Aller Anfang ist schwer – Einstieg in die Informatik
Olga Reisenhauer4
Abstract: Viele Schulen bieten in der Sekundarstufe I das Fach Informatik an. Inhaltlich geht es meistens um die Vermittlung von Anwenderwissen für die Nutzung bekannter Softwareprogramme. Die Sekundarschule Wadersloh hat sich für ein anders Konzept entschieden. Schon ab der Jahrgangstufe 5 will sie zum Aufbau des exakten informations-technischen Denkens anregen, indem sie von Beginn an dem Prinzip der Wissenschaftsorientierung Rechnung trägt. Dafür wurde ein geeigneter didaktischer Grundriss entwickelt. Im folgenden Beitrag werden Beispiele genannt, wie diesen Ansprüchen kindes- bzw. altersgerecht entsprochen werden kann.
Keywords: Unterstufe; informatische Bildung; Unterrichtsbeispiele.
1 Aller Anfang ist schwer – Einstieg in die Informatik
Bei der Gründung der Sekundarschule Wadersloh im Jahre 2013 wurde entschieden, das Fach Informatik ab Jahrgangstufe 7 als Wahlpflichtfach anzubieten. Aufgrund einer mangelhaften Vorstellung vieler Schülerinnen und Schüler von dem Fach wurde ein Konzept erarbeitet, mit dessen Umsetzung mehrere Ziele verfolgt wurden. In erster Linie möchte man das exakte informations-technische Denken bei Kindern anregen. Ein anderer Gedanke war, den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, dieses zukünftige Fach näher kennenzulernen, um später eine bewusste Entscheidung bei der Wahl des Faches treffen zu können.
Die Umsetzung des Konzeptes geschieht in zwei Phasen:
- Jahrgangstufe 5 im Rahmen des VA (Vertiefendes Arbeiten) „
- Jahrgangstufe 6 im Rahmen des Profilkurses.
In diesem Vortrag möchte ich einen didaktischen Grundriss für die Jahrgangstufe 5 vorstellen. Dieser Grundriss beinhaltet sowohl didaktische als auch methodische Überlegungen und Umsetzungsmöglichkeiten im gegebenen Rahmen.
2 Didaktische Umsetzung
Das Unterrichten des Faches in der Jahrgangstufe 5 an der Sekundarschule Wadersloh findet im Rahmen eines Vertiefenden Arbeitens (VA) statt. Die Klassen werden in Gruppen unterteilt, sodass jede Gruppe (12–13 Schüler) für ca. 7–8 Wochen den Kurs besucht. Der Unterricht wird immer als Doppelstunde erteilt und ist nicht lehrplangebunden, da es zurzeit keinen Kernlehrplan in der Sekundarstufe I für die 5. und 6. Jahrgangsstufe gibt. Als Grundlage für einen geeigneten internen Lehrplan können die „Grundsätze und Standards für die Informatik in der Schule“ genommen werden, welche im Jahr 2008 von Gesellschaft für Informatik (GI) e.V. veröffentlicht wurden. Einige Elemente dieser Grundsätze wurden auch in unserem internen Kernlehrplan berücksichtigt.
Nun stellt sich natürlich die Frage, welche Inhalte in so einem Kurs vorkommen sollten und wie tief man in der sachlichen Strukturierung geht. Oder ob nur die Vermittlung von Nutzerkenntnissen reicht, um sicher und bewusst mit dieser Technik umgehen zu können. Die Antworten auf diese Fragen gibt uns unsere Realität selbst. Unser Alltag ist von digitaler Technik geprägt, die jüngere Generation kennt sich mit der Technik besser aus als manche Eltern oder Großeltern. Die Schule leistet auch ihren Beitrag zur Medienerziehung. Man findet zurzeit an einigen Schulen relativ gute Ausstattungen an Multimedia wie z.B. Smartboard mit Internetzugang, ein oder zwei Computerräume etc. In einigen Fächern nutzen Lehrer die technische Seite eines Computers gezielt, bei welchen erwartet wird, dass Schüler die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten mitbringen und anwenden. Genau an dieser Stelle entscheidet sich, ob Informatikunterricht zur Vermittlung solcher Kenntnissen dient oder ob wir weiter gehen und Informatikunterricht als Grundlage für eine informatische Bildung anbieten.
In unserem Konzept haben wir uns für die informatische Bildung entschieden. In Grundsätzen und Standards für die Informatik in der Schule findet man den folgenden Satz: „Das übergeordnete Ziel informatischer Bildung in Schulen ist es, Schülerinnen und Schüler bestmöglich auf ein Leben in einer Informationsgesellschaft vorzubereiten, das maßgeblich durch den verbreiteten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich geprägt ist. “5 Viele Faktoren sprechen dafür, dass eine reine Medienerziehung nicht ausreichend ist, um den Schülerinnen und Schülern entsprechende Kompetenzen und Fähigkeiten zu vermitteln. P. Hubwieser betont in seinem Buch „Didaktik der Informatik“, dass „[…] die Schüler nur die äußeren Strukturen der Programmoberflächen sehen, die eigentlichen interessanteren inneren Konzeptionen wie Datenstrukturen und Problemlösungsstil bleiben ihnen verborgen, was sie in der Entwicklung ihrer Kritik- und Abstrahierungsfähigkeit stark einschränkt.“ Seiner Meinung nach, sollte „[…] eine intellektuelle Tiefe nicht fehlen[…]“ [Hu07], die einen systematischen Informatikunterricht auszeichnet.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob 10- bis 11-jährige Kinder die Fähigkeit besitzen die abstrakten Inhalte des Faches zu verstehen und umzusetzen. In diesem Alter entwickeln Kinder zunehmend ihre kognitiven Fähigkeiten, darunter auch das abstrakte Denken. Dabei verbessern sich auch die Informationsaufnahme und ihre Verarbeitung. Dies führt auch dazu, dass die Heranwachsenden ein formal-operationales Denken [Wi16] entwickeln. Diese Form von Denken ermöglicht den Schülern, die Wirklichkeit unter bestimmten Umständen nachzuahmen und darzustellen.
All diese Überlegungen führen dazu, dass der Informatikunterricht in seiner wissenschaftlichen Form schon ab Jahrgangstufe 5 angeboten und durchgeführt werden kann.
Die Realität sieht leider anders aus: die meisten Schulen der Sekundarstufe I in NRW beschränken sich auf den Informatikunterricht in Form der ITG (informationstechnischer Grundbildung), anders gesagt: Nutzer-Fähigkeiten werden vermittelt.
Genau wie M. Fothe in seinem Buch „Kunterbunte Schulinformatik“ [Fo10] vorschlägt, wurden bei der Erarbeitung sowohl unseres Konzeptes als auch des internen Kernlehrplans die folgenden Grundsätze des Unterrichtens berücksichtigt:
- Altersgemäßheit beachten,
- mit Unterschieden klug umgehen und
- methodische Vielfalt anstreben.
Den Punkt „methodische Vielfalt anstreben“ möchte ich später in Bezug auf die methodischen Umsetzungsmöglichkeiten erläutern.
Die Bildungsstandards beschreiben die inhalts- und prozessbezogenen Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler am Ende der Jahrgangstufe 7 erreichen sollen. Die spiralcurriculare Bildung erweist sich als hilfreiche Umsetzung für das Erreichen dieser Kompetenzen, was auch den Grundsatz „Altersgemäßheit beachten“ unterstützt. In diesem Sinne ist eine didaktische Reduktion, nach der die Inhalte vereinfacht werden, von Bedeutung. Als Beispiel könnte man das EVA-Prinzip nehmen: in der Jahrgangstufe 5 werden die Geräte, die an einem Rechner angeschlossen sind, einfach in Eingabe- und Ausgabegeräte unterteilt; in der Jahrgangstufe 6 werden die Alltagsgegenstände nach diesem Prinzip untersucht; in der Jahrgangstufe 7 wird die Architektur des Rechners nach diesem Prinzip präziser erläutert.
In der Tat ist es so, dass der Informatikunterricht im Grunde fast alle Fächer miteinander vernetzt. Wenn man sich über das Thema „Übertragung der Informationen“ unterhält, greift man zum Beispiel auf die Eroberung Trojas zurück. Der Sage nach wurden zur Übermittlung der Nachricht vom Sieg Feuerzeichen genutzt. Wird im Unterricht ein Baumdiagramm erstellt, welches die Unterteilung der Tiere der Erde darstellt, sind dann wiederum Kenntnisse der Biologie von Bedeutung. In diesen Fällen sind die Schülerinnen und Schüler in einer Situation, in welcher sie diese Vernetzung aufbauen und die Vielfältigkeit des Faches feststellen.
In Jahrgangstufe 5 sind die Unterschiede von Vorkenntnissen der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die technischen Kompetenzen mit dem Umgang mit einem Computer sehr unterschiedlich: von einem sicheren Umgang bis zu kaum vorhandenen Fertigkeiten, einen Computer zu bedienen. Jedoch werden diese Unterschiede schnell ausgeglichen, da Kinder in diesem Alter relativ schnell lernen, mit dieser Technik umzugehen. Zudem finden auch ein Austausch und eine gegenseitige Unterstützung zwischen den Schülern während des Informatikunterrichts statt.
3 Methodische Umsetzung
Dieser Grundriss wurde während meines Vorbereitungsdienstes an der Sekundarschule Wadersloh mit der Unterstützung von Herrn Dr. Bonna entwickelt. Seine Umsetzung und Verbesserung findet regelmäßig in einem regulären Unterricht statt, sodass das Konzept seine endgültige Form noch nicht erreicht hat. Es sind keine Unterrichtsreihen, sondern kurze Unterrichtssequenzen, die ineinander übergehen.
Zuerst stand die Frage nach den Inhalten dieser Sequenzen. Um diese Frage zu beantworten, habe ich nach Informationen und Inspirationen im Internet gesucht. Ich wurde dann auf einer Plattform des russischen Verlages „Binom“ fündig. Auf dieser Plattform bietet der Verlag reichlich Materialien und Aufgaben für das Unterrichten des Faches für russische Lehrerinnen und Lehrer an. Die Bücher der Informatiklehrerin und Autorin Frau Ljudmila Bosowa haben mich beeindruckt und inspiriert. Diese Bücher stellen eine Reihe der Lernwerke dar, die für die Jahrgangstufe 5 bis 9 für das Unterrichten der Informatik in Russland eingesetzt werden. Ich habe...