Einleitung
Jeder kann den »Ort der Unsterblichkeit« in sich aufspüren, der im Körper an verborgener Stelle so lange verschlossen bleibt, bis die Zeit der Reife gekommen ist. Diese Zeit der Reife fällt im Allgemeinen mit dem letzten Lebensabschnitt des Menschen zusammen, der sein »äußeres Haus« in Ordnung gebracht hat. Die Kinder sind erwachsen und leben ihr eigenes Leben. Beziehungen, so sie überhaupt (noch) bestehen, sind für gewöhnlich in die ruhige Phase übergegangen. Es ist dies die Zeit, in der die bislang ungelebten Kräfte zur Befreiung drängen.
Viele haben das geheimnisvolle Wort »Kundalini« schon gehört und verbinden zumeist nur vage Vorstellungen mit ihm. Geschichten von »Kundalini-Prozessen«, in denen Menschen leiden und den Fluss des göttlichen Feuers unter Qualen erleben, sind keine Seltenheit, und so ist für die meisten Menschen dieser letzte, entscheidende spirituelle Wachstumsprozess von grundlosen Angstvorstellungen überlagert. Es mag durchaus vorkommen, dass die bisherige Lebensweise mancher Menschen besondere Reinigungsprozesse erfordert. Aber ein normal gelebtes Leben mit den üblichen Beziehungsgefügen und -geflechten hat keine schmerzhaften Konsequenzen, wenn das Auflösen von schmerzhaften Bindungen durch eine spezielle, in diesem Buch gelehrte Meditationstechnik mit Beharrlichkeit verfolgt wird. Beharrlichkeit meint hier das Ausgerichtetsein auf die innere Kraft als konsequentes Tun ohne Erwartung, bis das göttliche Feuer sich langsam aus seinem »Knochen« im untersten Teil der Wirbelsäule erhebt.
Wie der Kern den Keim enthält und der Knochen das Mark, so enthält diese Stelle, die im Hebräischen »Luz« heißt, was so viel wie »Mandelkern« bedeutet, die für die Wiederherstellung des wahren Wesens notwendigen Wirkelemente. Denn der »Kern« ist das Innerste und Verborgenste im Menschen und vollkommen eingeschlossen. Dies lässt einen Vergleich mit der in der indischen Tradition als »Kundalini« bezeichneten Kraft zu, die eine Form von »Shakti«, der göttlichen Weltenmutter, ist. Dieses Wort weist eine Verwandtschaft mit der »Shekina« des Judentums auf und meint immer den weiblichen Gottesaspekt in Form des heiligen, schöpferischen Geistes – die wirkliche Anwesenheit des Allerhöchsten im menschlichen Körper. Diese Kraft ruht in jedem Menschen und wird zumeist im Bild einer in sich zusammengerollten Schlange im Bereich des feinstofflichen Organismus dargestellt, der im physischen Körper genau diesem untersten Teil der Wirbelsäule, jenem Knochen »Luz«, entspricht. Diese Einrollung symbolisiert einen embryonalen, also noch nicht voll entwickelten Zustand. Durch bestimmte Übungen und Meditationen, nach denen in Zeiten besonderen spirituellen Wachstums – bevorzugt in dem oben beschriebenen Lebensabschnitt – ein Bedürfnis aufbricht, vermag diese »Schlange« zu erwachen. Dann erhebt sie sich in ihrer geschützten Hülle, der »Shushumna«, durch die Chakren, die im Feinstoffbereich den verschiedenen Nervengeflechten des physischen Körpers zuarbeiten, um schließlich in jenen Bereich zu gelangen, der dem »Dritten Auge« entspricht, dem »Stirnauge Shivas«, in unserer westlichen Lesart dem »Heiligen Gral« oder dem »innewohnenden kosmischen Christus«.
Dieses Stadium stellt die Wiederherstellung des Urzustandes dar, in dem der Mensch den »Sinn zur Ewigkeit« wiederentdeckt und dadurch das erlangt, was wir »die wirkliche Unsterblichkeit« nennen wollen, trotzdem wir uns ja noch sehr im menschlichen Bereich befinden. Diesen nun übersteigend, erreicht die Kundalini schließlich die Krone des Kopfes, den »Tausendblättrigen Lotos«, das Höchste. Und diese letzte Phase bezieht sich auf die tatsächliche Eroberung der höheren Seinszustände, auf die Verwirklichung der menschlichen Christus-/Buddha-Natur.
Kundalini-Yoga umfasst den Körper, die Seele und den Geist des Menschen – nicht nur den vom Ganzen abgetrennten Teil der sexuellen Energie.
In uns ist dieser Ort des Friedens, geschützt und uneinnehmbar, tief in uns verborgen – der tiefste Punkt in unserem Körper. Wir lernen, von diesem Ort aus in der Welt zu wirken und zu leben und gleichzeitig in ihm verankert zu sein. So bekommen die unten stehenden Jesus-Worte eine ganz andere Bedeutung. Es geht nicht darum, dass wir nur in der Anerkennung seiner Person das Heil erwerben können – aber in der Nachfolge. Es ist der Friede dessen, der die Welt überwunden hat. Die äußere Welt ist zu überwinden, wenn wir einkehren in das »innere Haus«. Es geht hier also auch wieder um die Christusnachfolge. Er sagt: »Orientiert euch an mir, denn ich habe die Welt überwunden, und das kann jeder von euch. Was macht euch angst und bang in der Welt? Wozu fürchtet ihr euch, wenn ich bei euch bin, sodass die Welt keine Macht über euch hat und somit kein Grund mehr besteht für die Angst, die die äußere Welt verursacht?« Dazu brauchen wir aber Geduld.
In uns ist dieser Ort, wo die Stille Raum hat – der verborgenste Ort, der durch den »Prinzenkuss« geweckt werden muss. Wenn diese Kraft durch unseren Körper fließt, durch unser Herz und das »Dritte Auge« (Stirnchakra), wird unsere Gesamtpersönlichkeit erweckt. Erst dann wird unser ganzes Wesen, das Christusbewusstsein, hervortreten können. Erst wenn diese Schöpferkraft begonnen hat, unsere Person zu verwandeln, wird die Kraft unseres Herzens und das, was in der Meditation in uns geschehen mag, sich zu einer Einheit in uns verbinden.
Frieden zu finden ist nur möglich, wenn wir lernen, in diesen »Kern« zurückzukehren und gerade, wenn die Stürme draußen toben, immer wieder zu uns selbst zu finden – heimzukehren in das Haus des Vaters in uns. Wir müssen lernen, uns in unserer Ganzheit zu spüren. Natürlich ist das Herz der Sitz des Christus in uns, ist das Dritte Auge der Wohnort des höchsten Gurus und der Luz-Knochen der Sitz der höchsten Kraft.
Wir können aber die Aufmerksamkeit nur an eine bestimmte Stelle in uns lenken. Das Herz also ist der Sitz der Liebe und der Ort, wo wir uns spirituell und ideell mit allem verbunden fühlen. Das Dritte Auge wird immer der Ort sein, an dem wir uns in der Meditation in uns versenken. Dort wird unsere innere Welt aufgeschlossen.
Wenn wir unseren Atem benutzen, wenn wir die heilige Prana-Kraft über unseren Köper lenken, gehen wir immer zur SHEKINA (= »die wirkliche Gegenwart der Gottheit«, siehe auch Kabbala und Rosenkreuz. Saint Germains Vermächtnis)*. Es ist dies ja bei den meisten Menschen noch eine versunkene Kraft. Es geht aber um die Integration, und wir können sie nur erreichen durch Überwindung. Darüber, wie dies im Einzelnen geschehen kann, geben die Texte, die diesen Prozess begleiten, sehr tiefgehend Auskunft.
Der Körper des Menschen ist gebunden an den Vagus- und Sympathikus-Komplex. Der geistige Mensch wird von den Kräften des Yin und Yang geprägt. Wie diese überwunden werden können – oder um im Physischen zu bleiben, wie diese sinnvoll zusammenwirken können –, darüber geben diese Texte ebenfalls genaue Auskunft: wie wir zum »Purusha« (aus dem Sanskrit = der ewige, der göttliche Mensch; die göttliche Essenz des Menschen) werden können, der ja in dieser Welt seinen Platz hat. Um aber zu spüren, wie wir dorthin gelangen, müssen wir den Weg über unseren Atem nehmen, der den physischen mit dem geistigen und spirituellen Menschen verbindet. Nur so können wir die Dreiteilung unseres Wesens begreifen, und nur durch Disziplin, durch tägliche Meditationsübungen, durch Training werden wir in der Lage sein zu erkennen, dass die kurzen Augenblicke des Glücks, die wir zu erfahren vermögen, bis sie unseren Alltag immer länger und häufiger durchziehen, uns die Gewissheit geben, dass dies unsere wahre Natur zum Ausdruck bringt. Nur mit dem Atem vermögen wir uns diese Bereiche aufzuschließen, wir haben kein anderes Ausdrucksmittel. Wir können jahrelang sitzen und nach innen horchen – nur die Meditation und die Konzentration auf den Atem, das Einsetzen unserer Bildekräfte, die Visualisation gewisser Vorgänge in unserem Körper werden uns eines Tages dahin bringen, wenn wir bereit sind, geduldig mit uns zu sein, und wenn wir nichts erzwingen, sondern einfach nur tun und unser Dasein mit diesem Tun heiligen.
Es gibt so viele Ausreden. Immer ist die Zeit zu kurz, man ist müde und abgespannt – und niemand begreift, dass all dies beseitigt werden kann mit einem tiefen Atemzug. Wenn euch die Sehnsucht nicht treibt, habt ihr nicht begriffen, über welche Kräfte ihr gebieten könnt. Mit Trägheit kann man diese Erfahrungen nicht gewinnen, nur durch Tun.
Die Texte geben Informationen in einem Rahmen, der die Erfahrungen illustriert und ein tieferes Verständnis vermittelt, was sich tatsächlich über euren Atem in eurem Leben verändern kann. Doch die wirkliche Kraft...