3. Besiedlung durch Bantu-Völker
Schriftliche Quellen fehlen, die etwas über die Frühgeschichte der südlichen Bantu – denn um diese Untergruppierung geht es im Falle Südafrikas – aussagen könnten. Linguisten, Anthropologen und Archäologen müssen folglich kooperieren, wenn halbwegs verlässliche Aussagen über Herkunft und erstes Auftreten der Bantu im Subkontinent formuliert werden sollen.
Vieles liegt auch heute noch im Dunkeln, über manchem lichtet sich der Schleier der Unkenntnis. Südafrikanische Forschung über die Frühgeschichte der Schwarzen im Lande war immer eminent politisch, insbesondere jedoch nach 1948. Denn die Apartheidapologeten vertraten mit Starrsinn die politisch durchsichtige Behauptung, Weiße und Schwarze seien seit dem 17. Jahrhundert nahezu gleichzeitig, jedoch von verschiedenen Richtungen, ins Innere Südafrikas vorgedrungen: die Europäer von Süden via Kap der Guten Hoffnung, die Schwarzen von Norden her über den Grenzfluss Limpopo. Demnach hätten die Weißen den Schwarzen niemals Land geraubt, etwa im Gegensatz zur Vorgehensweise der weißen Pioniere im Amerika der Indianer.
Vor allem auf Grund linguistischer Forschungen wird die „Urheimat“ aller Bantu-Völker ungefähr im Gebiet des heutigen Kamerun vermutet. Noch Jahrhunderte vor Christi Geburt bewegten sich aus ungeklärten Gründen Teile dieser Bantu-Gemeinschaft Westafrikas in Richtung Süden. Dabei lässt sich zum einen eine mehr östlich-südöstliche Richtung identifizieren, die ihren Weg zunächst in den Raum der Großen Seen Zentralafrikas und sodann weiter südlich bis in das heutige Simbabwe nahm. Zum anderen erfolgte eine Wanderungsbewegung direkt südwärts quer durch die Regenwälder des Kongobeckens sowie Katangas und weiter über das heutige Angola bis an die Ufer des Limpopo, der die natürliche Nordgrenze Südafrikas bildet. Beide Wanderungsbewegungen vollzogen sich schubweise, über einen Zeitraum mehrerer Jahrhunderte.
Die frühen Völker der südlichen Bantu, die wahrscheinlich noch Dialekte ein und derselben Sprache benutzten, siedelten in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten im nördlichen Südafrika. Sie betraten das Land also zu einer Zeit, als das Römische Reich in Europa unter dem Ansturm der Völkerwanderung zerbrach und die Ankunft der Weißen an der Südspitze Afrikas noch über 1.000 Jahre auf sich warten ließ.
Diese Bantu werden der älteren Eisenzeit zugerechnet, einer Epoche, die sich im südlichen Afrika etwa von 250 bis 1100 n. Chr. erstreckte. Archäologen haben im nördlichen und nordöstlichen Südafrika rund 600 Schmelzstätten für Eisen- und Kupfererz entdeckt, die im Allgemeinen den ersten Bantu zugeordnet werden. Töpferware aus der Zeit um 450 n. Chr. fand man im Gebirgszug des Soutpansbergs im äußersten Norden des Landes, bizarr anmutende Kopfskulpturen aus Ton wurden nahe Lydenburg in der östlichen Provinz Mpumalanga von einem Schuljungen entdeckt. Ihre Datierung fällt auf etwa 500 n. Chr. So gut wie nichts ist über die Schöpfer dieser Kunstwerke bekannt, außer dass sie den Bantu zugerechnet werden können, in bescheidenem Umfang Tiere hielten und primitive Landwirtschaft betrieben.
Während der gesamten frühen Eisenzeit, also etwa im ersten Jahrtausend ihrer Existenz auf südafrikanischem Boden, verblieben diese Bantu in den Savannen des trocken-heißen Buschlands im nördlichen Südafrika, dort, wo Malaria und die Tse-Tse-Fliege der Rinderzucht enge Grenzen setzten.
Eine Gruppe indes gelangte bereits weiter südostwärts, entlang der Gebirgskette der Drakensberge in das Gebiet des heutigen KwaZulu-Natal am Indischen Ozean und schließlich sogar bis in die Region der Provinz Eastern Cape. Diese frühen Vertreter der so genannten Nguni-Sprachfamilie entwickelten allmählich die Rinderzucht, und es verwundert nicht, dass in den Stämmen der Nguni bis heute das Vieh eine herausragende wirtschaftliche und soziale Bedeutung besitzt. Vor allem die südlichen Nguni vermischten sich auch mit den Khoisan, was sich ebenfalls bis heute in einigen Klick-Lauten ihrer Sprachen zeigt.
Eine weitere Gruppe der frühen Bantu im südlichen Afrika wandte sich ostwärts in die Region des südlichen Mosambik am Indischen Ozean. Sie, die Tsonga, widmeten sich nicht der Viehzucht, da die Tse-Tse-Fliege dies in diesen Gebieten unmöglich machte. Statt dessen passten sie sich ihren Umweltbedingungen in der Weise an, dass sie sich zur einzigen Fisch essenden und Boote bauenden Gruppierung auf dem Subkontinent entwickelten.
Eine dritte Gruppe bildeten jene Bantu, die später als Angehörige der Sotho-Sprachfamilie identifiziert wurden. Sie verblieben in den Savannen des nördlichen Südafrikas, betrieben in bescheidenem – wegen der Tse-Tse-Plage – Umfang Viehzucht und wandten sich vor allem dem früheisenzeitlichen Bergbau und der Metallproduktion zu. Dies verschaffte ihnen eine bedeutende handelspolitische Position. Gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrtausends siedelten sich die Sotho an den Hängen der Drakensberge an; dabei lernten sie, sich den winterlichen Witterungsverhältnissen anzupassen und, in Ermangelung von Bauholz, Steinhäuser zu errichten.
Schließlich drangen Shona im 14. und 15. Jahrhundert aus dem heutigen Zimbabwe über den Limpopo südwärts vor und dominierten alsbald die dort ansässigen Sotho. Aus der Vermischung von Shona mit den Sotho ging das Volk der Venda hervor, das noch heute im Nordosten Südafrikas beheimatet ist.
Etwa zwischen 1100 und 1400 n. Chr. begann allmählich die Trennung der ursprünglich einheitlichen südlichen Bantu-Bevölkerung in vier linguistisch unterschiedene Hauptgruppen, denen jeweils einige Untergruppen zugeordnet werden können. Anders als die Apartheidtheoretiker des 20. Jahrhunderts argumentierten, die nicht müde wurden, nach dem Prinzip „teile und herrsche“ die zweifellos vorhandenen Unterschiede zwischen diesen Gruppen zu betonen, sei hier nachdrücklich darauf hingewiesen, dass etwa in sprachlicher Hinsicht die Gemeinsamkeiten zwischen den vier Hauptgruppen eindeutig überwiegen. Nach van Warmelo und David Hammond-Tooke lassen sich Haupt- und Untergruppen folgendermaßen darstellen:[1]
Untergruppe Aa | North Nguni |
| dazu: Zulu, Swazi, Ndebele |
Untergruppe Aaa | South Nguni |
| dazu „eigentliche Kapstämme“: Xhosa,Thembu, Mpondo, Mpondomise usw. |
| ferner „späte Zuwanderer“: Bhaca, Mfengu |
Untergruppe Bb | Western Sotho (Tswana) |
| dazu: Kgatla, Ngwato, Thlaping, Hurutse usw. |
Untergruppe Bbb | North Sotho |
| dazu: Pedi, Lovedu, Kgaga usw. |
Untergruppe Bbbb | South Sotho |
Untergruppe Cc | Mphepu, Tshivase, Mphaphuli usw. |
Untergruppe Dd | Nhlanganu, Nkuna, Tshangana usw. |
Die einzelnen Bantu-Völker erbrachten im Laufe ihrer Jahrhunderte langen Entwicklung eine enorme Anpassungsleistung, die es per se verbietet, von ihnen als primitiven Völkern zu sprechen. Sie erfolgte dabei im Wesentlichen auf Grund unterschiedlicher klimatischer und allgemein ökologischer Bedingungen, die – sehr vereinfacht formuliert – eine Ost/West-Unterscheidung nahe legen. Demnach gehörten die Nguni und Tsonga zur östlichen, Weidewirtschaft gestattenden Küstenregion unmittelbar am und im Hinterland des Indischen Ozeans.
Hingegen sahen sich Sotho und Venda auf die eher trockenen Plateauregionen des nördlichen Binnenlandes, des so genannten Highveld, verwiesen. Beide Regionen mit ihren zugehörigen Boden- und Vegetationscharakteristika brachten eigene Kulturen hervor, die mit ihren Hauptmerkmalen im Folgenden knapp skizziert werden sollen.[2]
Die wichtigste Auswirkung betraf unterschiedliche Siedlungsmuster. Während die fruchtbaren und vergleichsweise gut bewässerten Landstriche des litoralen „Ostens“ den dort lebenden Nguni- und Tsonga-Stämmen eine dezentralisierte und aufgelockerte Siedlungsweise ermöglichten, führten die eher kargen Böden des Highveld tendenziell zu einer konzentrierten Siedlungsstruktur unter Sotho und Tswana, die auch so etwas wie kleine Hauptstädte hervorbrachte. Politisch bedeutete das höhere Maß an Konzentration, dass die Häuptlinge hier eine effektivere Kontrolle über ihre Untertanen ausübten, die Herrschaft insgesamt vergleichsweise autokratisch erfolgte.
Umgekehrt entwickelte sich der Prozess der politischen Entscheidungsfindung bei den Nguni, insbesondere bei den...