Innerhalb dieses Kapitels soll anhand dreier so genannter Leitdifferenzen systematisch theologisch beurteilt werden, ob Christen eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft eingehen können. Oder ob eine solche Lebenseinstellung als unchristlich angesehen werden darf.
Ausschlaggebend für die Beurteilung ist die kategorieartige Deklaration, ob eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft evangelisch bzw. unevangelisch, oder biblisch bzw. unbiblisch, oder eben christusgemäß bzw. nicht christusgemäß ist.
Derartige Leitdifferenzen berühren und lenken das Leben eines Christen – sie dienen als normative Vorgabe und Orientierung in Glaubens- sowie Lebensfragen. Aus diesem Grunde dürfen, gar müssen sie in diese Betrachtung mit einbezogen werden. Letztlich beschreiben sie christliches Leben, welches mit der Frage nach gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft berührt wird.
Eine Reihenfolge oder Priorisierung der drei Leitdifferenzen soll erst im Laufe des Kapitels, insbesondere in einer Conclusio Betonung stattfinden. Demzufolge möchte ich mit einer biblischen Systematisierung beginnen.
Biblische Leitdifferenz
Wie bereits deutlich geworden ist und aus den noch nachfolgenden Beispielen ersichtlich werden wird, ist der Umgang mit homosexuellen Prägungen zu einer besonderen Herausforderung geworden. Dabei soll die Deklaration meinerseits als „besondere Herausforderung“ nicht im Sinne einer Wertung verstanden werden, sondern vielmehr als gesellschaftliche Wandelungserscheinung. („Coming Out“, volle Akzeptanz, Sympathie bis hin zu verstärkter Intoleranz). Viele Homosexuelle und Lesben erwarten eben, dass die Gesellschaft und/oder Kirche ihre Lebensform akzeptiert. Auch wenn einige Wenige das vielleicht hinter dem „Schleier“ der Aussage „Was andere denken ist mir/uns egal.“ tun. Denn letztendlich gehen auch sie mit ihren Aussagen an die Öffentlichkeit, um Akzeptanz zu bewirken. Homosexuelle und Lesben möchten sich zu ihrer Sexualität bekennen und auch in festen Partnerschaften leben.
Nun stehen Christen vor besonderen Herausforderungen im Umgang mit solchen Lebenspartnerschaften. Insbesondere wenn der Zugang zur Beurteilung anhand biblischer Texte gesucht wird. Zu diesem Zweck möchte ich zu Beginn einige Stellen aus dem Alten Testament zu Rate ziehen. Zum Großteil werden diese Stellen, wie festzuhalten ist, recht naiv ausgelegt und in die Rubrik „Bibel und Homos“ gepresst. Dabei sind viele Stellen viel differenzierter zu betrachten. Ich möchte versuchen Struktur in die Thematik zu bringen, indem ich sowohl eisegetische, exegetische, geschichtliche als auch situationsethische Ansätze in die Betrachtung einbeziehe.
Nun ein paar exegetische Gedanken.
Ob die Homosexualität als Lebensform so vom Schöpfer vorgesehen ist, sollte aus biblischer Sicht anhand Genesis 1, 27-28 zu erkennen sein:
„Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, zum Bild Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie; und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllt die Erde...“ [1]
Daraus ergibt sich logisch:
Genesis 2, 18:
„Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die ihm entspricht.“ [2]
Gott hätte problemlos noch einen zweiten Mann schaffen können. Doch er spricht ganz klar von einer „Gehilfin“. Jetzt könnte manch einer hervorbringen, dass auch die Tiere für dem Menschen eine Hilfe darstellen linguistisch gesehen auch eine Gehilfin sind (vgl. Vers 20). Doch diese Darstellung kann klar widerlegt werden denn weiter heißt es in Vers 20:
„Aber für den Menschen ward keine Gehilfin gefunden…(unter den Tieren)…“
Gott spricht aber deutlich von einer „Gehilfin“, einem ergänzenden Gegenstück zum Mann.
Dass die Gemeinschaft von Mensch zu Mensch in einer besonderen Einzigartigkeit hervortritt und es sich eben um eine Frau handeln muss, wird in anderen Übersetzungen dieser alttestamentlichen Stelle noch besonders hervorgehoben. So zum Beispiel eine Stelle in der Guten Nachricht, Hoffnung für Alle. Dort heißt es „die zu ihm passt“.
Die Idee, dass der Mann nicht allein perfekt ist und Gott Mann und Frau bewusst unterschiedlich geschaffen hat, damit sich beide gegenseitig ergänzen, gibt uns zwar keine konkretisierte Aussage über Homosexualität, verdeutlicht aber die grundsätzliche Schöpfungsidee Gottes. Hier erkennt man deutlich, dass, wenn von Partnerschaft die Rede ist, immer eine zwischengeschlechtliche Beziehung zwischen Mann und Frau gemeint ist. Am Ende der Schöpfung sagt Gott: „Und siehe es war sehr gut“[3] Er hat also nicht bereut, wie er es gemacht hat.
In späteren Stellen wird im Alten Testament die Ablehnung homosexueller Neigungen sogar in expliziter Nennung noch deutlicher. So zum Beispiel in Levitikus 18, 22. Dort wird über schwerwiegende Vergehen gegen Gottes Heiligkeit gesprochen.
„Du sollst nicht bei einen Mann liegen wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel.“[4]
Danach folgt eine aus unserer heutigen Sicht absolut unhaltbare und drastische Forderung in Levitikus 20, 13:
„Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben“[5].
Diese Aussage möchte ich allerdings hier nicht so unreflektiert stehen lassen und vorgreifend doch eine kurze Stellung dazu abgeben. Im Alten Orient wurde die Homosexualität zwischen Männern unterschiedlich beurteilt. In manchen Kulturen galt sie als normale Form der Sexualität. Von solchen Praktiken heidnischer Völker möchte sich Israel allerdings als erwähltes Gottesvolk abgrenzen.
Weiterhin fließt in den nachfolgenden Betrachtungen auch ein eisegetischer Bezug ein.
Eine andere Stelle nicht direkt auf Homosexualität allein bezogen, aber auf transvestite Handlungen findet man in Deuteronomium 22, 5:
„Eine Frau soll nicht Männersachen tragen, und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen; denn wer das tut, ist dem Herrn, deinem Gott, ein Greuel.“[6]
In den nun folgenden Stellen, werden auf den ersten Blick homosexuelle Prägung / homosexuelles Leben aufs Schärfste verurteilt. Geschichtliche und gesellschaftliche Zusammenhänge sollen im Hauptbezugspunkt stehen. Dennoch sollen meinerseits auch einige apologetische Aspekte eingebracht werden, welche eine Deutung der Schrift zulassen. Es muss also nicht unbedingt von einer Verurteilung homosexueller Aussagen ausgegangen werden. In Genesis 19, 4-13 finden wir die Sodom-Erzählung in der von einer versuchten Vergewaltigung an (männlichen / Engeln) Gästen des Lot berichtet wird.
Die Sünden Sodoms und Gomorras schreien zum Himmel, so dass Gott Boten (Engel) auf die Erde schickt, um die Gerichtsreife der beiden Städte zu prüfen (Genesis 18, 20). Diese beiden Engel werden von Lot überredet, seine Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen.
Die Engel kehren bei ihm ein. In der Nacht versammeln sich dann alle Bewohner Sodoms bei Lot und verlangen von ihm, seine Gäste herauszugeben, damit sie von ihnen „erkannt“ werden könnten. In der Luther-Übersetzung fand ich den Ausspruch: „…damit wir uns über sie hermachen.“[7]
Im hebräischen Urtext ist allerdings der Ausdruck JADA zu finden, der zwar die Bedeutung hat den Geschlechtsverkehr zu praktizieren, allerdings gibt es auch eine andere Auffassung der Bedeutung, welche von Verfechtern einer liberalen Haltung gegenüber der Homosexualität gern angebracht wird.
Die Erzählung berichtet weiterhin, dass die Bewohner Sodoms Lots Gäste homosexuell missbrauchen wollten und Lot das verhindern will, indem er sogar bereit ist, mit Sodoms Einstellung zur Verderbtheit einen Kompromiss zu schließen und den Sodomiten seine beiden jungfräulichen Töchter als Ersatz für seine Gäste zu geben. Die Bewohner Sodoms wollen sich nun an Lot vergehen, jedoch retten ihn die beiden Engel. Sodom und Gomorra werden wegen ihrer zahlreichen Sünden von Gott vernichtet. Nur Lot und einige seiner Angehörigen werden errettet. Für viele Interpretationen spielt bei der Zerstörung Sodoms, als auslösender Faktor, die Homosexualität eine entscheidende Rolle.
Allerdings gibt es auch eine andere Auslegung, wie eingangs bereits erwähnt. Denn das Wort JADA hat ebenfalls die Bedeutung „kennen, kennen lernen“. Nun kann man folgern, dass die Bewohner Sodoms keinen Gedanken daran gehabt hätten, Lots Gäste homosexuell zu missbrauchen. Sie wollten sie einfach „kennen lernen“. Nach Meinung der Bewohner Sodoms hätten die Fremden ja durchaus feindselig sein können und nun hätten die Sodomitter überreagiert. Die Schuld der Bewohner Sodoms wird also allein im Bruch des Gastrechtes gesehen, welches heilig war.
Allerdings deckt dieses Gegenstück zur ersten Interpretation nicht alle Fakten ab. Einige mögliche Fragen dazu möchte ich an diese Stelle setzen.
- Lots Töchter werden als Mädchen bezeichnet „…die wissen von noch keinen Manne…“.[8] Der Ursprungstext gebraucht hier auch das Wort JADA und lässt auch keine andere Übersetzung des Textes zu. Folgert man logisch, so...