Teil 2
Holz zu hacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.
Albert Einstein
Dieser Teil des Buches soll Ihnen gerade kein festes Trainingsprogramm vorschreiben. Ich möchte Ihnen hier die Grundlagen vermitteln, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, zu experimentieren und Ihren eigenen Weg zu finden. Denn eines ist mir bei den festen Trainingsprogrammen immer aufgefallen: Eine einzige, möglicherweise unbedachte, Änderung und nichts funktioniert mehr, woraufhin das komplette Unterfangen häufig ad acta gelegt wird. Wobei nicht das Trainingsprogramm die Ursache ist, sondern eine Rückkoppelung der Veränderung des Programmes. Um diesen Sachverhalt beurteilen zu können, ist es für Sie hilfreich, durchzublicken. Lassen Sie sich überraschen, es ist einfacher, als Sie zunächst erwarten.
1. Muskelabbau
Vielfach wird unterschätzt, wie schnell ungenutzte Muskulatur abgebaut wird und wie stark sich der normale, bei jedem Menschen vorhandene, Muskelabbau auf den Bewegungsapparat und das Wohlbefinden auswirkt.
Der Körper befindet sich beim Mann bis zum 25. Lebensjahr in seiner natürlichen Aufbauphase und erreicht ca. 40 % Muskelanteil. Die Frau schließt diese Phase schon um das 16. Lebensjahr herum ab und erreicht ca. 20 % Muskelanteil. Diese Phasen steuert der Organismus hormonell. Anschließend baut der Körper bei untrainierten ca. 1 % der Muskelmasse pro Jahr ab. Dennoch verlieren die Wenigsten dabei Gewicht. Stellen Sie sich also vor, mit der halben Kraft das gleiche Gewicht tragen zu müssen, oder mit der gleichen Kraft das doppelte Gewicht. Sie wögen also, beispielhaft, nicht 70 kg, sondern 140 kg. Wer im Wehrdienst mal einen Gepäckmarsch absolviert, oder einen dieser schicken „Altersanzüge“ ausprobiert hat, der jungen Menschen einen Eindruck von der Bewegungseinschränkung alter Menschen geben kann, der weiß, wovon hier die Rede ist. Da kommt man ordentlich ins Schnaufen.
Als Kind bewegen wir uns auf vielfältige Weise. Wir kraxeln Bäume hoch, schleichen geduckt durch die Weizenfelder, springen über Zäune, jagen uns gegenseitig beim Fangen, tollen auf dem Boden herum, raufen und, und, und … Dadurch und durch den hormonellen Schub in der Pubertät, bauen wir spielend Muskeln bis zum Ende der Wachstumsphase auf. Unser Körper ist ein Effizienzmodell. Das höchste Leistungsniveau ist für das 25. Lebensjahr vorgesehen.
Es kann lange aufrechterhalten werden, wenn die Leistung abgerufen wird. So umfangreich, wie als Kind, bewegen wir uns jedoch später selten. Unser Körper ist ein misstrauischer Geselle, der sich immer für schlechte Zeiten, wie z. B. Nahrungsmangel, rüstet und daher nicht von seinem Energiesparkonzept abweicht. Jeder ungenutzte Muskel ist ein Luxus, den sich der Körper, bei entsprechender Forderung und guter Versorgung, zwar leisten könnte, aber nicht will. Neben dem zu erwartenden altersbedingten Muskelabbau von 1 % jährlich, werden also zusätzlich ungenutzte Muskeln gnadenlos abgebaut. Es entstehen Wirkungsketten, da Gelenke falsch belastet und weitere Muskelpartien überoder unterbelastet werden. Wie geht es Ihren Knien? Sprangen Sie nicht auch als Kind über Stock und Stein und nahmen Ihre Knie nur wahr, wenn Sie darauf fielen? Springen Sie jetzt auch noch? Wenn nicht, dann haben Sie womöglich die berüchtigten „Säbelbeine“, weil Ihre Bewegungsabläufe zielstrebig geradeaus gerichtet sind und Sie nicht noch, aus Jux und Tollerei, auf dem Weg zum Schreibtisch mal eben seitlich über den Papierkorb flanken oder spaßeshalber einfach mal die vierzig Stufen zur S-Bahn hochjagen. Sie haben durch geänderte und somit sparsamere Bewegungsabläufe die Spannkraft und einen Großteil der Muskelmasse Ihrer Adduktoren der Beine eingebüßt und können die vermiedenen Bewegungen nicht mehr ausüben. Das gibt Ihren Oberschenkeln das säbelartige Aussehen, außen gewölbt und innen hohl. Versuchen Sie einmal, mit geschlossenen Beinen zu sitzen. Wie lange Sie diese Übung durchhalten, gibt Auskunft über die Leistungsfähigkeit Ihrer Adduktoren.
Das Bild zeigt den Muskelquerschnitt dreier Menschen im Kernspintomografen.
74-jähriger Mann mit Sitzender Lebensweise.
Sie sehen den Oberschenkelknochen als hellen Punkt in der Mitte, umgeben von Muskeln als dunkles Gewebe, hier die Quadrizeps und weiter nach außen Fettschichten und Haut als helles Gewebe. Gut erkennbar die, durch den starken Muskelabbau im Alter, extrem geschrumpften Muskeln im mittleren Bild. Diese Abbildungen verdeutlichen, dass dies keine zwangsläufige Erscheinung sein muss, da der 70-jährige Triathlet keinerlei Unterschied zu dem 40-jährigen zeigt. Können Sie sich nun vorstellen, warum es wichtig ist, die Muskeln zu trainieren? Es wird klar, welche Ausmaße der „normale“ Muskelabbau erreicht. Mit diesen „mickrigen Müskelchen“ im mittleren Bild wird es verständlich, dass Bewegungen schwerfallen und dass das im Alter oft leicht ansteigende Gewicht schwer zu bewegen ist.
2. Muskelfasertypen
Grob gesehen gibt es zwei unterschiedliche Muskelfasertypen. Solche, die sich schnell zusammenziehen und jene, die langsam kontrahieren. Beide kommen in unterschiedlichen Mengen in denselben Muskeln vor, denn die Muskeln müssen unterschiedliche Belastungen bewältigen. Im Training wird gern abgekürzt in Ausdauer und Kraft differenziert. Gemeint ist, welchen Typ von Muskelfasern man mit den jeweiligen Übungen trainiert. Natürlich braucht es für Muskelarbeit immer Kraft, die Quelle der Kraft ist aber je nach Belastung ein anderer Muskelfasertypus.
Die schnellen Muskelfasern liefern viel Kraft in kurzer Zeit und verbrauchen entsprechend viel Energie, was sie relativ schnell ermüden lässt. Diese Fasern sind unter den richtigen Bedingungen zu erstaunlichem Wachstum fähig. Die langsamen Muskelfasern liefern geringere Kraft bei geringem Energieverbrauch, ermüden im Gegenzug aber nur langsam. Das heißt, sie können häufig in direkter Folge kontrahieren und ermöglichen dem Körper somit Ausdauerleistungen, wachsen dafür aber nicht so deutlich.
Der Spitzenmarathonläufer hat sicherlich keine Gewichtsprobleme und kann mit wenigen schnellen Muskelfasern seinen Körper elegant bewegen. Dazu besitzt er eine gut trainierte Ausdauer und sein Herz-Kreislaufsystem arbeitet mit optimierter Effizienz. Marathonläufer besitzen auch wegen ihres geringen Gewichtes eine Leichtigkeit in ihren Bewegungen, die auch Kindern eigen ist. Hätten Marathonläufer große Muskelpakete, wären sie gar nicht fähig, so großartige Leistungen zu vollbringen, da der Energieverbrauch einfach zu hoch ausfiele.
Der Bodybuilder verfügt im Gegensatz dazu nur über eingeschränkte Ausdauer, dafür aber über manchmal schon übermenschlich anmutende Kräfte. Durch die umfangreiche Muskelmasse ist sein Herz-Kreislaufsystem „im Leerlauf“ schon gut belastet und er verbrennt, ohne irgendeine Tätigkeit, bereits einige Tausend Kalorien mehr als wir Durchschnittsmenschen.
3. Zum Nachlesen und forschen:
Ich habe mich immer gefragt, wie eine Muskelkontraktion an sich funktioniert. Sie ist biologisch gesehen ungeahnt interessant.
Der Mechanismus basiert auf kleinen Ruderbewegungen der Myosinproteine von ca. 45°, wobei Adenosintriphosphat (ATP) in Adenosindiphosphat (ADP) aufgespaltet wird. Dabei ziehen sich die Aktinfilamente zur Sarkomermitte. Calzium und Magnesium als sein Gegenspieler werden hierbei benötigt, um die chemischen Prozesse einzuleiten, bzw. wieder aufzuheben. Im Prinzip basiert das Heben eines Gewichtes also auf der Verwandlung von ATP in ADP, wobei unzählige Moleküle eine klitzekleine Strecke von 10-20 nm in 10-100 ms durch „Kippen“ ihrer Molekülköpfchen überbrücken. Der Muskel kann im Durchschnitt mit 40N/cm2(=4,07 kg je Quadratzentimeter) aktiv belastet werden. Passiv liegt dieser Wert bei bis zu 100N/cm2. Weitere interessante Informationen und anschauliche Grafiken hierzu gibt es unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Muskelkontraktion
4. Wer‘s genau wissen will:
Muskelfasertypen
Im Skelettmuskel finden sich drei Haupttypen an Fasern: sehr schnelle Typ 2x-Fasern, schnelle Typ 2a-Fasern und langsame Typ 1-Fasern. Typ 1: Sind die langsamsten Fasern und beginnen ihre Kontraktion ca. 100 ms nach Eintreffen des Aktionspotenzials. Sie arbeiten glykolytisch und können bei anhaltender Arbeit auch Fettsäuren verwerten. Aufgrund des rein oxidativen Stoffwechsels sind diese Muskeln stark kapillarisiert, myoglobin- und mitochondrienreich. Das Myoglobin verleiht ihnen ein tiefrotes Aussehen.
Typ 2a: Kontrahieren auch schnell (ca. 50 ms) und können viel Kraft zu erzeugen. Sie sind oxidativ und arbeiten glykolytisch (je nach Bedarf laktazid oder aerob). Deshalb enthalten sie sowohl Myoglobin (hellrote Farbe) als auch Mitochondrien. Sie ermüden langsamer als Typ 2b und können typischerweise maximal ca. 30 Minuten arbeiten. Typ 2x: Diese Fasern kontrahieren am...