2.1.1 Liken, tweeten, posten – Social-Media-Resonanz
Die Digitalisierung hat enorme Auswirkungen auf unsere Kommunikation: Sie findet heute häufig nicht mehr bilateral statt, sondern folgt den Prinzipien: »one-to-many« oder »many-to-many«, wie z. B. in WhatsApp-Gruppen. Dadurch verändern sich die Transparenz der Themen, die Beteiligung am Austausch und häufig auch die Verantwortung.
Menschen stellen zunehmend selbst Inhalte ins Netz (Content, Kommentare, Likes, Dislikes etc.) und vernetzen sich über Social-Media-Plattformen. Dadurch verändert sich die (mediale) Kommunikation insofern, dass Empfänger zugleich auch (potenzielle) Sender werden. Das, was interessiert, und das, was öffentlich diskutiert wird, wird zunehmend weniger durch die Presse oder vom Unternehmen vorgegeben, sondern durch die Resonanz auf Informationen einzelner. Professor Peter Kruse beschreibt in einer Rede im Bundestag die Entwicklung der Kommunikation im Internet wie folgt:10
- Zunächst war das Internet ein Ort, in dem Menschen sich informieren konnten. Zugang zu Informationen war das Ziel.
- Zunehmend ging es dann auch darum, sich darzustellen, Spuren zu hinterlassen.
- Schließlich merkten die Menschen, dass sie durch das Netz mächtig werden können, wenn sie sich zusammenschließen.
Wir haben die Vernetzungsdichte enorm erhöht und immer mehr Menschen sind in diesen Netzwerken aktiv. Professor Peter Kruse nennt nun das, was öffentlich diskutiert wird, »Spontanaktivität und kreisende Erregungen mit Tendenz zur Selbstaufschaukelung«.11
Nicht die Presse, sondern Nutzer von Facebook, Twitter und Co. entscheiden, was augenblicklich interessiert und relevant ist.
Professor Bernhard Pörksen beschreibt diesen Wandel der öffentlichen Kommunikation so: »Wir befinden uns in einem Übergang von der Mediendemokratie alten Typs hin zur Empörungsdemokratie des digitalen Zeitalters.«12
Hier gibt es kaum Möglichkeiten der Vorhersage. Was wir also zunehmend brauchen, ist eine gute Beobachtungsgabe, die Kompetenz, genau hinzuschauen und hinzuhören, und Empathie, um wahrzunehmen, was im Augenblick Resonanz in den Systemen erfährt. Damit erhalten wir starke Kunden, starke Mitarbeiter, starke Bürger. Digitale Medien werden genutzt, um sich auszutauschen, sich zu begeistern und auch, um sich zu warnen, Widerstand zu organisieren und um auf Missstände aufmerksam zu machen. (Das Hashtag #MeToo, das betroffene Frauen ermutigte, auf das Ausmaß sexueller Belästigung und sexueller Übergriffe aufmerksam zu machen, wurde millionenfach verwendet.)
Die sogenannten »Digital Natives« – die Generationen, die mit der modernen Technologie aufgewachsen sind, beeinflussen die Veränderung der Kommunikation enorm.
Für viele der Digital Natives sind soziale Kontakte sehr wichtig, sie sind viel »online« und ständig in Interaktion und Kommunikation mit anderen. Für sie ist es alltäglich zu liken und zu disliken – also häufig Dinge und Aktionen zu bewerten und ihre Bewertung auch (öffentlich) mitzuteilen. Diese Art der Kommunikation unterscheidet sich von der Kommunikation der Vor-Generationen. Doch auch die »Älteren« checken inzwischen häufig mobil ihre Mails, schreiben WhatsApps, shoppen online, nutzen Onlinebanking, surfen auf Onlineplattformen, posten, bloggen und tweeten. Man nennt sie daher »Digital Immigrants«.
Wir erleben, wie unser Privatleben durch die moderne Art der Kommunikation beeinflusst, verändert und teilweise auch vereinfacht wird: Wir können große Dateien verschicken, Rat einholen, Urlaube effizient buchen, Empfehlungen geben und erhalten, zu Kaufentscheidungen beraten werden, uns verabreden, am Leben der anderen teilhaben. Was privat geht, spielt damit auch beruflich zunehmend eine Rolle: Auch hier wollen wir so frei und effizient kommunizieren, Informationen austauschen, Transparenz schaffen, uns beraten etc.
2.1.2 AI und New Work
Artificial Intelligence (AI) wird zunehmend ganze Berufszweige ersetzen. Sowohl die Fragen, welche Arbeit es zukünftig überhaupt noch geben wird und welche Arbeitsplätze durch die fortschreitende Digitalisierung wegfallen werden, als auch die Frage, wie Arbeit zukünftig gestaltet sein wird, sind offen. Letztere wird unter den Schlagworten Arbeit 4.0 und New Work diskutiert.
Das Konzept von New Work wurde ursprünglich von dem Sozialphilosophen Professor Dr. Frithjof Bergmann entwickelt. Bergmann geht davon aus, dass das bisherige Job-System am Ende ist. Die Automatisierung führt immer mehr dazu, dass die Menschen sich mit der Frage konfrontiert sehen: »Wie willst du in Zukunft dein Arbeitsleben gestalten?« In der Vorstellung von Bergmann ist New Work eine Kombination aus Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Sinnstiftung. Dafür ist entscheidend, dass Mitarbeiter die Möglichkeiten zur Entfaltung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit erhalten, das bedeutet auch, Freiräume zu schaffen – sowohl zeitliche als auch räumliche. Es ist erforderlich, dass sich Mitarbeiter unterschiedlicher Fachrichtungen treffen und austauschen können, damit innovative Ideen und Lösungen entstehen können.
New Work geht von einer völlig neuen Organisation von Arbeit aus. Aufgaben werden in Projekte aufgeteilt. Diejenigen, mit den besten Fähigkeiten und Qualifikationen für ein jeweiliges Projekt, organisieren sich in Teams, um das optimale Ergebnis zu erzielen. Teams und auch ganze Organisationen lassen sich auf diese Art als Netzwerke begreifen. Innovative Lösungen werden heute in immer kürzer werdenden Intervallen gebraucht, um an den dynamischen Märkten bestehen zu können. Die Antwort auf diese Herausforderung kann kein homogener Arbeitsalltag sein, bei dem...