Vorwort
Was wäre, wenn wir shoppen würden,
um zu leben, statt zu leben, um zu
shoppen?
»Etwas aus tiefen Beweggründen wiederzuverwerten, anstatt
es schnell wegzuwerfen, kann eine Handlung der Liebe sein,
die unsere eigene Würde zum Ausdruck bringt.«
Papst Franziskus, Enzyklika
Laudado si, Über die Sorge für das gemeinsame Haus, 2015
Bewahre, was du liebst. Einen Fluss. Einen Berg. Eine Jacke. Alles ist wichtig, weil es zusammenhängt. Was deutlich wird, wenn man Yvon Chouinards Worte liest, ist die starke Verbindung zwischen dem Behandeln unserer Dinge als Einwegartikel und dem Behandeln der Menschen, die diese Dinge zu Einwegartikeln machen. Genauso gibt es eine Verbindung zwischen der Art und Weise, wie wir unsere Sachen wegwerfen, und der Art und Weise, wie wir diesen Planeten wegwerfen, der letztlich die Quelle all dieser Sachen ist.
Als Journalistin befürworte ich keine internationalen Großunternehmen, nicht einmal »grüne« wie Patagonia. Ich habe genügend Zeit damit verbracht, mich tief in die globalen Lieferketten einzuarbeiten, um zu wissen, dass selbst die Unternehmen mit dem ausgeprägtesten Sozialbewusstsein ihre schmutzigen Geheimnisse haben, die bei einigen sogar bis in die Chefetage reichen. Das ist die Natur des zügellosen Outsourcings. Und in einer Zeit, in der unser Wirtschaftssystem uns zutiefst enttäuscht, werden die tugendhaften Praktiken jedes anderen Unternehmens keinen großen Einfluss auf die Problemlösung haben.
Und dennoch habe ich keine Bedenken, dieses bemerkenswerte Buch zu befürworten. Weil es die Geschichte eines Versuches ist, mehr als nur ein einzelnes Unternehmen zu verändern – es ist der Versuch, die Konsumkultur zu verändern, die den Kern der globalen ökologischen Krise darstellt. Und als jemand, der zwei Jahrzehnte über Greenwashing von Unternehmen recherchiert hat – seit meinem ersten Buch No Logo –, kann ich Ihnen versichern, dass dieses Bemühen selten ist.
Ich habe zahllose Versuche von Unternehmen erforscht, sich selbst als sozial verantwortungsbewusst, gar revolutionär zu vermarkten (von Virgin über Nike bis Apple). Aber nie zuvor habe ich ein Unternehmen erlebt, das seinen Kunden empfiehlt, nicht noch eine Jacke von ihm zu kaufen, kostenlose Reparaturen der bereits erworbenen Produkte anbietet, oder sich gegen Handelsabkommen wie das Transpazifische Abkommen ausspricht, das die Profite des Unternehmens steigern würde.
Zu dieser Geschichte hingezogen hat mich, dass sie einen ehrlichen Versuch reflektiert, das zentrale Spannungsverhältnis zwischen dem Verlangen des Marktes nach unendlichem Wachstum und dem Bedürfnis des Planeten nach einer Pause anzugehen. Und ich muss ehrlich Ihnen gegenüber sein: Für mich ist nicht klar, ob diese Spannung gelöst werden kann. Schließlich wächst Patagonia immer weiter. Und wir kaufen immer weiter seine Produkte. Und dieses Unternehmen ist auch nicht immun gegenüber der Art Arbeitsskandale, die die weltweiten Lieferketten heimsuchen. Absolut klar ist jedoch, dass es Yvon Chouinards Experiment – das vielleicht nur möglich ist, weil Patagonia nicht börsennotiert ist – so noch nie gegeben hat und deshalb unsere größte Aufmerksamkeit verdient.
Der Einsatz bei diesem Experiment könnte nicht höher sein, wie ich in meinem letzten Buch Die Entscheidung: Kapitalismus vs Klima dargestellt habe. Zur Erinnerung hier ein kurzer Textauszug:
»Die Regierungen der Welt beratschlagen bereits seit über zwei Jahrzehnten darüber, wie man den Klimawandel aufhalten kann. Unsere Regierungen haben Jahre damit verschwendet, Zahlen zu frisieren und über Starttermine zu zanken. Das katastrophale Ergebnis all dieser Verschleierung und Verschleppung ist jetzt unbestreitbar. Nach vorläufigen Daten war der weltweite CO2-Ausstoß 2013 um 61 Prozent höher als 1990, in jenem Jahr, in dem erstmals ernsthafte Verhandlungen über ein Klimaabkommen geführt wurden.«1
In Kopenhagen unterzeichneten 2009 die Regierungen der großen Verschmutzerländer – darunter die USA und China – eine nicht bindende Übereinkunft mit der Zusage, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten, ausgehend von dem Wert, bevor wir anfingen, unsere Wirtschaft mit Energie aus Kohle zu betreiben. Weil sich die Regierungen nicht auf verbindliche Ziele geeinigt haben, können sie ihre Zusagen nach Belieben ignorieren. Und genau das passiert im Augenblick. Die Emissionen steigen so rasch an, dass zwei Grad aus heutiger Sicht wie ein utopischer Traum erscheinen, wenn wir unser Wirtschaftssystem nicht von Grund auf ändern. Und nicht nur Umweltschützer schlagen Alarm. Im selben Bericht von 2012 warnte die Weltbank, dass »wir uns [bis zur Jahrhundertwende] auf eine Vier-Grad-Erwärmung zubewegen, die durch extreme Hitzewellen, eine Verknappung der weltweiten Nahrungsvorräte, den Verlust von Ökosystemen und Artenvielfalt und durch lebensbedrohlich hohe Meeresspiegel gekennzeichnet ist«. Ferner hieß es, dass »außerdem nicht sicher ist, ob eine Anpassung an die Vier-Grad-Welt möglich ist«. Kevin Anderson, ehemaliger Direktor (und jetziger Vizedirektor) des Tyndall Centre for Climate Change Research, das sich als eines der führenden Klimaforschungsinstitute Großbritanniens etabliert hat, sagt es noch schonungsloser. Für ihn ist eine Erwärmung um vier Grad »unvereinbar mit jeder akzeptablen Vorstellung von einer organisierten, gerechten und zivilisierten globalen Gemeinschaft«.
Wir wissen nicht genau, wie eine Vier-Grad-Welt aussehen würde, aber sogar im günstigsten Fall wäre es wahrscheinlich ein Katastrophenszenario. Bei vier Grad Erwärmung würden die Meeresspiegel bis 2100 weltweit um ein oder vielleicht auch zwei Meter steigen (und in künftigen Jahrhunderten um mindestens noch ein paar zusätzliche Meter). Inselstaaten wie die Malediven und Tuvalu würden im Meer versinken, und viele Küstenregionen in Ecuador, Brasilien und den Niederlanden bis hin zu einem Großteil von Kalifornien und dem Nordosten der Vereinigten Staaten sowie riesige Gebiete von Süd- und Südostasien würden überschwemmt werden. Zu den wahrscheinlich gefährdeten Großstädten zählen Boston, New York, der Großraum von Los Angeles, Vancouver, London, Mumbai, Hongkong und Shanghai.2
Brutale Hitzewellen mit Zehntausenden Todesopfern sogar in reichen Ländern würden auf allen Kontinenten außer der Antarktis zu einem normalen Sommerphänomen werden. Durch die Hitze würde es bei wichtigen Getreidesorten auf der ganzen Welt zu dramatischen Ernteeinbußen kommen (bei indischem Weizen und amerikanischem Mais könnte der Ertrag um 60 Prozent sinken), und das zu einer Zeit, in der die Nachfrage aufgrund des Bevölkerungswachstums und eines steigenden Fleischbedarfs nach oben schnellen wird. Und da das Getreide nicht nur dem Hitzestress ausgesetzt sein wird, sondern auch Extremereignissen wie großflächigen Dürren, Überschwemmungen oder Schädlingsplagen, könnten die Verluste noch gravierender sein als in den Modellen prognostiziert. Fügt man dann noch zerstörerische Hurrikane, rasende Wildfeuer, zerstörte Fischgründe, weiträumige Zusammenbrüche der Wasserversorgung, Artensterben und sich weltweit ausbreitende Krankheiten hinzu, scheint es schwer vorstellbar, dass eine friedliche, geordnete Gesellschaft aufrechterhalten werden kann (sofern eine solche gegenwärtig vorhanden ist).
Und bei alledem darf man eins nicht vergessen: Nur optimistische Szenarien gehen davon aus, dass sich die Erwärmung bei etwa vier Grad einpendelt und keine Kipppunkte mit einer unkontrollierbaren Erwärmung erreicht werden. Viele etablierte Klimaanalytiker gehen davon aus, dass wir, wenn wir so weitermachen wie bisher, auf eine Marke von über vier Grad Erwärmung zusteuern. 2011 veröffentlichte die als besonnen geltende Internationale Energieagentur (IEA) einen Bericht, der sogar 6 Grad Erwärmung prognostizierte. »Jedes Schulkind weiß«, sagte der Chefökonom der IEA, »dass das katastrophale Auswirkungen für uns alle haben wird.«3
All diese Prognosen zusammengenommen muss man sich in etwa so vorstellen, als würden im eigenen Haus sämtliche Alarmanlagen gleichzeitig losgehen. Und dann die Alarmanlagen in allen Häusern der Straße, eine nach der anderen. Die Voraussagen zeigen schlicht und ergreifend, dass der Klimawandel zur Existenzkrise für die menschliche Spezies geworden ist.
Im Nachhinein lässt sich kaum sagen, wie es anders hätte kommen können. Diese Ära war von zwei Faktoren geprägt: dem Massenexport von Produkten über große Distanzen hinweg (bei permanenter Verbrennung fossiler Energieträger) und dem Export eines einzigartig verschwenderischen Konsum-, Produktions- und Agrarmodells (das ebenfalls auf dem übermäßigen Verbrauch fossiler Energieträger basiert) noch in die entferntesten Winkel der Welt. Anders formuliert, die Befreiung der Weltmärkte befeuert durch die...