Zwei Das Wunder der Einheit
„Das Ziel Gottes in der Geschichte ist eine alle umfassende Gemeinschaft liebender Menschen, mit Christus in ihrer Mitte als ihrem Erhalter und ihrem herrlichsten Glied.“
Dallas Willard1
„Das ganze Leben besteht aus Begegnungen.“
Martin Buber2
Es gibt ein kleines Büchlein3, in dem Grundschulkinder versuchen, einige der kniffligsten Probleme der Welt zu lösen: etwa, was man mit dem Ozonloch machen oder wie man Rauchern helfen kann, zu Nichtrauchern zu werden.
Hier die schwierigste Frage: „Es gibt Milliarden von Menschen auf der Welt, da sollte es doch möglich sein, ein System zu finden, in dem niemand einsam sein muss. Was würdest du vorschlagen?“
„Man sollte einsame Menschen finden und sie nach ihrem Namen und ihrer Adresse fragen. Dann sollte man Menschen, die nicht einsam sind, nach ihrem Namen und ihrer Adresse fragen. Wenn man die gleiche Anzahl von beiden hat, sollte man einsame und nicht einsame Menschen über die Zeitung zusammenbringen.“ Kalani, 8 Jahre alt (offensichtlich hat dieses Mädchen die Gabe der Organisation)
„Man sollte Lebensmittel erfinden, die mit einem sprechen, während man sie isst. Beispielsweise sagen sie: ‚Wie geht es dir?‘ und: ‚Was hast du heute erlebt?‘“ Max, 9 Jahre alt
„Wir könnten den Leuten ein Haustier oder einen Ehemann oder eine Ehefrau geben und mit ihnen Ausflüge machen.“ Matt, 8 Jahre alt (Diese Aussage lässt einige Fragen in Bezug auf Matts Verständnis von Ehe offen.)
Aber die anrührendste Antwort, diejenige, die einem das Herz brechen kann, kommt zuletzt:
„Singt ein Lied, stampft mit den Füßen, lest ein Buch. (Immer, wenn ich das Gefühl habe, niemand liebt mich, mache ich etwas davon.)“ Brian, 8 Jahre alt
„Es gibt Milliarden von Menschen auf der Welt, da sollte es doch möglich sein, ein System zu finden, in dem niemand einsam sein muss.“ Seit Jahrhunderten beschäftigen sich die schlauesten Erwachsenen mit diesem Problem. Dieser von Gott geschaffene Hunger nach Gemeinschaft veranlasste Plato dazu, den „Staat“, und Augustinus „Die Stadt Gottes“ zu schreiben. Aus diesem Grund handeln viele unserer Geschichten von unserer Sehnsucht nach Gemeinschaft – von der „Odyssee“ über die „Waltons“, von Camelot bis zu Garrison Keillors „Lake Wobegon“, von „Mayberry“ bis „Boyz in the Hood“. Aus diesem Grund besuchen wir Kirchengemeinden, gehen in Kegelclubs und lassen uns auf Blind Dates ein.
Aus diesem Grund besteht die amerikanische Rede, die aus dem 20. Jahrhundert am stärksten in Erinnerung bleiben wird, aus einem Appell, dass alle Menschen eines Tages in der Lage sein sollten, gemeinsam an einem Tisch zu essen, einander die Hände zu reichen und gemeinsam ein Lied zu singen. Der Sozialwissenschaftler Jean Elsthain stellt fest, dass Martin Luther King jr. das Bewusstsein einer Gesellschaft in seinen Bann zog, weil er nicht nur seinen persönlichen Traum formulierte, sondern den Traum der Menschheit – Gottes Traum. „Seine Rede hätte die Nation nie gepackt, hätte er sich vor das ,Lincoln Memorial‘ gestellt und erklärt: ‚Ich habe eine bevorzugte Vorstellung. Ich habe heute eine bevorzugte Vorstellung.‘“4
Der Schmerz der Einsamkeit
„Es gibt Milliarden von Menschen auf der Welt, da sollte es doch möglich sein, ein System zu finden, in dem niemand einsam sein muss.“
Nichts schmerzt so sehr wie die Einsamkeit. Lee Strobel schrieb darüber, als die Kolumnistin der Chicago Tribune, Marla Paul, vor ein paar Jahren schriftlich bekannte, einsam zu sein. „Diese Einsamkeit macht mich traurig“, schrieb sie. „Wie konnte es geschehen, dass ich nun 42 Jahre alt bin und nicht genügend Freunde habe?“ Sie fragte ihren Ehemann, ob mit ihr irgendetwas nicht in Ordnung sei. Sie fragte sich, ob die Menschen einfach zu beschäftigt seien, um Freundschaften zu pflegen. Es schien, als ob „die Freundschaftsquote jeder Frau erfüllt zu sein schien und sie keine neuen Bewerber mehr akzeptierte“. Sie fragte sich, ob es vielleicht „da draußen Frauen gab, die nicht wissen, wie einsam sie eigentlich sind. Es ist so einfach, den Tag mit Arbeit auszufüllen [, aber das ist] nicht genug.“
Sie schloss ihre Kolumne mit den Worten: „Ich las meiner Tochter neulich ‚Das hässliche Entlein‘ von Hans Christian Andersen vor. Ich fühlte mich diesem Vogel, der von einem Ort zum nächsten flog, um Geschöpfe zu finden, zu denen er gehörte, sofort verbunden. Er findet sie schließlich. Ich hoffe, dass auch mir das gelingen wird.“5
In der Folgezeit schrieb sie über den Nerv, den diese Kolumne unerwartet getroffen hatte. Menschen sprachen sie am Arbeitsplatz, beim Einkaufen, in der Schule ihrer Tochter an: „Sie auch? Ich dachte, ich sei die Einzige!“ Es erreichten sie Briefe von Hausfrauen und Firmenchefs. Als Reaktion auf diese Kolumne kamen siebenmal so viele Leserbriefe wie gewöhnlich und alle hatten denselben Tenor: „Warum fühle ich mich so einsam? Warum ist es so schwer, gute Freunde zu finden?“
Wenn Einsamkeit unter Frauen verbreitet ist, dann nimmt sie unter Männern Züge einer Epidemie an. Eine Umfrage ergab, dass 90 Prozent aller amerikanischen Männer keinen echten Freund haben.6 Aber sie ziehen es vor, nicht darüber zu reden. „Niemand gibt gerne zu, dass er einsam ist“, schreibt die Psychologin Jacqueline Olds. „Einsamkeit ist etwas, das man mit Verlierern assoziiert.“7 Einsamkeit hat einen so negativen Beigeschmack, dass man zwar in anonymen Umfragen zugibt, einsam zu sein, aber offen nur davon spricht, unabhängig und selbstständig zu sein.
„Einsamkeit“, sagte Mutter Teresa, „ist der Aussatz der modernen Gesellschaft. Und niemand möchte, dass man von ihm weiß, dass er aussätzig ist.“
Jean Vanier ist der Gründer der weltberühmten Arche-Gemeinschaft für geistig behinderte Menschen und deren Betreuer. Dort fand einer der brillantesten Autoren unserer Zeit, Henri Nouwen, was ihm verloren gegangen war, als er an Orten wie Harvard und Yale unterrichtete: das Gefühl, dazuzugehören, Annahme, Heimat. Vanier schrieb: „Jeder von uns trägt seine eigene tiefe Wunde mit sich herum, die Wunde unserer Einsamkeit. Es fällt uns schwer, alleine zu sein, und wir versuchen, durch Hyperaktivität, Fernsehen und eine Million weitere Möglichkeiten vor dieser Einsamkeit zu fliehen.“8 Albert Schweitzer stimmte dem zu: „Wir sind alle so viel zusammen, aber wir alle sterben an Einsamkeit.“9
Was wirklich zählt
„Es gibt Milliarden von Menschen auf der Welt, da sollte es doch möglich sein, ein System zu finden, in dem niemand einsam sein muss.“
Edward Hallowell schreibt, dass für die meisten Menschen die beiden wichtigsten Erfahrungen des Lebens darin bestehen, etwas zu leisten und Beziehungen zu knüpfen.10 Die meisten Dinge, die im Leben unsere Aufmerksamkeit wecken und unsere Energie in Anspruch nehmen, fallen in diese beiden Kategorien.
„Beziehungen zu knüpfen“ umfasst unsere gesamte Beziehungswelt – sich zu verlieben, gute Freundschaften aufzubauen, versorgt zu werden, wenn wir krank sind, oder von unseren Eltern zu hören, dass sie uns lieben.
„Etwas zu leisten“ umfasst alles, was wir erreichen – Wettbewerbe gewinnen, beruflichen Erfolg haben oder schwierige Ziele erreichen.
Hallowell weist darauf hin, dass sich unsere Gesellschaft zunehmend dem Leistungsgedanken verschreibt, davon besessen ist und sich von ihm versklaven lässt. Wenn es aber um Beziehungen geht, verarmt und scheitert sie zusehends.
Leistung an sich ist nichts Schlechtes – wenn sie auf die richtige Weise und aus der richtigen Motivation heraus erbracht wird. Aber Leistung ist kein Ersatz für Beziehungen. Wenn man Leistung richtig versteht, muss sie die Gemeinschaft respektieren. Die einzig wirklich wichtigen Leistungen sind diejenigen, die das Leben der Gemeinschaft bereichern.
Leider ist Leistung um ihrer selbst willen in unserer Gesellschaft zu einer Art Götze geworden. Ich bin noch niemandem begegnet, dem es nicht gelang, Beziehungen aufzubauen – der isoliert, einsam, beziehungslos und ohne tiefe Freundschaften lebte –, und dabei doch ein sinnvolles und von Freude erfülltes Leben führte. Wirklich niemandem. Im 20. Jahrhundert gab es tonnenweise Menschen, die großartige Dinge erreicht haben, aber nicht beziehungsfähig waren. Menschen, die Unmengen an Geld, Berühmtheit oder Macht angehäuft haben, aber es nie geschafft haben, ihr Herz zu öffnen. Menschen mit einem Rolodex-Organizer voller Kontakte, aber ohne einen einzigen richtigen Freund. Alle starben mit bitterem Bedauern. Alle.
Im Gegensatz dazu ist mir noch niemand begegnet, der erfolgreich Beziehungen knüpfte – gute Freundschaften pflegte, sich hingebungsvoll seiner Familie widmete, Zuneigung gab und empfing –, aber ein schlechtes Leben führte.
Egal, wie wenig Geld wir haben, egal, welchen Rang wir auf irgendeiner beruflichen Erfolgsleiter einnehmen – am Ende entdeckt doch jeder, dass Menschen das einzig Wichtige sind. Menschen, die sich in Beziehungen investieren – die Freunde haben, mit denen sie lachen und weinen, lernen und streiten, tanzen und leben, lieben und mit denen sie alt...