Quelle: in Anlehnung an: Ognibeni, Björn: Wertkettenorientierter Einsatz von vernetzten
Kommunikationssystemen, http://www.gwdg.de/~bognibe/diss/problem.html, 20. Mai 1998.
Als wesentliche Vorteile von EDI werden in der Literatur häufig die Schnelligkeit des papierlosen Datenaustausches, die direkte Weiterverarbeitung ohne Medienbruch, d.h. ohne Neueingabe und damit ohne Fehler durch Wiedereingabe, sowie die Eindeutigkeit der
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übertragenen Informationen genannt. Somit trägt EDI maßgeblich zu einer Effizienzsteigerung im gesamten überbetrieblichen Kommunikationsprozeß bei. 70 Betrachtet man die Bereitschaft von Handelsunternehmen zum elektronischen Datenaustausch, so liegt sie nach einer Studie des Gottlieb-Dudweiler-Instituts aus dem Jahre 1996 bei 87,9 % der befragten Unternehmen, aber nur 79,1 % sind dazu auch technisch in der Lage. Somit reduziert sich der Anteil der Handelsunternehmen, die EDI realisieren könnten, auf insgesamt 71 %, wovon wiederum 52,2 % EDI mit Herstellern tatsächlich praktizieren. Ursachen der technischen Barrieren des Datentransfers sind nach Einschätzung der Handelsunternehmen zum einen das Fehlen der notwendigen informationstechnischen Infrastruktur (EDI) im eigenen Unternehmen (85,7 % der Antworten), zum anderen ein Fehlen der EDI-Infrastruktur auf der Herstellerseite (64,3 %). 71 Eine Umfrage unter 3.000 Unternehmen mit über 50 Beschäftigten in den alten Bundesländern Deutschlands im Rahmen des Forschungsprojektes VULCAN II aus dem Jahre 1995 ergab, daß EDI im Handel mit 28,8 % im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen am weitesten verbreitet ist. Desweiteren wurde die Hypothese bestätigt, daß die Verbreitung von EDI mit der Unternehmensgröße stark zunimmt. 21,5 % der befragten Unternehmen aller Wirtschaftszweige nutzen EDI bereits, weitere 11,1 % planen den Einsatz. Differenziert man den Verbreitungsraum von EDI nach Größenklassen, dann steigt der Anteil der EDI-Nutzer von 18,7 % bei Unternehmen mit 50-99 Beschäftigten auf 42,9 % bei Großunternehmen (über 500 Beschäftigte) stark an. Preßmar und Meier sehen sich durch die vorliegenden Ergebnisse in ihrer Hypothese bestätigt, daß die „kritische Masse“ der EDI-Nutzer zumindest bei mittleren und großen Unternehmen erreicht ist, so daß für die Zukunft von einem starken Anstieg der Verbreitungsgeschwindigkeit der EDI-Technologie ausgegangen werden kann. Die Autoren prognostizieren auf Basis einer Regressionsanalyse für das Jahr 2000 ein EDI-Anwendervolumen in engerem Sinne (weitreichender überbetrieblicher Einsatz von EDI) in Höhe von 62,8 % aller Unternehmen. Dies würde somit einer Verdreifachung der EDI-Anwenderzahl in einem Zeitraum von 5 Jahren entsprechen. 72 Welche EDI-relevanten Telekommunikationsnetze und Verbindungsarten von den betrachteten Unternehmen im einzelnen genutzt werden, ist ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie. Von den Festnetzen wird vor allem das analoge Telefonnetz via Modem
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von den Unternehmen genutzt (73,3 %), gefolgt von ISDN (44,1 %), Datex-J/T-Online (26,5 %) und Datex-P (24,6 %). Die Nutzung privater Anbieter von Mehrwertdiensten gaben nur 2,7 % der Unternehmen an. Dies dürfte sich aber durch die seit dem 01.01.1998 stattfindende Liberalisierung im Telekommunikationssektor weitreichend ändern. Bei der Zwischenspeicherung von Datensätzen haben Mailboxen privater Anbieter im Vergleich zu Telebox den größeren Anteil. Datendirektverbindungen nutzen 24,3 % der Unternehmen. Gleichzeitig weist diese Verbindungsart die höchste Nutzungsintensität auf, gefolgt von ISDN, Datex-P, Modem-Verbindungen und Datex-J/T-Online. Den größten Zuwachs im Verbreitungsgrad erwarten Preßmar und Meier von ISDN. Damit kann die Hypothese bestätigt werden, daß die meisten Unternehmen über die kommunikationstechnologischen Voraussetzungen für den Einsatz von EDI verfügen. Die Modem-Technologie ist bereits bei zwei Drittel der kleineren Unternehmen verfügbar, einem ersten Einstieg in die zwischenbetriebliche Kommunikation steht somit kein technologisches Hindernis mehr entgegen. 73
Damit stellt sich nun die Frage, warum einem weitreichenden Einsatz der EDI-Technologie auf Unternehmensseite in Ländern wie Deutschland, Italien und Spanien noch mit einer gewissen Skepsis begegnet wird, obwohl die basistechnologische Infrastruktur größtenteils vorhanden ist. Dies liegt vor allem daran, daß eine unternehmensweite Einführung von EDI nur zu 20 % ein technisches und zu 80 % ein organisatorisches Problem darstellt. Um ein EDI-Konzept erfolgreich implementieren zu können, bedarf es ausgehend von der Entscheidung des Top-Managements eines detaillierten Projekt-Fahrplans. Dabei sollte vor allem die Reorganisation firmenübergreifender Geschäftsprozesse im Vordergrund stehen, mit dem Ziel der Optimierung des Informationsflusses durch den Einsatz von EDI. 74 Eine Ursache für den größeren Verbreitungsgrad von EDI in den USA, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden wird oftmals auch der innovationsfreudigeren Mentalität zugesprochen, die in diesen Ländern vorherrscht. 75
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3.3.1.4.2 EDI-Standards
Häufig bestehen auf der Unternehmensseite auch Unsicherheiten bezüglich der Investitions- Zukunftssicherheit der EDI-Technologie. Eng mit dieser Problematik verbunden ist die Diskussion über einen geeigneten Standard im Rahmen des zwischenbetrieblichen Geschäftsdatenaustausches. In der Mehrzahl dominieren heute noch nationale Standards (SEDAS in Deutschland, TRADAKOM in Großbritannien, GENCOD in Frankreich, AECOM in Spanien usw.), die einer grenzüberschreitenden Kooperation im Zuge des Internationalisierungsprozesses von Handelsunternehmen entgegenstehen. 76 Abhilfe soll hier der sogenannte UN/EDIFACT-Standard (United Nations/Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport) schaffen, der erst vor drei Jahren von UNTDID (United Nations Trade Data Interchange Directory) verabschiedet wurde, sich als einziger branchen- und länderübergreifender Standard weltweit aber immer stärker durchsetzt. Ausgehend von diesem Standard werden für einzelne Branchen sogenannte Subsets abgeleitet, die an deren Bedürfnisse angepaßt sind. Einer bedarfsorientierten Normung in der Konsumgüterwirtschaft entspricht der spezielle Subjet EANCOM (EAN-Communication). Für verschiedene Geschäftsvorfälle existieren dementsprechende Nachrichtentypen. Ein weiterer großer Vorteil dieses Standards ist seine Offenheit, d.h. es können jederzeit neue Nachrichtentypen definiert werden, falls es die Situation erforderlich macht. Neue Subjets und Nachrichtentypen unterliegen aber einem Prüfverfahren, um jederzeit ihre Allgemeingültigkeit und Kompatibilität zu gewährleisten. Dabei übernehmen nationale Ausschüsse und Normierungsgremien, die untereinander in ständigem Kontakt stehen, diese Prüffunktion. In Deutschland sind dies die DEUPRO (Deutscher Ausschuß für die Vereinfachung internationaler Handelsverfahren), die DEDIG (Deutsche EDI-Gesellschaft e.V.) und die CCG (Centrale für Coorganisation). Im Anschluß an das Prüf- und Registrierungsverfahren können die entsprechenden international ratifizierten Subsets und Nachrichtentypen im internationalen elektronischen Geschäftsdatenaustausch genutzt werden. 77 Allgemeinen Studien und Prognosen zufolge wird sich der EDIFACT-Standard in der Zukunft durchsetzen und ist somit der wichtigste Antriebsmotor für eine weitreichende Diffusion der EDI-Technologie insgesamt. Aufgrund einer Studie der TU Berlin dürften über
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60 % der EDI-Anwendungen in Europa in Zukunft auf dieses Protokoll entfallen. Branchenspezifische Protokolle hingegen werden an Bedeutung stark verlieren. 78 EDIFACT versetzt Unternehmen somit in die Lage, mittels EDI Daten aus beliebigen Branchen auszutauschen ohne bilaterale oder multilaterale Absprachen. Ein weiterer Vorteil ist, daß durch den Einsatz von Konverter-Software ein bestehender Inhouse-Standard weiter beibehalten werden kann. 79 Diese Übersetzer-Tools fungieren als Schnittstelle, indem sie die via Computernetzwerk übertragenen EDIFACT-Datensätze in bestehende unternehmensinterne Standards (zum Beispiel SEDAS) umwandeln. Somit besteht vor allem unter Kostengesichtspunkten ein Anreiz, EDIFACT schon zu nutzen, obwohl die bestehenden Inhouse-Systeme mit ihm noch nicht kompatibel sind, da die entsprechende Konverter-Software relativ günstig erworben werden kann. Eine Anpassung kann schrittweise erfolgen oder im Zuge einer geplanten Neuinstallation von IuK-Systemen. Der Warenhauskonzern Karstadt gilt als einer der Vorreiter bei der Anwendung des elektronischen Datenaustausches. Seit 1985 wird der Standard SEDAS bereits verwendet. 1992 wurde dann im Rahmen eines Pilotprojektes mit OSRAM der EDIFACT-Standard (EANCOM) eingeführt. Da jedoch nicht alle Lieferanten diesem neuen Standard folgten, war Karstadt gezwungen, SEDAS weiter beizubehalten. Trotz dieser bis dato notwendigen „Zweigleisigkeit“ geht man im Karstadt-Vorstand davon aus, daß die noch existierenden Standards mit der Zeit in...