Basiswissen
für Imis
»Mit einer gewissen Befriedigung stellte ich fest, dass Köln eine triste Stadt ist. Es tat gut zu sehen, dass die Deutschen eine Stadt ebenso verpfuschen können wie alle anderen. Köln ist dafür das beste Beispiel.«
Bill Bryson
»Willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands!«
Michael Trippel, Stadionsprecher des 1. FC Köln
Einführung in die Einführung
Wir gratulieren Ihnen zu Ihrer Entscheidung für die Stadt Köln, die bedeutendste Metropole östlich von Pulheim. Wir wollen Ihnen mit diesem Buch helfen, sich die Stadt möglichst schnell zu »erarbeiten«. Es ist aus der Sicht eines verschüchterten, überrumpelten Immigranten geschrieben, der schnell gemerkt hat, dass in Köln bestimmte Bräuche und Gesetzmäßigkeiten vorherrschen, die es so in kaum einer anderen Stadt geben dürfte. Köln ist selbstverständlich mehr als nur »das größte Kaff der Welt« oder die »hässlichste Stadt Deutschlands«, wie der Bund Deutscher Architekten vor ein paar Jahren maßlos untertrieb. Es ist im Grunde sträflicher Leichtsinn, Menschen einfach nach Köln ziehen zu lassen, ohne sie auf die Dinge vorzubereiten, die hier auf sie warten.
Bemerkenswert ist dabei auch, dass den meisten Kölnern überhaupt nicht bewusst ist, in was für einer Ausnahmeerscheinung von Stadt sie leben. Sie sind allerdings in der positiven Einschätzung Kölns von niemandem zu überbieten und besitzen ein sehr gesundes Selbstbewusstsein, das manche Leute– wie zum Beispiel Heinrich Böll – auch schon mal mit »mieser Arroganz« verwechselt haben. Sie sind vom unerschütterlichen Glauben beseelt, dass Köln ganz klar die tollste Stadt der Welt ist, in der die sympathischsten Menschen des Universums leben. Wie sie zu dieser Ansicht gekommen sind, ist uns bisher allerdings noch nicht klar. Alle Kölner sagen es, das haben sie schon als kleine Kinder auswendig gelernt, also muss es wohl stimmen. Aber aufgrund der Tatsache, dass sie ihre geliebte Stadt nur äußerst selten verlassen, haben sie kaum die Möglichkeit, die herrschenden Zustände in Köln mit denen in anderen Städten zu vergleichen. Das führt dann dazu, dass sogar bizarre Entwicklungen wie die Einkaufs- und Verkehrssituation in der City oder die schrittweise Umwandlung der Straßen in eine permanente Mülldeponie als völlig normal angesehen werden.
Dem Neu-Kölner geht es anders. Er kennt zumindest seine vorherige Heimatstadt sehr genau und wird früher oder später anfangen, sich sehr zu wundern. Viele werden stutzig, wenn sie ihr erstes Kölsch trinken und sich fragen, wie man so was als Bier bezeichnen kann und wieso das Gewerbeaufsichtsamt da nicht einschreitet. Andere machen einen Spaziergang durch die Innenstadt und verirren sich in einem unüberschaubaren Straßendschungel. Oder man sagt einen unschuldigen Satz wie »Ich wohne in Holweide« und wird unter Hohngelächter aus der Szenekneipe vertrieben.
Das Wörtchen »Imi« ist Ihnen möglicherweise unbekannt. Es steht durchaus nicht, wie viele vermuten, für »Immigrant«, dann müsste man es ja auch– trotz oder gerade wegen der Reformschreibrichtung – mit zwei m schreiben. Nein, Imi leitet sich ab von dem Wort »imitieren«. Es entstammt der bei eingeborenen Kölnern allgemein vorherrschenden Auffassung, ein nichtgebürtiger Kölner sei gar kein richtiger Kölner. Auch wenn Sie Ihr ganzes Leben in der Stadt verbringen und jeden Pflasterstein mit Vornamen anreden, werden Sie niemals als vollwertiger Mensch anerkannt. Der Autor dieser Zeilen wurde trotz seines jahrelangen Aufenthalts in Köln von der Bild-Zeitung als »Bochumer Autor« bezeichnet, der angeblich »Köln beleidigt«. Dies nur als Hinweis darauf, wie viel Freundlichkeit Sie von den weltoffenen Kölnern erwarten können. Dennoch: Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie es nicht abwarten können, nach Köln zu ziehen.
»Der Kölner ohne Imi ist eine Katastrophe, der ersäuft in seiner heimat-klerikalen Pampe.«
Jürgen Becker
Der Imi als notwendiges Übel
Dem Imi kommt in Köln traditionell eine besondere Bedeutung zu. Zunächst einmal sind die Eingeborenen– so sagte es zum Beispiel mal der Stadtentwicklungsdezernent – eigentlich für keine richtige Arbeit geeignet und für nichts vernünftig ausgebildet. Die schwierigen Arbeiten müssen demnach von Imis erledigt werden. Das hat Tradition, alle nennenswerten Kölner Errungenschaften stammen von Imis: Das »Kölnisch Wasser« wurde nicht von den eher hygieneskeptischen Kölnern erfunden, sondern von einem Italiener namens Giovanni Maria Farina, der angeblich den Gestank der Stadt nicht mehr aushalten konnte. Albertus Magnus, der Gründer der Kölner Universität, war ein Imi aus dem Sauerland. Und sogar das Millowitsch-Theater ist ein Import aus Düsseldorf. Auch polithistorisch ist unser Status fundiert: Wenn nicht die Franzosen 1794 mal so frei gewesen wären, die Stadt ein paar Jahre zu besetzen und für Ordnung zu sorgen, wäre Köln heute nach Ansicht von Historikern »irgendein unbedeutendes, zurückgebliebenes Kaff mit merkwürdig überdimensionaler Kirche«. Es bedurfte der Initiative der französischen Imis, um dem Kölner höflich, aber bestimmt nahezulegen, den Müll doch bitte schön nicht mehr auf die Straße zu schmeißen und zur Krönung noch darauf zu defäkieren. Der Klerus wurde enteignet, Juden durften wieder in die Stadt ziehen, und sogar, halten Sie sich fest, Protestanten! Das ist in etwa so, als würde Andy Möller zu Schalke 04 wechseln: undenkbar! Des Weiteren sorgten die Neuankömmlinge für ein Krankenhaus, den Friedhof Melaten, eine regelmäßige Müllabfuhr, eine gescheite Wasserversorgung und ähnlichen neumodischen Firlefanz. In dieser Tradition steht jeder Imi, ganz egal woher er kommt.
Kommen wir zu einem etwas unappetitlichen Thema: den Mieten. Bisher gab es keine echte Wohnungsnot in Köln, zumindest global betrachtet. Wem es nichts ausmachte, in den Vororten oder gar im Rechtsrheinischen zu wohnen (s. Kapitel »Geografie für Imis«), konnte bisher immer eine Wohnung finden. Aber in den letzten Jahren hat sich die Situation dramatisch verändert: Preiswerter Wohnraum wird in Köln allmählich so knapp wie in München oder auf dem Jupiter. Die CDU fördert nun mal lieber Einfamilienhäuser statt sozialen Wohnungsbau. Im Juli 2004 wachte man dann plötzlich auf und beschloss den Bau von 3800 neuen Wohnungen pro Jahr. Überflüssig zu sagen, dass dieses hehre Ziel nicht erreicht wird, vor allem weil ungefähr die Hälfte der Kölner Bauunternehmer entweder pleite ist oder im Knast hockt. Die Botschaft ist klar: In Köln will man keine armen Leute haben. Und vor allem keine Studenten. Davon gibt es sowieso zu viele. An der Universität zu Köln studieren etwa 45.000 junge Menschen (und ein paar hundert alte Hippies über vierzig). Allein zum Wintersemester kommen jedes Jahr sechstausend neue bildungshungrige Imis nach Köln zum bafögeln. Plätze in Studentenwohnheimen sollten Sie mindestens drei Jahre im Voraus reservieren, am besten bedenken Sie auch gleich Ihre Kinder mit, auch wenn die noch nicht geboren sind.
Die Universität zu Köln war lange Zeit die größte Uni Deutschlands, seit Einführung der Studiengebühren ist dieser Status jedoch äußerst wacklig. Da nutzt es auch nichts, die Studentenzahl zu manipulieren, indem man frech die Zweithörer hinzurechnet. So ähnlich geht die Stadt auch vor, wenn es darum geht, die Einwohnerzahl zu fälschen, um als Millionenstadt durchzugehen. Da das niemanden beeindruckt, versucht die Stadt nun, Studenten zum Ummelden zu nötigen, indem eine Zweitwohnungsteuer in Höhe von zehn Prozent der Kaltmiete erhoben wird. Die Hälfte der Einnahmen geht für die Verwaltung drauf – Sie sehen also, hier geht es nicht um Geld.
Als das Centrum für Hochschulentwicklung ein Ranking der Hochschulen in NRW erstellte, landete die Universität von und zu Köln auf einem hervorragenden allerletzten Platz. Die Fachleute monierten das Fehlen eines Leitbildes und klar definierter Qualitätsziele. Außerdem würden Studenten nicht genug eingebunden, und die Reformfreude entspreche in etwa der des Vatikans im dreizehnten Jahrhundert. Die Uni Bonn hingegen erhielt als Belohnung für gutes Qualitätsmanagement nicht nur fünfzig Prozent mehr Geld aus den Studiengebühren als Köln, sondern zählt laut einer Studie auch zu den besten deutschen Forschungsstätten, ebenso wie Aachen. Es hat zuweilen den Anschein, dass über der Stadt Köln eine Käseglocke aus Ignoranz und Faulheit hängt, während das Umland fröhlich pfeifend neue Gipfel erklimmt. Wenn Sie also grundsätzlich kein Streber sind, ist die Uni Köln wie für Sie gemacht!
Noch ein guter Grund, in Köln zu studieren, besteht in der hohen Moral und dem verantwortungsvollen Sexualverhalten der hiesigen Studenten, zumindest laut einer Erhebung des Playboy-Magazins: Täglichen Sex haben nur 3,4 Prozent der Studenten; bei den Aachenern, diesen triebgesteuerten Säuen, sind es 11,6 Prozent. Noch schlimmer treiben es die durch und durch verkommenen Bochumer, diese wandelnden Aids-Schleudern haben dreimal so oft One-Night-Stands wie die Kölner Studenten, die das stolze Schlusslicht der Sexbesessenen-Tabelle bilden. Außerdem finden nur 1,7 Prozent der Kölner ihre Mitstudenten »sehr attraktiv« (in Mainz: 22,1 Prozent). Sollten Sie also in der Hoffnung nach Köln kommen, Ihre niederen Triebe auszuleben, so sind Sie hier falsch. Kölner Studenten sind gottesfürchtig, sittenstreng und haben starke Handgelenke.
Wobei es möglicherweise auch mehr eine Frage des körperlichen Vermögens ist. Wie eine Erhebung der Kölner Universitätsklinik unter...