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E-Book

Kinder- und Jugendliteratur über den Holocaust

Didaktische Aufbereitungsmöglichkeiten in der Grundschule

AutorJulia Bleffert
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl60 Seiten
ISBN9783656270591
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Didaktik - Germanistik, Note: 1,7, Technische Universität Dortmund, Sprache: Deutsch, Abstract: Gegenstand dieser Bachelorarbeit ist die Thematisierung des Holocausts in der Kinder- und Jugendliteratur (KJL) und dessen didaktische Aufbereitungspotentiale für die Grundschule. Kaum eine andere Materie bewegt und beschäftigt bis heute die deutsche Gesellschaft ähnlich intensiv wie die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes unter der Führung von Adolf Hitler. Aufklärung, Dialog und Diskussion sind bis heute unbedingt notwendig, um die Geschehnisse der einschneidenden deutschen Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Schule trägt als bedeutende Instanz der kindlichen Sozialisation maßgebliche Verantwortung bei der Vermittlung von demokratischen Werten und Normen. Schon lange gehört die Thematisierung des Dritten Reichs zum curricularen Unterrichtsstoff. Im Bereich der Primarstufe sparen die Lehrpläne benannte Inhalte jedoch stark aus. In der Grundschule findet der Holocaust in diesem Zusammenhang keine Erwähnung (vgl. Lehrplan 2008). Zurückgeführt wird dies auf scheinbar mangelhafte kognitive Fähigkeiten von Grundschülern sowie auf die unzureichenden Möglichkeiten einer kindgerechten Darstellung. Neben der generellen Verwendung des Themas in der Grundschule stehen auch Werke der KJL im Mittelpunkt einer kontroversen Diskussion in Bezug auf deren Verwendbarkeit, Angemessenheit und Adaption.

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Leseprobe

2. Analyse eine ausgewählten Beispiels: Ich bin ein Stern

 

2.1 Inhaltliche Einordnung

 

Die autobiographische Erzählung ‚Ich bin ein Stern‘ von Inge Auerbacher erzählt aus dem Leben eines jüdischen Mädchens und skizziert die Leidensgeschichte ihrer Familie im zweiten Weltkrieg von der Reichskristallnacht bis hin zu der Befreiung durch die Alliierten.

 

Zu Beginn der Erzählung steht das Gedicht ‚Ich bin ein Stern‘, welches aus Kindersicht den Stolz, trotz Ausgrenzung einen jüdischen Stern zu tragen, widergibt. Auch die Puppe Marlene findet am Anfang der Erzählung eine besondere Erwähnung, hier wird der Halt, den ihr die Puppe im Laufe der nationalsozialistischen Verbrechenszeit gegeben hat, mit Wärme beschrieben.

 

Das Buch ist in vier Kapitel untergliedert und richtet sich durch die überschaubare Größe sowie die erklärenden Fußnoten insbesondere an junge Leser, die sich zum ersten Mal diesem Teil der deutschen Geschichte widmen. Im ersten Kapitel ‚Die Anfänge‘ wird die Leserschaft in die damaligen Lebensverhältnisse der Inge Auerbacher eingeführt, die frühesten Erinnerungen über die Zeit vor dem Krieg im Heimatort Kippenheim (Baden-Württemberg), etwa die jüdischen Gebräuche und Feiertage, das gemeinsame Gemeindeleben der Christen und Juden, die Herkunft des eigenen Hauses, aber auch die Verwundung des Vaters im ersten Weltkrieg werden dem Leser geschildert (S.9-20). Im zweiten Kapitel ‚Meine Geschichte‘ beschreibt die Autorin neben den glücklichen Erinnerungen an die Kindheit ferner die allmählich bedrohende Verfolgung der Juden. Während Inges Vater und Großvater plötzlich verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau deportiert werden, ist das Mädchen Inge mit ihrer Mutter den gewalttätigen Ereignissen der Reichkristallnacht, den Ängsten und den täglich mehr einschränkenden Gesetzesbestimmungen ausgesetzt. Nach einigen Wochen kehrt der Vater mit den bald darauf sterbenden Großvater zurück. Die Familie sieht sich gezwungen, in das Haus der Großeltern nach Jebenhausen zu ziehen, nachdem eine Flucht ins Ausland nicht mehr möglich erscheint. Die Großmutter wird kurz darauf nach Riga (Lettland) deportiert, aufgrund der Kriegsdienste des Vaters im 1. Weltkrieg kann sich die restliche Familie einer Zwangsverlagerung entziehen. Bald darauf müssen auch Inge mit ihren Eltern Jebenhausen verlassen. Sie werden in einem der ‚Judenhäuser‘ in Göppingen einquartiert, wo sie bereits die Folgen des Kriegsbeginnes erreichen. Daran anschließend werden die Ereignisse beim Abtransport in das Konzentrationslager Theresienstadt  geschildert (S.21-41). Das dritte Kapitel ‚Ein Ort der Finsternis‘ ist von den unmenschlichen Ereignissen im Konzentrationslager der Tschechoslowakei bestimmt. So schildert die siebenjährige Inge entsetzliche Schicksale anderer Kinder, die katastrophalen Lebensbedingungen im Lager, die Gefangenschaft, Krankheiten, Hunger, Tod und die Angst, in die Vernichtungslager Richtung Osten deportiert zu werden.  Die Todesrate war aufgrund der Unterernährung und der mangelnden Hygiene im Konzentrationslager sehr hoch. Der tagtägliche Kampf um eine Ration Essen und die damit verbundenen Risiken, die Inges Eltern bei dem Diebstahl und dem Verstecken einiger Lebensmittel eingingen, kennzeichneten das Lagerleben. Trost in dieser unmenschlichen Umgebung findet Inge in den Spielen mit anderen Kindern und in ihrer Puppe Marlene, die sie schon ihr ganzes Leben lang begleitet hat. Doch bald wird auch Inges beste Freundin Ruth mit ihrer Familie in den Osten zwangsausgewiesen, die Massentötungen in den Gaskammern von Auschwitz bestimmen Inges Gedankenwelt (S.42-77). Das vierte Kapitel ‚Die Befreiung‘ erzählt von den letzten Tagen im Konzentrationslager Theresienstadt. Im Mai 1945 werden die verbliebenden Menschen im Lager von den Alliierten befreit, den Überlebenden wird schmerzlich bewusst, in welch grausamer Gefangenschaft sie so lange verharren mussten. Eine nachfolgende Typhusepidemie, die schmerzliche Erkenntnis, dass keiner der Verwandten überlebt hat und das Stillschweigen der Gesellschaft über die vergangenen Naziverbrechen prägen die Zeit nach der Befreiung. Inge und ihre Eltern wanderten im Jahre 1946 nach Amerika aus, um dort einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen (S.78-91).

 

Im Anhang befindet sich eine Zeittafel der ‚Verfolgung der Juden 1933-1945‘, um den jungen Leser eine temporäre Einordnung der historischen Ereignisse zu gewährleisten. Gesondert wird zudem eine Karte der größten Konzentrationslager bereitgestellt, hier sind geschätzte Zahlen der zwischen 1939 und 1945 ermordeten Juden veröffentlicht (S.92-99).

 

2.2 Analytischer Teil

 

2.2.1 Analyse des ‚Was‘

 

Der Beginn der autobiographischen Erzählung von Inge Auerbacher hebt sich hervor. Zunächst beginnt das Buch mit dem Gedicht ‚Ich bin ein Stern‘, welches aus der Perspektive eines jüdischen Mädchens verfasst worden ist. Die Leserschaft wird in eine gegensätzliche Welt (Stolz vs. Ausgrenzung) in Form eines lyrischen Werkes eingeführt. Diese ersten Assoziationen können dann beim weiterführenden Lesen aufgefangen werden, um den gleichnamigen Buchtitel eine Bedeutung für die ganze Lebensgeschichte der Inge Auerbacher beizumessen. Das „Zeichen der Schande“ (S.32) wird in diesem Gedicht zu einem besonderen Gegenstand umgewandelt, der als stolzes Gottesgeschenk betrachtet werden kann. Partikulär vor dem ersten Kapitel schließt sich eine Danksagung an ihre Puppe Marlene an, die dem Mädchen in den dunklen Zeiten des Nationalsozialismus Schutz bot und mit ihr die Ängste, die Gewalt und die Gefangenschaft gemeinsam durch litt. Beginnend mit dem ersten Kapitel wird dem Leser dann eine Art Einstieg in die damaligen Lebensverhältnisse geboten. Ungewöhnlich ist hier die Vorwegnahme der zukünftigen Ereignisse, denn die Erzählerin berichtet bereits auf der ersten Seite, dass sie mit sieben Jahren zusammen mit ihren Eltern in ein Konzentrationslager in der Tschechoslowakei deportiert wurde und dass diese Ereignisse sie bis heute traumatisiert haben. Erst danach wird die Leserschaft in die vollständige (Vor-) Geschichte des Mädchens eingeführt.

 

Inge und ihre Familie sind die zentralen Figuren in der Erzählung, besonders die Eltern von Inge erleben die nationalsozialistische Zeit von Anfang bis zum Ende mit. Das Mädchen selbst ist ein sehr aufgewecktes, sympathisches und lebendiges Kind, welches sich vor allem durch seine starke Familienverbundenheit und seine normalen kindlichen Anliegen auszeichnet. Selbst während der Zeit im Konzentrationslager verliert Inge ihre kindlichen Eigenschaften nicht, sie versucht durch Spiele und Phantasie das Lagerleben erträglicher erscheinen zu lassen („Wir hatten nur wenige Spielsachen im Lager […] Wir erfanden unsere eigenen Spiele und mussten uns dabei auf unsere Phantasie verlassen“ (Auerbacher 2010, 49f.). Jedoch wird besonders am Ende gegenständlich, wie sehr ihre Kindheit unter den damaligen Bedingungen gelitten hat. „Ich hatte nur einen Wunsch: Ich wollte einen neuen Puppenwagen, obwohl ich dafür eigentlich schon zu alt war“ (Auerbacher 2010, 89). Inge will hier nach der Befreiung ihre verlorene Kindheit nachholen. Im Buch wird immer wieder deutlich, welches Elend vor allem die (jüdischen) Kinder im Nationalsozialismus erleiden mussten. Inge beschreibt prägnant ihre eigenen kindlichen inneren Figurenzüge, die sich oftmals durch die einfache Beschreibung der Abläufe herausstellen. Beispielsweise das erschütternde Ereignis, bei dem ein Mann im Konzentrationslager Inge eine Schachtel gibt, in welcher dieser Dinge aufbewahrt, die Menschen an ihn erinnern sollten (S.74). Das Mädchen reagiert überrascht und neugierig, erst der erwachsenen Inge wird die Bedeutung dieses Momentes begreiflich.

 

Die Rolle der Familie nimmt indessen eine gesonderte Stellung ein. Sie repräsentiert einen Ort der Obhut und der Sicherheit. Auch in Inge Auerbachers Erzählung stellt die Familie (Eltern und Großeltern) eine wichtige Schutzfunktion im Leben des jungen Mädchens dar. Dies generiert Empathie bei der Leserschaft. Die Schutzrolle der Mutter und der Großmutter wird besonders in der Reichskristallnacht deutlich, in der Inge mit den beiden im Nebengebäude Sicherheit sucht. Auch zum Zeitpunkt der Befreiung in Theresienstadt, in der deutsche Nationalsozialisten mit Handgranaten versuchen, noch einige Lagerinsassen in den Tod zu reißen, wird die große Bedeutung der Eltern spürbar. „Eine Handgranate flog an mir vorbei, die mich nur knapp verfehlte. […] Dann rannte ich schnell zu meinen Eltern. Papa sagte, wir müssen irgendwo Schutz suchen“ (Auerbacher 2010, 81). Dabei wird im Buch besonders der Widerspruch der Schutzfunktion der Erwachsenen und dem Dilemma, dass diese selbst Momente der Angst und Furcht durchleben, deutlich. „Angst und Trauer erfassten die verzweifelten Frauen [hier die Mutter und die Großmutter]. […] Das Kind soll solche Sachen nicht hören“ (Auerbacher 2010, 24f.). Inges Kindheitserinnerungen sind geprägt von den jüdischen Feierlichkeiten mit ihrer Familie, die immer mit viel Mitgefühl und Wärme beschrieben werden. Der Nationalsozialismus zerstört immer mehr Teile dieser fürsorglichen Familienstruktur. Erst der Tod des geliebten Großvaters, dann die Deportation der Großmutter und die einhergehende Ungewissheit, sie jemals lebend wiederzusehen,...

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