Um die friedliche Nutzung der Kernenergie als eine Option für die zukünftige Energieversorgung aufrecht zu erhalten, bedarf es einer deutlichen Steigerung der Sicherheitseigenschaften kerntechnischer Anlagen. Katastrophale Kernschmelzunfälle müssen entweder ausgeschlossen werden oder, falls dies nicht möglich ist, ihre Auswirkungen auf die Anlage selbst beschränkt bleiben.
Dies bedeutet, dass die vier Stabilitätskriterien der Reaktorsicherheit zu jedem Zeitpunkt und in jedem Anlagenzustand erfüllt sein müssen. Dabei stellt die langfristige Nachwärmeabfuhr nach einem extremen Störfall ein zentrales Problem dar. Aus diesem Grund kommen in der Kerntechnik vermehrt passive Anlagenkonzepte zum Einsatz, die die langfristige Nachwärmeabfuhr durch selbsttätig wirkende Mechanismen wie Wärmeleitung, Wärmestrahlung und Naturkonvektion sicherstellen, so dass auf die Verwendung aktiver Systeme, die immer eine potenzielle Ausfallwahrscheinlichkeit besitzen, verzichtet werden kann.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Konzept für einen modifizierten Druckwasserreaktor vorgestellt, das gegenüber konventionellen Systemen deutlich verbesserte Sicherheitseigenschaften aufweist. Die wesentliche Änderungen bestehen zum einen in einem innovativen Brennelementkonzept, bei dem der Urandioxid-Brennstoff mit drucklos gesintertem Siliziumcarbid (SSiC) gekapselt wird, und zum anderen in der Bleiverfüllung des Reaktorcores im Falle eines extremen Störfalles, wodurch die Nachwärmeabfuhr deutlich verbessert werden kann.
Die Schwerpunkte der Untersuchungen lagen in dem Nachweis der chemischen und mechanischen Stabilität des vorgestellten Brennelementkonzeptes. Zu diesem Zweck wurde in dem experimentellen Teil der Arbeit zunächst die bei Henkel beschriebene Hochtemperaturfügetechnik für die SSiC dahingehend optimiert, dass eine Kapselung des UO2 in reproduzierbar hoher Qualität erreicht wurde. Bei diesem Verfahren werden die Fügeflächen der SSiC-Formkörper mit einer hochkohlenstoffhaltigen Zwischenschicht versehen und anschließend aufeinander positioniert. Um die Fügezone herum wird eine Siliziumspendermasse appliziert. In dem darauf folgendem Hochtemperaturprozess diffundiert das Silizium in die Fügezone und es erfolgt eine Reaktivsilizierung der Zwischenschicht. Durch Variation der Haupteinflussparameter Temperatur, Haltezeit, Zusammensetzung des Kohlenstoffschlickers und Zusammensetzung der Siliziumspendermasse konnten mit dieser Technik Werkstoffverbunde in reproduzierbar hoher Qualität hergestellt werden. Bei einer Temperatur von 1650°C und einer Haltezeit von 15 Minuten konnte anhand von Querschliffanalysen eine weitgehend porenfreie Fügezone nachgewiesen werden, die einen maximalen Anteil an freiem Silizium von 5% besitzt. Die mechanische Festigkeit wurde in 4-Punkt-Biegeversuchen mit 389 MPa bei einem Weibull-Modul von 6,5 bestimmt.
Mit den optimierten Versuchsparametern wurden mehrere Chargen von SSiC- Kapseln mit innen liegenden Graphit- und/oder UO2-Pellets gefügt und auf ihr Verhalten unter reaktortypischen Normalbedingungen und unter Störfallbelastungen hin untersucht.
Bei den Proben, die einer Strahlungsexposition ausgesetzt wurden, die der eines einjährigen Betriebes in einem DWR entspricht, konnte die Gasdichtheit der Kapseln durch Heliumlecktests bestätigt werden. Die Festigkeit verringerte sich um ca. 35% auf 252 MPa bei einem Weibull-Modul von 5. Die Einbußen der mechanischen Kennwerte der SSiC-Kapseln lagen in dem gleichen Bereich wie die der monolithischen Referenzproben.
Zur Beurteilung der chemischen Stabilität des Brennelementes unter Störfallbedingungen wurden SSiC, Zirkalloy und die als Alternative vorgeschlagenen Hüllrohrwerkstoffe Nicrofer 3220 H und Nicrofer 6025 HT Bleischmelzen in einem Temperaturbereich bis 1100°C bei einer maximalen Haltezeit von 5 Stunden ausgesetzt. Unter Luftabschluss war bis zur Maximaltemperatur bei SSiC nur eine äußerst geringe korrosive Schädigung festzustellen. Bei den Nickelbasislegierungen sank die Korrosionsbeständigkeit ab 1000°C deutlich ab.
Für die automatisierte Qualitätskontrolle der gefügten SSiC-Kapseln hat sich die Computertomographie (CT) als zerstörungsfreies Verfahren im Hinblick auf eine Fertigung im industriellen Maßstab als grundsätzlich geeignet erwiesen. Bewusst eingebrachte Defekte konnten eindeutig detektiert werden. Für eine optimale Nut¬zung dieses Verfahrens sollten allerdings spezielle Adaptionen der Gerätetechnik erfolgen, um das Auflösungsvermögen des CT-Verfahrens vollständig nutzten zu können.
FEM-Analysen des Brennelementkonzeptes lieferten Ergebnisse bezüglich der resultierenden Temperaturfelder und den dadurch thermisch induzierten Spannungen. Dabei treten die maximalen Belastungen bei der Verwendung von Nicrofer 6025 HT als Hüllrohrwerkstoff im Heißkanal im bestrahlten Zustand auf. Innerhalb des UO2-Pellets steigen die Temperaturen im stationären Zustand bis auf 1283°C. Die keramische Kapselung unterliegt unter diesen Bedingungen einer Zugspannung von 308 MPa. Dieser Wert entspricht ca. 90% der maximal zulässigen Vergleichsspannung.
Aufgrund der erzielten Ergebnisse kann festgestellt werden, dass das vorgestellte Brennelementkonzept deutlich verbesserte Sicherheitseigenschaften gegenüber den konventionellen Systemen besitzt. Durch die Kapselung des Brennstoffes mit SSiC wird eine sehr korrosionsbeständige Spaltproduktbarriere eingeführt, die höchsten thermischen und mechanischen Belastungen standhält.
Wird das Reaktorcore derart konzipiert, dass die Brennelemente im Störfall komplett durch das eingespeiste Bleigranulat bzw. die entstehende Bleischmelze bedeckt wird und somit ein Sauerstoffabschluss gewährleistet ist, kann die mechanische Stabilität der SSiC-Kapselung deutlich erhöht werden.
Weiterführende Untersuchungen sollten folgende Punkte detaillierter behandeln:
Die verwendeten SSiC-Kapseln können hinsichtlich ihrer Geometrie verbessert werden. Speziell im Bereich des Überganges von der zylindrischen Wandung zur Stirnseite muss die Kapselung derart gestaltet werden, dass die resultierenden thermischen Spannungen gesenkt werden und somit eine höhere Sicherheit gegenüber mechanischem Versagen der Keramik erzielt wird.
Die Substitution der metallischen Hüllrohrwerkstoffe durch SSiC sollte eingehender untersucht werden. Da SSiC sehr korrosionsbeständig gegenüber Wasserdampf ist, könnte durch seinen Einsatz die Gefahr der Wasserstoffbildung im Containment während eines Störfalles und somit die Möglichkeit einer Deflagration deutlich gesenkt werden.
Abschließend muss noch eine Bewertung des Konzeptes bezüglich der Endlagerung der abgebrannten Brennelemente erfolgen. Obwohl SSiC eine hervorragende Beständigkeit gegenüber Säuren und Laugen besitzt, sind Experimente bezüglich des Langzeitverhaltens von SSiC unter den chemischen Bedingungen einer Endlagerstätte notwendig.
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