a) Bis zum Beginn der Arbeitsmigration
Nach den Kreuzzügen als erstes bedeutendes und das Bild voneinander ähnlich stark wie die Erfahrung der „Türken vor Wien“ im 16. Jh. prägendes Zusammentreffen von Christen und Muslimen waren die folgenden Jahrhunderte nach langer Unterlegenheit gegenüber dem islamischen Kulturkreis im Mittelalter[12] bestimmt von religiösen Überlegenheitsgefühlen (Koran als „übelstes Machwerk des Scharlatans, Betrügers und Epileptikers Mohammed“), was sich erst im 18. Jh. änderte: Der Islam wurde als eigenständige Größe, Mohammed als Religionsstifter anerkannt; so schrieb der osmanische Gesandte in Preußen 1777 an Sultan Abdul Hamid I: „Die Bevölkerung Berlins erkennt den Propheten Muhammad an und scheut sich nicht zu bekennen, dass die bereit wäre, den Islam anzunehmen[13]“.
Der wirkliche Beginn des „Islam in Deutschland“ wird auf 1731[14] datiert, als der Herzog von Kurland Friedrich Wilhelm I. von Preußen zwanzig muslimische Kriegsgefangene aus dem osmanisch-russischen Krieg 1735-39 zur Verstärkung der „Langen Kerls“ schenkt. Begegnungen dieser Art prägten in dieser Zeit das Bild insbesondere von den Türken („Beutetürcken“[15]). 1761 wurde der erste Handelsvertrag zwischen dem Osmanischen Reich und Preußen geschlossen, dauerhafte freundschaftliche Beziehungen auch später zur Türkei und anderen Ländern des Kulturkreises entwickelten sich. Architekten ließen sich durch den orientalischen Baustil inspirieren (nicht erhaltenes Türkisches Palais in Dresden, 1672), auch in Musik (Entführung aus dem Serail; Mozart 1782) und Dichtung (West-östlicher Diwan; Goethe 1819) finden sich Nachweise von kulturellem Interesse. Insbesondere in Berlin etablierte sich nach dem Ersten Weltkrieg eine aktive muslimische Gemeinde, bestehend größtenteils aus Diplomaten, Wissenschaftlern und Studenten. Während der NS-Zeit fanden sogar erste offizielle christlich-islamische Begegnungen statt[16].
b) Vom Beginn der Arbeitsmigration bis heute
Die heute bedeutsame muslimische Geschichte in Deutschland beginnt mit dem Zuzug von Gastarbeitern (Anwerbeabkommen mit der Türkei (1961), Marokko (1963), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968)[17]. Nach dem Anwerbestopp 1973 und darauf folgender Familienzusammenführungen sank der Anteil der Männer unter den Gastarbeitern von 89 % (1972) auf 53 % (2000). Es folgte eine zweite Generation, die, z. T. hier geboren, anfing Deutsch zu lernen, in Berührung mit Kindergärten und dem Schulsystem kam, Vereine gründete, Gebetsräume einrichtete und Läden mit aus der Türkei gewohnten Lebensmitteln sowie erste Handelsfirmen gründete. Innerhalb dreier Jahrzehnte wuchs der Islam so zur drittgrößten Glaubensgemeinschaft nach Katholizismus und Protestantismus. Spätestens Ende der 80er Jahre begann ein Gutteil der ehemaligen Gastarbeiter, sich mit der Vorstellung auseinanderzusetzen, dauerhaft in Deutschland zu bleiben und den Gedanken aufzugeben, sich von hier aus eine Zukunft in der Türkei aufzubauen[18].
Gleichzeitig aber war in der deutschen Gesellschaft noch kein Bewusstsein einer dauerhaften Präsenz der muslimischen Mitbürger gereift, große Teile der Öffentlichkeit meinten immer noch, von einem vorübergehenden Phänomen ausgehen zu können: Das aufgestaute Unwissen und fehlende Begegnung, werden – wie sich zeigen wird – auch in Moscheebaukonflikten virulent.
In Deutschland liegt der muslimische Bevölkerungsanteil bei ca. 3,4 % (2,8-3,2 Mio; davon 370-450 000 deutsche Staatsangehörige[19]), hiervon 80 % türkischer Abstammung[20]. Die Ermittlung entsprechenden Zahlenmaterials bereitet Schwierigkeiten, da die Ausländerstatistik des Statistischen Bundesamts nicht die Religionszugehörigkeit, sondern nur die Herkunftsländer erfasst[21].
Mit der Gesamtzahl der Muslime ist noch nichts über deren Religiosität ausgesagt, also auch nichts über die Intensität des Moscheebesuchs. Nach Wilamowitz-Moellendorf richten 13 % der türkischstämmigen Muslime ihr Leben vollständig nach den Regeln des Islam, 30 % tun dies überwiegend[22]. Die Bundesregierung gibt an, dass 24 % der Muslime die Moschee einmal, 8 % mehrmals in der Woche besuchen.[23]
Auf die Einrichtung eines ersten Betsaals für zwanzig türkische Gardesoldaten 1732 durch Friedrich Wilhelm I. in Potsdam folgten zwei im Moscheestil errichtete Profanbauten: 1780-85 wurde im Schwetzinger Schlosspark die „Rote Moschee“ errichtet, die vom romantischen Orientalismus der Aufklärung zeugt. Zwar war eine Nutzung als Moschee nicht intendiert, dennoch kommen hier heutzutage ab und zu Muslime aus dem Rhein-Neckar-Raum zum Gebet zusammen[24]. 1907-09 entstand in Dresden ein als modische Hülle für eine Zigarettenfabrik dienendes Gebäude („Yenidze“)[25].
Im Verlauf des 1. Weltkriegs hatten die Alliierten bis 1916 ca. 15000 muslimische Gefangene gemacht. Für diese wurde 1915 in Wünsdorf bei Zossen eine Moschee (hölzerner Kuppelbau, 12 m hoch, Minarett 25 m hoch) inmitten eines Gefangenenlagers errichtet, 1925/26 wegen Baufälligkeit abgerissen.
1928 wurde in Berlin-Wilmersdorf die heute älteste erhaltene deutsche Moschee (26 m hoch, zwei je 32 m hohe Minarette, indischer Stil) eingeweiht[26]. Zuvor war ein Projekt für eine große fünfstöckige Moschee mit zwei 65 m hohen Minaretten aus finanziellen Gründen gescheitert.
Mit Beginn der Arbeitsmigration wurden zunächst Gebetsräume in Wohnheimen[27] der Gastarbeiter eingerichtet, bald kamen Werksmoscheen hinzu, einige Bundesbahndirektionen boten sogar „rollende Moscheen“ an[28].
Ab Anfang der 60er Jahre wurden auch christliche Gemeinden um die Überlassung von Räumen für das Freitagsgebet gebeten. Höhepunkt dieser Entwicklung war ein islamischer Gebetsgottesdienst im Kölner Dom im Februar 1965[29].
Die wichtigsten, z. T. auch vor Zuzug der Gastarbeiter, bis zum Beginn der „Moscheebauwelle“ ab Anfang der 90er Jahre errichteten repräsentativen Moscheen befinden sich in Hamburg (Imam-Ali-Moschee, 1961), Aachen (Bilal Moschee, 1964) sowie in München (Freimann-Moschee, 1973)[30]. Das Gros des religiösen Lebens der unter uns lebenden Muslime spielt und spielte sich in der Abgeschiedenheit bzw. Unkenntlichkeit so genannter „Hinterhofmoscheen“ mit häufig provisorischem Charakter (ausgediente Gewerbeobjekte, Etagen in Mietshäusern, Scheunen, Fabrikhallen etc.) ab. Anfang der 80er Jahre setzte unter den Moscheevereinen eine Professionalisierung und Formalisierung ein. Der Rückkehrwunsch verblasste, die Schaffung einer stabilen Zukunft – auch in architektonischer Hinsicht – geriet in den Mittelpunkt: „Wer baut, will bleiben.“ Die Fatih-Moschee Pforzheim (1992), die Mannheimer Yavuz-Sultan-Selim Moschee, mit 2500 Gebetsplätzen bis dahin größte Moschee Deutschlands (1995) sowie die Lauinger Moschee (1996) [31] bilden die Trendwende im deutschen Moscheebau. Inzwischen gibt es (bis auf Ostdeutschland außer Berlin) über ganz Deutschland verteilt solche Moscheebauten[32]. Nach Leggewie waren es im Dezember 2002 70 an der Zahl (darunter 53 DITIB-Moscheen), 30 seien in Planung[33]. Die drei größten Moscheebauten (jeweils DITIB) befinden sich z. Zt. in Berlin (Sehitlik-Moschee am Columbiadamm auf dem Gelände des 1866 eingerichteten Islamischen Friedhofs, max. 5000 Gebetsplätze, 2002[34]), Frankfurt/Main (Neue Zentrum Moschee, max. 3000 Gebetsplätze[35], 1995) sowie in Mannheim. Unter Hinzuzählung der existierenden Hinterhofmoscheen ist von einer Gesamtzahl um 2400 auszugehen[36], 800 davon gehören zur DITIB, in denen 70 % der deutschen Moscheevereinsmitglieder beten.[37]
Vor Ort treten oft eigens wegen des Bauprojekts, meist aber schon in den 70er Jahren gegründete Moscheegemeinden – eingetragene Vereine – als Bauherren auf. Diese wiederum sind in aller Regel einem der deutschlandweit agierenden Dachverbände angeschlossen. Etwa 200000 der in Deutschland lebenden Muslime sind in Moscheevereinen organisiert[38]. Eine genaue Bezifferung ist nicht immer einfach, da teilweise nur das männliche Familienoberhaupt als Mitglied registriert ist, faktisch aber auch die übrige Familie Mitgliedschaftsstatus hat. Die Vereinsktivitäten – neben der Ermöglichung von Moscheebauten –...