

Hans Jellouschek, geboren 1939, gestorben 2021, Dr. theol., Lic. phil., Transaktionsanalytiker (DGTA), Eheberater, Lehrtherapeut für Transaktionsanalye und systemisch-integrative Paartherapie. Langjährige Erfahrung im Bereich Fort- und Weiterbildung von Beratern und Therapeuten, Coaching und Training für Führungskräfte. Er lebte in der Nähe von Stuttgart. Weitere Informationen unter www.hans-jellouschek.de

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Leseprobe

Eine Beziehung entsteht


»Ach, du bist’s, alter Wasserpatscher«, sagte sie, »ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen hinabgefallen ist.«–»Sei still und weine nicht«, antwortete der Frosch, »ich kann wohl Rat schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?«–»Was du haben willst, lieber Frosch«, sagte sie, »meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, auch noch die goldene Krone, die ich trage.« Der Frosch antwortete: »Deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine und deine goldene Krone, die mag ich nicht: aber wenn du mich liebhaben willst und ich soll dein Geselle und Spielkamerad sein, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen: wenn du mir das versprichst, so will ich hinuntersteigen und dir die goldene Kugel wieder heraufholen.«–»Ach ja«, sagte sie, »ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wieder bringst.« Sie dachte aber: Was der einfältige Frosch schwätzt, der sitzt im Wasser bei seinesgleichen und quakt und kann keines Menschen Geselle sein.

 

Diese Zeilen schildern nun mikroskopisch genau die Entstehung dieser Beziehung, die ich Prinzessin-Frosch-Beziehung nenne und die mir typisch erscheint für viele Paare, die ich kennengelernt habe. Meist ist in der allerersten Begegnung eine Beziehung schon vollständig enthalten, und so lässt sich ihre Grundstruktur sehr deutlich an den ersten Sätzen ablesen, die zwischen den Partnern getauscht werden. Mit besonderer Aufmerksamkeit wollen wir uns darum dieser Begegnung zwischen Frosch und Königstochter zuwenden.

Ihr Leid und ihre Hilflosigkeit rufen ihn auf den Plan. Er taucht aus seiner Tiefe empor und stellt eine Frage voller Mitleid und Einfühlsamkeit: »Was hast du vor, Königstochter, du schreist ja, dass sich ein Stein erbarmen möchte!«– Kennen Sie das? Wie die Hilflosigkeit eines zarten Geschöpfes Sie plötzlich Ihre eigene Hilflosigkeit, Ihr Gefühl, ein Frosch zu sein, vergessen lässt? Wie Sie plötzlich aus der Tiefe auftauchen, sich stark fühlen und hilfreich herbeieilen? Das ist oft der Anfang von Frosch-Prinzessin-Beziehungen: hilfloses Mädchen – starker (= sich deshalb stark fühlender) Mann. Natürlich gibt es das auch umgekehrt: hilfesuchender Mann – starke (sich deshalb stark und fürsorglich fühlende) Frau. Diese Beziehungsform hat natürlich ihre besondere Eigenart und ihre eigenen Nuancen. Im Grunde geht es aber um die gleichen Themen und um die gleichen Abläufe. Auch haben die Partner meist sehr ähnliche Vorerfahrungen in ihrer Kindheit und Jugend wie Frosch-Mann und Prinzessin-Frau. So bleibt, was sich zwischen diesen beiden abspielt, auch für viele andere Paare relevant, selbst wenn sie sich nicht direkt in ihnen wiederfinden.

Die Tränen der Prinzessin lassen den Frosch »nach oben« kommen. Die Königstochter scheint am Anfang noch gar nichts mit ihm anfangen zu können. Sie nennt ihn verächtlich einen »alten Wasserpatscher«. – Kennen Sie das auch? Dass Ihnen ganz am Anfang für einen Moment lang klar war: »Der? Nie und nimmer!« Aber weil die Geschichte dann einen anderen Verlauf nahm, wollten Sie sich die anfängliche Klarheit nicht mehr eingestehen, und so nahmen die Dinge ihren Lauf 

Die Königstochter geht auf die Frage des Frosches ein: »Ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen hinabgefallen ist.« Ein bisschen mogelt sie ja: Sie verschweigt, was sie selber dazu beigetragen hat. Aber sie hat Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen. Sie will die Kugel wieder zurück haben, und als Helfer bietet sich der Frosch an, und indem sie sich als das totale Opfer hinstellt, wird er in seiner Hilfsbereitschaft noch mehr bestätigt. So lässt er sich auf ein Unternehmen ein, das scheitern muss: Die goldene Kugel lässt sich in Wirklichkeit nicht wiederbringen, die Kindheit lässt sich nicht nachholen, und die Mutter lässt sich nicht durch einen Partner ersetzen. Der Versuch, mit Hilfe einer Partnerschaft die Entbehrungen einer Kindheit zu kompensieren, kann so, wie Frosch-Mann und Prinzessin-Frau es versuchen, nicht gelingen.

»Sei still und weine nicht.«– Der »alte Wasserpatscher« erweist sich als sehr feinfühlig. Er findet Worte des Trostes, die jeder Frau ans Herz rühren müssen. Der Frosch-Mann hat das Trösten und Helfen gut gelernt. Als Helfer und Tröster war er für seine Mutter wichtig, und weil er sich nicht wirklich als Mann fühlt, begegnet er Frauen lieber als ihr Helfer und Tröster, denn darin fühlt er sich kompetent: »Ich kann wohl Rat schaffen.« Was er dabei nicht weiß oder nicht beachtet, ist, dass Helfen und Trösten keine tragfähige Basis für eine Beziehung zwischen Mann und Frau sein können. »Ich kann wohl Rat schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?« Das Märchen spricht aus, was in der Realität in großzügigen Hilfsangeboten oft unausgesprochen und versteckt mitgeliefert wird: die Erwartung, vom anderen für den eigenen Einsatz reichlich belohnt zu werden. In der Rückschau stellen wir fest: »Schon ganz am Anfang, in dieser Situation, damals, in jenem Gespräch, habe ich es deutlich gespürt, dieses Aber hinter dem großzügigen Angebot. Er war gar nicht der starke Mann, für den er sich ausgab, er war selber ein bedürftiger, hungriger Frosch!«– Dahinter steckt, wie ich angedeutet habe, die Erfahrung: Zu geben und zu helfen war die einzige Möglichkeit des Frosches, selbst etwas zu bekommen. Kein Wunder, dass er nach demselben Muster die Partnerbeziehung aufzubauen versucht: Ich gebe dir in der Erwartung, dass ich dann von dir bekomme.

Die Königstochter reagiert darauf mit der entsprechend großzügigen Zusage: »Was du haben willst, lieber Frosch!« Die tröstenden Worte haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Die erste spontane Abneigung ist verflogen. Aus dem »alten Wasserpatscher« ist ein »lieber Frosch« geworden, und nicht nur ein lieber Frosch, sondern einer, dem sie alles zu geben bereit ist, was er haben will. Prinzessin-Frauen haben nicht gelernt, auf ihre Gefühle zu achten. Sie sind darum leicht verführbar, wenn der Partner ihre Sehnsucht nach der goldenen Kugel, nach der mütterlich bergenden Heimat anspricht. Dann spüren sie nicht mehr, was er in ihnen auch noch auslöst, sie gehen darüber hinweg und versprechen viel zuviel: »alles, was du haben willst«. Das aber ist genau die großartige Verheißung, die auf die tiefste Sehnsucht des Frosches passt, einmal nicht mehr der Gebende sein zu müssen, sondern nur noch empfangen zu dürfen: Liebe, Achtung, Fürsorge – all das, was er als Kind gebraucht hätte.

Das ist typisch für Frosch-Prinzessin-Beziehungen: Am Anfang werden viel zu große Worte gemacht. Es wird viel zuviel erwartet, versprochen und geglaubt. Die Sehnsucht ihrer liebebedürftigen Herzen lässt die beiden die Realität vergessen. Wenn sie nur genau hinhören würden! Denn was die Königstochter anbietet, ist gar nicht mehr »alles«: »Meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, auch noch die goldene Krone, die ich trage.« Was sie geben will, ist ihre glänzende Welt! Will sie sie loswerden? Spürt sie erneut die Chance, sich nun endgültig aus ihrer Scheinwelt zu befreien? Würde sie das alles hergeben, stünde sie nackt und bloß da, aber auch befreit von allem Unechten, vom Zwang ihres Prinzessinnen-Daseins. Dies ist oft die geheime Triebfeder von Prinzessin-Frauen in Partnerbeziehungen: die Hoffnung auf Erlösung aus dem »goldenen« Käfig ihrer Familie. Damit kommt aber auch zum Ausdruck, dass sie in Wirklichkeit gar nicht in der Lage ist, etwas zu geben. Vielmehr will sie etwas abgenommen bekommen, und der Frosch soll es tun.

Davon will und kann der Frosch aber nichts wissen. Denn bei ihm ist es ja ganz ähnlich. Er braucht genauso notwendig jemanden, der ihn erlöst: »Deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine und deine goldene Krone, die mag ich nicht: aber wenn du mich liebhaben willst und ich soll dein Geselle und Spielkamerad sein … so will ich hinuntersteigen und dir die goldene Kugel wieder heraufholen.« Er macht damit deutlich, dass er ihr nichts abnehmen kann, schon gar nicht ihre Perlen und Edelsteine, die sie als Prinzessin kennzeichnen. Er will ja von ihr in diese strahlende Welt hineingenommen werden! Wieder so ein Moment, in dem klarwerden könnte, worum ...

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