Brust und Weiblichkeit
Prof. Dr. med. Wolfgang Janni
Zentraler Bestandteil einer jeden Therapie bei Brustkrebs ist bis heute die Operation. Unabhängig davon, ob vorher oder nachher eine Chemotherapie durchgeführt wird, ist der Schlüssel zu größtmöglicher Sicherheit immer die operative Entfernung des Tumors.
Dabei hat die Medizin in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Während früher stets die Entfernung der gesamten Brust als notwendig erachtet wurde, weiß man heute, dass in vielen Fällen – bei entsprechend geeignetem Tumor – die Entfernung des tumorbefallenen Brustanteils ausreicht. Diese wird immer dann durchgeführt, wenn sich der behandelnde Arzt sicher ist, dass hierdurch das Risiko für ein Wiederauftreten der Erkrankung nicht steigt. Bei etwa zwei Dritteln der Brustkrebspatientinnen kann heute die Brust erhalten werden und oft sogar zumindest ein Teil der Bestrahlung während der Operation durchgeführt werden. In zertifizierten Brustzentren stehen alle modernen Möglichkeiten der Primärtherapie zur Verfügung.
In allen anderen Fällen bleibt die Entfernung der gesamten Brust aber auch heute noch eine Therapieoption zur Erlangung größtmöglicher Sicherheit.
Die Vorstellung, eine Brust zu verlieren, ist für viele Frauen nachvollziehbarerweise unerträglich. Um dieser Therapie den Schrecken zu nehmen und Frauen ein möglichst natürliches Körpergefühl zu bewahren, wurden mit der Zeit verschiedene hervorragende Techniken entwickelt, die Brust wiederaufzubauen. Im Folgenden sollen diese kurz vorgestellt werden.
Schönheit und Weiblichkeit schwingen im ganzen Sein der Frau.
Annette Rexrodt von Fircks
Möglichkeiten des Brustaufbaus
Wann immer die operative Entfernung des gesamten Brustdrüsenkörpers einschließlich der zum Drüsenkörper gehörenden Brustwarze notwendig ist, sollte über die individuellen Möglichkeiten einer sofortigen oder späteren Brustrekonstruktion gesprochen werden. Ihr Arzt wird mit Ihnen gemeinsam erörtern, welche Operationsmethode für Sie die richtige ist.
Brustaufbau – sofort oder später?
Der optimale Zeitpunkt einer solchen Rekonstruktion und auch die Operationsart wie Implantat- oder Eigengewebsrekonstruktion müssen jeweils individuell festgelegt werden. Aus medizinischen Gründen wird z. B. bei geplanter Strahlentherapie im Brustwandbereich aufgrund der erhöhten Komplikationsraten von einer Sofortrekonstruktion oder selbst einer Brustrekonstruktion mit Silikonimplantaten erst einmal abgeraten. In diesem Fall ist ein optimales ästhetisches Ergebnis eher durch eine spätere Rekonstruktion mit Eigengewebe zu erreichen.
Im Hinblick auf eine möglicherweise später gewünschte Brustrekonstruktion kann in der Regel bereits bei der Brustentfernung (Mastektomie, Ablatio) ein ausreichender Anteil der gesunden Hautareale belassen werden (bei der sogenannten hautsparenden Mastektomie). Die resultierende Narbe wird so kurz wie möglich angelegt und verläuft unter Berücksichtigung des Dekolletés. Wird eine sofortige Rekonstruktion geplant, kann je nach Art der Operation sogar der gesamte gesunde Hautmantel erhalten bleiben. In bestimmten Fällen kann bei einem weit von der Brustwarze entfernt gelegenen Tumor auch die Brustwarze erhalten werden.
Ihr Arzt legt mit Ihnen zusammen das beste Vorgehen fest.
Welche Operationsmethode ist die beste für mich?
Für die Auswahl des Operationsverfahrens ist Ihr Wunsch letztendlich entscheidend. Allerdings spielen auch medizinische Faktoren eine wichtige Rolle, die Sie im Vorfeld mit dem Operateur besprechen. Hierzu gehören das Stadium und die Lokalisation des Tumors ebenso wie geplante Anschlusstherapien, etwa die Bestrahlung der Brustwand nach der Brustentfernung, und individuelle körperliche Faktoren, z. B. erhebliches Über- oder Untergewicht, Größe und Form der gesunden Brust, Voroperationen im Brust- oder Rückenbereich, schwere Allgemeinerkrankungen und Rauchen.
Eigengewebsrekonstruktion
Bei vorhandenem überschüssigem Bauchfettgewebe kann die Brust ohne weitere Risikofaktoren ausschließlich mit Eigengewebe aus dem unteren Bauchbereich – oder, seltener, aus dem anderer Körperregionen, wie dem Rücken – wieder aufgebaut werden. Die Transplantation des entsprechenden Eigengewebes kann entweder zusammen mit einem der beiden mittleren Bauchmuskeln erfolgen, oder das Bauchfettgewebe wird über eine sogenannte mikrochirurgische Blutgefäßnaht neu eingepflanzt. Dazu wird vom Unterbauch Gewebe – bestehend aus Haut und Unterhaut – entnommen und in den Brustbereich transplantiert. Als Nebeneffekt wird dabei die gesamte Bauchdecke gestrafft.
Der wesentliche Unterschied der beiden gängigen Varianten besteht in der Art und Weise, wie das transplantierte Gewebe mit Blut versorgt wird. Eine Möglichkeit besteht darin, das Gewebe mitsamt seiner Blutbahnen als Lappen herauszulösen und zu verpflanzen (das meint Ihr Arzt, wenn er TRAM-Lappen sagt). Die andere ist, das Gewebe vom Bauch an die Blutversorgung des Brustbereichs anzuschließen (hier spricht man vom DIEP-Lappen). Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile, die Sie im Gespräch mit dem Brustchirurgen individuell abwägen können. Mit beiden Methoden aber ist die Rekonstruktion einer natürlich erscheinenden Brust möglich, insbesondere wenn im Rahmen der Erstoperation die Erhaltung der gesunden Brusthaut durch eine hautsparende Brustentfernung erfolgen konnte.
Keine Angst: Meist erscheinen die Brüste wieder ganz natürlich.
Dabei sollte die Symmetrieherstellung zwischen den Brüsten, wenn sie notwendig und gewünscht ist, nach etwa sechs Monaten in einer weiteren Operation erfolgen, ebenso wie die Wiederherstellung der Brustwarze.
Bei beiden Verfahren sind im Anschluss gezielte krankengymnastische Übungen für die verbliebene Bauchmuskulatur wichtig.
Expander-/Implantatrekonstruktion
Liegen für ein Eigengewebsverfahren zu viele Risikofaktoren vor (das können z. B. ausgedehnte Bauchnarben oder das Rauchen sein) oder ist Ihr Bauch zu schlank, können die Möglichkeiten eines Aufbaus mittels Implantat erwogen werden.
Das Implantat kann direkt bei der Entfernung der Brustdrüse eingesetzt werden, wenn der Hautmantel erhalten werden kann, oder später durch Dehnung der Haut. Dafür wird bei bereits früher erfolgter Brustentfernung zur Vorbereitung der Haut zunächst eine Dehnungsprothese (Expander) eingebracht. Über einen Zeitraum von etwa drei bis sechs Monaten wird durch stetige Auffüllungen mit natürlicher Kochsalzlösung über eine dünne Nadel durch die Haut in den Expander das endgültige Brustvolumen geformt. Danach kann das Expanderimplantat gegen ein endgültiges, ästhetisch optimales Implantat ausgetauscht werden. Meist werden hierzu Implantate mit nicht auslaufendem, hochvernetztem (kohäsivem) Silikongel verwendet.
Aufgrund der aufeinanderfolgenden Operationen bezeichnet man dieses Verfahren auch als zweizeitige Brustrekonstruktion. Zudem kann eine weitere angleichende Operation der anderen, gesunden Brust und zur Rekonstruktion der Brustwarze notwendig werden.
Vorteil dieses Verfahrens ist es, die Brustform ohne Entnahme von Eigengewebe und damit ohne zusätzliche Narben wiederherzustellen.
Implantate haben den Vorteil, dass keine weiteren Narben entstehen.
Brustrekonstruktion nach Bestrahlung
Nach einer Bestrahlung der Brustwand ist eine Implantatrekonstruktion aufgrund der abgelaufenen Entzündungsreaktion im Weichteilmantel (Haut-Unterhaut-Fettgewebe) meist nicht sinnvoll oder nur sehr eingeschränkt durchführbar, z. B. in Kombination mit Eigengewebe, da die Dehnungsfähigkeit der bestrahlten Haut individuell deutlich eingeschränkt sein kann. So kann es bei einer Implantatrekonstruktion nach vorangegangener Bestrahlung zu einer sogenannten Kapselfibrose mit Verhärtung, kosmetisch ungünstigem Ergebnis sowie unter Umständen auch Schmerzhaftigkeit kommen. Eine mögliche Lösung bieten dann nicht selten Eigengewebsrekonstruktionen.
Wie auch immer Ihre persönliche Situation sein mag und für welches operative Verfahren Sie sich entscheiden, Sie können dank großer Fortschritte in den chirurgischen Techniken damit rechnen, ein für Sie befriedigendes Ergebnis zu erreichen. Lassen Sie sich in einem zertifizierten Brustzentrum beraten!
Ob Eigengewebe oder Implantat – dank moderner Chirurgie können Sie ein zufriedenstellendes Ergebnis erwarten.
Sexualität und Partnerschaft
Sexualität gehört zu den Themen, die in der Arzt-Patientinnen-Kommunikation häufig unterschätzt und vernachlässigt werden. Dies ist zumeist der Tatsache geschuldet, dass sowohl bei Ärzten und Ärztinnen als auch bei Patientinnen ein Gespräch über Sexualität noch immer mit Schamgefühlen verbunden ist.
Auch bei Fragen zur veränderten Sexualität kann Ihr Arzt ein zuverlässiger Ansprechpartner sein.
Gerade für das sexuelle Erleben kann eine Brustkrebserkrankung einschneidende Veränderungen bedeuten. Trotzdem geben nur etwa 8 bis 10 Prozent aller Patientinnen an, von ihrem Arzt/ihrer Ärztin darauf angesprochen worden zu sein. Häufig vermeiden Ärzte dies in dem Versuch, die Betroffene möglichst wenig zu belasten, oder aufgrund der Befürchtung, die Patientin damit zu belästigen oder zu überfordern. Die Patientin gewinnt ihrerseits so aber den falschen Eindruck, dass das Thema...