„Männer verändern sich in ihrem Leben, sowohl persönlich wie beruflich. Sie stellen ihre Rolle in Frage, bewerten ihre Karriereziele und Träume anders, verändern ihre Lebensstile und definieren ihre persönlichen Beziehungen neu.“[31]
Dies Kapitel wendet sich den Männern als Zielgruppe der religionspädagogischen Arbeit zu. Wie bereits erwähnt ist die Definition des Begriffes „Mann“ schwierig, weil man zum einen den Begriff „Mann“ nicht ohne sein weibliches Gegenstück betrachten kann und die Rolle des Mannes je nach Lebenswelt auch sehr differenziert sein kann. Während es noch einfach ist, rein biologisch „männlich“ zu definieren, ist eine Definition vom „Mann sein“ deutlich vielseitiger. Schon eine historische Betrachtung des Männlichkeitsbegriffes zeigt, dass sich das Mannsbild in seinem Anforderungsprofil und in der gesellschaftlichen Funktion sehr gewandelt hat.[32] Der Mann ist auch deswegen als Zielgruppe schwer greifbar, da er nicht einem speziellen Milieu oder einer bestimmten Schicht angehört, sondern in allen gesellschaftlichen Gruppen anzutreffen ist.
Aus diesem Grund will ich versuchen, den Mann im Allgemeinen zu betrachten und ihn nicht zu „milieurisieren“, weil ich glaube, dass sich innerhalb einer Männergruppe Männer aller Milieus miteinander beschäftigen können und dass das Merkmal der Herkunft nicht herausragend wichtig ist. Zudem sind die Milieus der Studie von Vögele, Vester und Bremen auf Menschen im kirchlichen Leben abgestimmt,[33] m.E. sollte Männerarbeit aber durchaus auch die Männer, die noch nicht im kirchlichen Leben stehen, als Zielgruppe mit einbeziehen bzw. sogar besonders fokussieren. Zudem zeigt die Milieu-Studie große Unschärfen in der Trennung der Gruppen auf, hier halte ich die Zulehner und Volz Studie für präziser und für mein Thema zutreffender.
In der später noch ausführlich beschriebenen Studie von Zulehner und Volz wird der Mann typisiert.[34] Hierbei werden die Begriffe des „neuen Mannes“ und des „traditionellen Mannes“, einer Mischform beider und des „unsicheren Mannes“ geprägt. Diese Bilder sind brauchbar, aber eine Verallgemeinerung ist auch hier schwierig, weil sie zum einen von der jeweiligen Lebensphase des Mannes abhängig ist und es unklar ist, ob die Typisierung in bestimmten Lebensaspekten und –phasen unterschiedlich sein kann.[35] Zum anderen führt eine voreilige Typisierung eventuell zu einer Stigmatisierung der teilnehmenden Personen. Die Studie ist trotzdem geeignet für meine Arbeit, da sie die Facetten des Mannseins aufzeigt und diese anschaulich beschreibt, insbesondere wenn man sich der vorher genannten Kritik bewusst ist und diese in die Verarbeitung der Daten einfließen lässt.
Ein Mann sollte authentisch, selbstbewusst und einfühlsam sein. Authentisch sein bedeutet, dass Reden, Handeln und Fühlen übereinstimmen. Gerade das Wahrnehmen der eigenen Gefühle und mit Gefühlen umzugehen fällt Männern oft schwer. Dieses Verhalten ist unter bestimmten Männern verpönt und wird als weiblich postuliert. Allerdings ist gerade das Umgehen mit Gefühlen wichtig für eine ausgewogene Psyche des Menschen. Hier gibt es einen großen Nachholbedarf bei Männern aller Altersklassen. Dies sollte auch ein Thema für die Männerarbeit sein. Selbstbewusst sein bedeutet nicht besser sein zu wollen als die anderen oder einfach Stärke und Macht zu demonstrieren. Selbstbewusstsein äußert sich in einem Mensch mit Rückgrat, der Positionen und Standpunkte verantwortlich im Austausch mit seinem Umfeld vertritt. Die Voraussetzungen für die Bildung einer selbstbewussten männlichen Identität sind:[36]
a) Der Loslösungsprozess von der Mutter muss gelingen.[37]
b) Männliche Vorbilder und Identifikationsobjekte müssen vorhanden sein.
c) Die Gesellschaft muss männliche Entwicklungsmöglichkeiten tolerieren.
Einfühlsam sein bedeutet trotz einer selbstbewussten Grundhaltung seine Partnerin, Familie, die Menschen im Umfeld und seine Umwelt wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Darunter fällt u.a. auch so etwas wie Teamfähigkeit. Dies sind Anforderungen und Herausforderungen für Männer, bei denen die Grundsteine wesentlich in ihrer Sozialisation gelegt werden.[38]
Die Zielgruppe für die Ev. Männerarbeit sind männliche Erwachsene, zum Teil auch junge Erwachsene. Diese jungen Erwachsenen befinden sich religionspsychologisch im Stadium des individuell-reflektierenden Glaubens.[39] Dieser ist durchsetzt von Zweifeln und kritischer Reflexion. Der Glaube spielt für den jungen Erwachsenen bei seiner Positionierung im Leben häufig eine untergeordnete Rolle.
Meist im mittleren Lebensabschnitt oder später gehen Glaube und gelebter Alltag eine Verbindung ein, dieses Stadium liegt in der Regel in der Zeit der eigenen Familienbildung. Mit den Mitmenschen wird dann in der Regel toleranter umgegangen, und die Schwierigkeiten des Alltags meistert man häufig gelassener. Dabei ist man auf der Suche nach Wahrheit und Sinn. In seltenen Fällen bildet sich ein universaler Glaube heraus (wie z.B. bei: Gandhi, Mutter Teresa). Eine dichte und andauernde Gottesbeziehung kann entstehen, aus der sich heraus ein gelebtes Engagement für andere entwickelt.[40]
Die Kritik an Fowlers Modell reicht von zu starken Pauschalisierungen bis zur geringen Nachweisbarkeit der Erkenntnisse außerhalb seiner Untersuchung, ebenso seine Orientierung an den Glaubensbekenntnissen der Altersgruppen.[41]
Die Kultur der Männer bewegt sich in den letzten Jahrzehnten sehr, Männer erkennen die „weiche“ Männlichkeit.[42] Dieser Prozess birgt Chancen und Gefahren in sich. Die Gefahr der „Nivellierung der Geschlechter“[43], als auch die, dass bei verschwindenden Grenzen bzw. Unterschieden zwischen Mann und Frau die geschlechtliche Bedürfnislage nicht mehr erkannt werden kann und ein Geschlechterdiskurs aufgrund der unscharfen Konturen sich verkompliziert. Diese Entwicklung ist abzuwarten, m.E. ist diese Tendenz nicht zukunftsträchtig, da sich beide Geschlechter auch ein klares Gegenüber wünschen und zum gemeinsamen Dialog benötigen.
Da es weniger gesichertes und allgemeinverbindliches Wissen über die Religiosität von Männern gibt als über Erwachsene im Allgemeinen, will ich durch F. Schweitzer drei bezeichnende Anhaltspunkte der Religiosität Erwachsener beschreiben.[44]
Zunächst die Distanz zur Kirche bis hin zur Entkirchlichung.[45] „Auch wenn die meisten Erwachsenen ihren eigenen Angaben zufolge an Gott glauben, verbinden sie ihren persönlichen Glauben nicht mit dem der Kirche.“[46]
Daraus ist zu schließen, dass die Verbindlichkeiten gegenüber bestimmten Institutionen (so auch gegenüber der Kirche) rückläufig sind. Religiöse Orientierungen sind inzwischen nicht mehr eine Frage des Entwicklungsalters, sondern sind zu jederzeit möglich. „Religiöse Bindungen stellen kein auf Dauer angelegtes Merkmal mehr dar, von dem die Identität eines Erwachsenen abhängig ist. Stattdessen gehen viele Erwachsene mehr oder weniger aktiv der Suche nach Sinn in ihrem Leben nach.“[47] Religiosität Erwachsener individualisiert und privatisiert sich, sie ist nicht mehr vornehmlich an den beiden großen Kirchen orientiert und bezieht sich auf eine zum Teil schnelllebige und wandelbare Kultur religiöser Pluralität aus allen Ländern der Welt.
Als Ausgangspunkt dieser Suche dient die persönliche Lebensgeschichte des Erwachsenen. Besonders an Wende- und Krisenpunkten werden religiöse Fragen bedeutsam. „Wie finde ich ein sinnvolles Leben? Ergeben die verschiedenen Segmente meines Lebenszyklus ein zusammenhängendes Ganzes? Was wird aus mir nach dem Tod? Solche Fragen scheinen den Prozess der spirituellen Suche im Erwachsenenalter in Gang zu halten.“[48]
Die religiöse Suche der Erwachsenen nach Sinn ist nicht speziell auf die Suche nach Gott geeicht. Die Frage nach Gott kann allerdings als Thema religionspädagogischer Bildungsarbeit die religiöse Suche aufnehmen und die Suchbewegung aus der bloßen Innerlichkeit des individualisierten Glaubens herausführen. Wie bereits in der Definierung des Begriffs Sinn erwähnt, ist hier die Begleitung auf der Sinnsuche und das Anbieten von Symbolen wichtiger als das einfache Zeigen von Lösungsmöglichkeiten. Indem die Frage nach Gott öffentlich gemacht wird, bieten sich der individuellen Religiosität Erwachsener Bezugspunkte, und der Verlauf subjektiver Glaubensentwicklung kann an Gestalt gewinnen. Indem in Geschichten und Gedichten der Bibel die Alltagswirklichkeit gedeutet wird, können sich Erwachsene in verfremdeter Art in Beziehung zur eigenen Lebenssituation und Lebensgeschichte setzen. Sie werden auf das emotionale Erleben angesprochen und können...