Jeder Mensch ist ein Individuum mit eigenen Charaktereigenschaften. Die zugehörige „Persönlichkeit“ wird von Asendorpf (2009) definiert als „die Gesamtheit seiner Persönlichkeitseigenschaften: die individuellen Besonderheiten in der körperlichen Erscheinung und in Regelmäßigkeiten des Verhaltens und Erlebens“ (Asendorpf 2009, S.2). Damit sind sowohl die oberflächlichen Auffälligkeiten und Handlungen, als auch die inneren Einstellungen und Werte mit eingeschlossen.
Im Hinblick auf die Analyse der individuell optimalen Anreizgestaltung in Kapitel 4 werden im Folgenden die notwendigen Hintergründe zum Thema Persönlichkeit geklärt. Darauf finden die bisherigen Erkenntnisse bezüglich der allgemeinen Persönlichkeitsforschung Beachtung. Es geht dabei um die geschichtliche Entwicklung und die verschiedenen, im Laufe der Zeit entstandenen Theorien. Im Teilkapitel 3.2 liegt die Konzentration dann auf einem konkreten Modell, welches bei der später folgenden Analyse verwendet wird: den Big Five.
Da alle Menschen einzigartig sind, unterscheiden sie sich in ihren Bedürfnissen und Zielen (Giddens 2006, S.777). Grundlegend für das Handeln sind die Ziele eines Menschen. Sie stehen in direkter Verbindung zu seiner Persönlichkeit (Heckhausen/Heckhausen 2010, S.4). Darüber hinaus hat ein Mensch auch gewisse Bedürfnisse. Das sind die Faktoren, auf deren Befriedigung das menschliche Handeln ausgerichtet ist. Sie entstehen immer dann, wenn der Ist- vom Sollwert abweicht (Kuhl 2010, S. 164). Insgesamt bedeutet das für die Arbeitszufriedenheit, dass sie davon abhängt, ob, welche und in welchem Maße die eigenen Bedürfnisse und Ziele erfüllt werden (Kuhl 2010, S.164). In Bezug darauf kann ein Arbeitgeber Anreize materieller oder immaterieller Art setzen, um den Arbeitnehmer für seine Aufgaben zu motivieren und ihn zufrieden zu stellen. Dabei können diese Anreize für alle gleich sein oder individuell auf das Wesen der Person abgestimmt werden (Gerhards/Trauner 2007, S.65 f.).
Die eben definierte Persönlichkeit kann sich im Laufe des Lebens stets weiterentwickeln und umformen. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass sich auch die Ziele und Bedürfnisse eines Menschen ändern und so seine Persönlichkeitsentwicklung maßgeblich beeinflussen (Leontjew 1982, S.95). Wer andere Ziele setzt, wählt auch andere Handlungsmöglichkeiten. Jedes Erlebnis bewirkt, dass der eigene Charakter geprägt wird. Besonders anschaulich sind Schicksalsschläge, die einem innerlich so nahegehen, dass die eigenen zukünftigen Handlungsentscheidungen von ihnen beeinflusst werden. Die Persönlichkeitsentwicklung kann deshalb sehr treffend als „kontinuerlicher Prozeß“ bezeichnet werden (Leontjew 1982, S.96). Der Charakter eines Menschen wird neben angeborenen Mustern insgesamt also durch den eigenen Willen, Gefühle, aber ebenso durch die Situation bestimmt. Aufgrund dieser Wechselwirkung definiert Gerhard Roth (2008, S.19) den Begriff Persönlichkeit als „eine Kombination von Merkmalen des Temperaments, des Gefühlslebens, des Intellekts und der Art zu handeln, zu kommunizieren und sich zu bewegen“ (Roth 2008, S.19).
Die einzelnen Elemente, welche die Charaktereigenschaften eines Menschen beeinflussen, werden auch von Simon (2006) anschaulich aufgezählt: Zuerst nennt er das Erbgut als maßgeblich an der Persönlichkeitsausprägung beteiligt. Wer besonders vorsichtig veranlagt ist, wird unabhängig von seinem Lebensumfeld und den darin stattfindenden Entwicklungen immer ein eher ängstlicher Mensch bleiben. Es kann sein, dass die Eigenschaft etwas abschwächt und nach bestimmten Erfahrungen nicht mehr so stark auftritt. Als genetische Veranlagung wird sie aber zumindest im Unterbewusstsein stets präsent sein (Simon 2006, S.13). Zum Bereich Erbgut zählen neben Charaktereigenschaften auch andere physische und psychische Elemente wie Gesundheit, Aussehen und schöpferische Faktoren, die das Ausmaß an Denkfähigkeit und Ideenreichtum bestimmen (Simon 2006, S.13). Auch das Umfeld, in dem jemand aufwächst spielt eine prägende Rolle. Das wird besonders auffällig, wenn sich Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen treffen. Jede Kultur vertritt andere Werte, die von den Angehörigen teils unbewusst in ihr Eigenschaftsrepertoire aufgenommen werden und sich darin festigen (Simon 2006, S.14). Genauso bestimmt auch die Gesellschaftsschicht den Charakter mit. Verkehrt man mit Menschen in gleicher sozialer Lage, entstehen ähnlich der Kulturzugehörigkeit bestimmte Gruppenverhaltensmuster, welche man in sein eigenes Profil übernimmt (Simon 2006, S.14). Des Weiteren geht ein starker Einfluss von nahestehenden Personen, wie den eigenen Eltern, aus, die ihrem Kind durch die Erziehung bestimmte Verhaltensweisen antrainieren (Simon 2006, S.15). Insbesondere stellt die Arbeit einen aussagekräftigen Faktor für die Veränderung der Persönlichkeit dar. Die Ausübung eines Berufs umfasst einen großen Teil des Lebens und sorgt damit durchgängig für neue Erfahrungen und Erwartungen. Man wächst oder versagt an seinen Aufgaben, erlebt andauernd zwischenmenschlichen Kontakt und kann gegebenenfalls sogar eine bestimmte Rolle aufgedrückt bekommen, mit welcher man umgehen muss (Simon 2006, S.15). Aus dieser Aussage lässt sich schon auf einen Zusammenhang zwischen Arbeit und Persönlichkeit schließen, der in Kapitel 4 noch ausführlich dargestellt wird. Nicht nur die Persönlichkeitstypen wirken auf das Arbeitsverhalten und die Arbeitszufriedenheit, sondern auch die Arbeit selbst wirkt auf die Persönlichkeitstypen.
Um den Begriff der Persönlichkeit wissenschaftlich zu erfassen und messbar zu machen, wurden schon verschiedene Ansätze und Modelle entwickelt. Die bekannteste Einteilung von Eigenschaftstypen existiert schon seit dem Altertum und wird als “Lehre von den Temperamenten” bezeichnet (Roth 2008, S. 19): Diese unterscheidet die vier Grundpersönlichkeiten des Sanguinikers, Phlegmatikers, Cholerikers und Melancholikers. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch die vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle innehat, wobei immer jeweils ein Saft überwiegt und somit die Persönlichkeit bestimmt (Roth 2008, S.20). Ein besonders hoher Anteil an Schleim sorgt demzufolge beispielsweise für einen phlegmatischen, also eher gleichgültigen und passiven Charakter. Nach dieser Einteilung folgten weitere Modelle, die im Laufe der Zeit immer konkreter für Persönlichkeitstests entwickelt wurden (Simon 2006). Neben den Big Five, welche im nachfolgenden Teilkapitel 3.2 nähere Beachtung finden, sind das beispielsweise die Alpha Plus Profile und das DISG Persönlichkeitsprofil (Simon 2006, S.5). Die Alpha Plus Profile wurden von Bambeck (1997) aufgestellt. Sie beinhalten vier Level, die verschiedene Anwendungsbereichen beschreiben und die Auswertung der Probandenantworten entsprechend angepasst zeigen: In Level 1 geht es um die grundlegende Menschenkenntnis und den spontanen ersten Eindruck, während Level 2 die Menschenkenntnis in differenzierter Form betrachtet. Level 3 stellt eine umfassende Betrachtung der Persönlichkeit dar, die in Bezug auf die vorhergegangene Stufe vielfach detaillierter ist. Das letzte Level ist konkret für die Personalauswahl und -entwicklung ausgelegt und stellt die beruflich relevanten Merkmale dar. Als Ergebnis wird die jeweilige Ausprägung in fünf verschiedenen Profilen ausgewiesen: Alpha (aktiver Macher), Beta (beliebter Teamer), Gamma (gründlicher Planer), Delta (stabiler Optimist) und Theta (weltoffener Pionier). Das Profil der Verbalkompetenz ist nur bei einer Auswertung für das letzte Level, also für die Personalauswahl, von Bedeutung (Bambeck 1997, zitiert nach Siegert 2001, S.3 f.). Das DISG Persönlichkeitsprofil stammt von Marston (1928). Es beschreibt vier Dimensionen, die bei klarer Überlegenheit einer einzelnen Richtung den grundlegenden Charakter darstellen. Entsprechend des Namens handelt es sich um die Extremausprägungen Dominanz (D), Initiative (I), Stetigkeit (S) und Gewissenhaftigkeit (G) (Marston 1928, zitiert nach Cerwinka/Schranz 2013, S.24). Da die Güte des Tests regelmäßig überprüft und weiterentwickelt wird, gehört er mit zu den erfolgreichsten Persönlichkeitsmodellen (Lehment 2006, S.68). Ein Beispiel für die Darstellung der Persönlichkeit speziell in Bezug auf interpersonale Beziehungen ist das Interpersonal-Circumplex-Modell von Leary (1957). Es handelt sich dabei um einen Kreis mit den beiden Dimensionen Kontrolle und Zuneigung. Bei erstgenannter stehen sich die Paare Dominanz und Unterwürfigkeit gegenüber, bei letztgenannter Liebe und Hass. Das zwischenmenschliche Verhalten ist wechselseitig, weshalb Reziprozität eine große Rolle spielt (Leary 1957, zitiert nach Gurtman 2009, S.602). Im folgenden Teilkapitel 3.2 liegt der Fokus auf einem weiteren Modell, welches in der Analyse in Kapitel 4 Einsatz findet und deshalb ausführlicher beschrieben werden soll.
Bei den Big Five handelt es sich um fünf Dimensionen, die der charakteristischen Beschreibung einer Person dienen können (Simon 2006, S.113). Die Darstellung wurde auch unter den Bezeichnungen Fünf-Faktoren-Modell, NEO-PI oder NEO-FFI bekannt. Wer sie konkret entworfen hat, ist nicht zuverlässig nachgewiesen. Viele waren an der Weiterentwicklung beteiligt und meist werden die Forscher Tupes und Christal als die „true fathers“ genannt (Goldberg...