KÖRPERLICHE AKTIVITÄT UND DAS KREBSRISIKO
Viele Studien können einen Zusammenhang zwischen Bewegungsmangel und Herzkreislauferkrankungen nachweisen – doch wie sieht es bei dementsprechenden Untersuchungen zur Krebsentstehung aus? Einige wenige Studien ergaben einen eindeutigen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und der Häufigkeit beziehungsweise einem geringeren Auftreten von Darmkrebs und Brustkrebs.
So zeigt sich an fast 80 000 Krankenschwestern aus den USA im Alter zwischen 40 und 60 Jahren, dass sehr aktive Frauen ein um 27 Prozent geringeres Darmkrebsrisiko aufweisen als komplett inaktive Frauen (»Nurses’ Health Study«). Bereits ein bis zwei Stunden Spazierengehen pro Woche konnte das Krebsrisiko, welches vor allem das untere Drittel des Darms betrifft, substantiell senken.
Haben körperlich Inaktive ein erhöhtes Krebsrisiko?
Zusammenstellungen vieler Studien belegen, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko für eine Darmkrebserkrankung um 20 bis 30 Prozent vermindern kann.
Ähnliches zeigt sich auch für Brustkrebs. Hier unterstützen die Studien, dass eine körperliche Aktivität das Risiko ebenfalls senken kann. Die Auswertung einer norwegischen Studie an über 25 000 Frauen in einem Beobachtungszeitraum von fast 14 Jahren ergab, dass das Brustkrebsrisiko durch moderates körperliches Training um 25 Prozent, bei intensivem Sport sogar um 45 Prozent gesenkt werden konnte. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Beobachtungsstudie an über 32 000 Frauen nach der Menopause: In einem Beobachtungszeitraum von zehn Jahren wurden 1 506 Fälle von Brustkrebs festgestellt. Es zeigte sich, dass diejenigen mit regelmäßiger ausdauernder körperlicher Aktivität ein deutlich niedrigeres Risiko (minus 19 Prozent) hatten, zu erkranken.
INFO
BEI WELCHER TUMORART HILFT KÖRPERLICHE AKTIVITÄT?
Tumorart | Risikoreduktion durch körperliche Aktivität |
Brustkrebs | vor den Wechseljahren: • nach den Wechseljahren: •• |
Bauchspeicheldrüsenkrebs | • |
Enddarmkrebs | vermutlich kein Zusammenhang |
andere Tumorarten | zu wenige Studien für eine Einschätzung |
••• Überzeugende eigenständige Risikoreduzierung •• wahrscheinlich eigenständige Risikoreduzierung • begrenzt eigenständige Risikoreduzierung (World Cancer Research Fund 2007)
Verhindert körperliches Training die Tumorentstehung?
Risikofaktoren für die Entstehung von Darm- aber auch von Brustkrebs sind unter anderem Rauchen und Alkohol. Daneben spielen Körpergewicht, Nahrungsmittel und deren Zubereitung sowie die körperliche Aktivität eine wichtige Rolle. Die grundlegenden Mechanismen auf molekularer Ebene, also wie und warum körperliches Training die Bildung von Polypen im Dickdarm oder die Tumorentwicklung in der Brustdrüse beeinflusst, ist bisher allerdings nur ansatzweise verstanden.
WICHTIG
AKTIV GEGEN KREBS
Die Bedeutung von körperlicher Aktivität, Ernährung und Körpergewicht für die Tumorentstehung:
Übergewicht und Insulinstoffwechsel beeinflussen die Entstehung von Brust- und Darmkrebs.
Übergewicht und Inaktivität begünstigen chronische Entzündungsprozesse und fördern die Entstehung von Brust- und Darmkrebs.
Eine eingeschränkte Immunabwehr begünstigt die Entstehung von Tumoren.
Bei der Ernährung gelten Antioxidantien und Farbstoffe in Obst und Gemüse, sogenannte Flavonoide, als Schutz vor Krebsentstehung; ein definitiver wissenschaftlicher Nachweis ist allerdings nicht erbracht.
Eine verlängerte Stuhltransitzeit scheint die Darmkrebsentstehung zu fördern – bei körperlich aktiven Frauen und Männern ist die Stuhltransitzeit wiederum beschleunigt. Vorraussetzung dafür ist jedoch, dass sie sich auch vollwertig ernähren.
Der Hormonstatus ist ebenfalls ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Tumoren. Das gilt insbesondere bei hormonabhängigen Krebsarten wie Brust-, Prostata- und Darmkrebs.
Der positive Effekt von körperlichem Training wird mit dessen Einfluss auf die Muskulatur und ihre Hormone, die sogenannten Myokine, erklärt: sie verhindern die Tumorfrühstadien in Brust und Darm.
Körperliches Training, Stoffwechsel und Krebs
Körperliches Training hat zweifellos einen zentralen Einfluss auf den Energiestoffwechsel. Während der muskulären Belastung werden Zucker und Fettsäuren verbraucht und der Körper passt sich langfristig an, Transport und Verbrauch dieser Energiequellen in der Muskulatur werden optimiert. Normalerweise wird dieser Vorgang durch das Hormon Insulin aus der Bauchspeicheldrüse ermöglicht und gefördert. Ein stetiger wiederholter Reiz der Muskulatur ergänzt diesen Transportweg, indem mehr Zucker die Zellmembranen passiert. Dadurch werden Blutzucker und Fettsäurespiegel gesenkt und das Risiko für die Entwicklung einer Zuckerkrankheit, Diabetes mellitus Typ 2 (hohe Blutzucker- und Fettsäurespiegel) deutlich vermindert.
Einfluss des Gewichts auf die Entstehung von Krebs
Auch ein zweiter Mechanismus des Trainings wirkt positiv auf die Gesundheit. Das Körpergewicht wird stabilisiert und gleichzeitig werden die Fettzellen kleiner, sind damit deutlich stoffwechselaktiver. Die Fettzellen, die Entzündungsfaktoren bilden, indem sie Entzündungshormone an das Blut abgeben, schütten nun weniger dieser Hormone in den Blutkreislauf aus. Dies betrifft auch Faktoren wie Interleukin-6, einen der zentralen Entzündungsfaktoren im Körper; oder den Tumor-Nekrose-Faktor Alpha (TNF-α) einen Entzündungsfaktor, der Tumorzellen zum Absterben bringen kann. Auch wenn dieses komplexe Gleichgewicht aus fördernden und hemmenden Entzündungsfaktoren insgesamt nur unzureichend verstanden wird, so lässt sich damit doch erklären, dass übergewichtige Typ-2-Diabetiker ein höheres Risiko für bestimmte Krebsarten wie Brust- Darm- und Prostatakrebs haben als schlanke, körperlich aktive Menschen. Schlüsselmechanismen der Körperzellfunktion, so zeigen aktuelle wissenschaftliche Daten, sind bei übergewichtigen Personen verändert und erhöhen damit nicht nur die Gefahr für Diabetes, Arterienverkalkung, Herzinfarkt und Schlaganfall, sondern auch das Risiko für die Entwicklung besonders von Brustkrebs.
Laufen stärkt ihr Immunsystem und ist deshalb ein wichtiger Faktor, der das Krebsrisiko mindert.
Körperliches Training, unser Immunsystem und Krebs
Wie und warum sich körperliche Aktivität auf die Entwicklung von Krebszellen auswirkt, ist in ihrer Wirkung auf unser Immunsystem begründet. Es hat die Aufgabe, den Körper vor exogenen (äußerlichen) und endogenen (innerlichen) Schädigungen zu schützen beziehungsweise ihn bei deren Bekämpfung zu unterstützen. Bei der Erkennung und Bekämpfung von Krebszellen bilden die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) oder Abwehrzellen wie T-Lymphozyten, Makrophagen und Granulozyten die primäre Abwehr. Das sind körpereigene Abwehrzellen, die zur Zerstörung von Tumor-, abnormalen und virusinfizierten Zellen keine Aktivierung bestimmter Enzyme benötigen. Die größte Bedeutung für die unspezifische Abwehr von Tumor- und virusinfizierten Zellen wird allerdings den NK-Zellen zugeschrieben.
Nicht nur NK-Zellen unterstützen
Einen weiteren Abwehrmechanismus stellen die zytotoxischen T-Zellen dar, die ebenfalls in der Lage sind, Tumorzellen direkt zu zerstören. T-Helferzellen können hingegen nur indirekt durch die Produktion von Zytokinen (zum Beispiel Interferon) zur Vernichtung von Tumorzellen beitragen, indem sie Makrophagen und NK-Zellen zur Abtötung von Tumorzellen aktivieren. Das körperliche Training hilft dabei, die Anzahl und Aktivität der NK-Zellen zu erhöhen.
Körperliches Training, Muskelaktivierung und Krebs
Körperliche Belastung bedeutet Belastung der Muskulatur unter gesteigertem Energieverbrauch. Bis vor Kurzem glaubte man, dass die Muskulatur lediglich ein Organ zum Bewegen von Gelenken ist, neue Studien jedoch zeigen, dass die Muskeln selbst sehr stoffwechselaktiv sind und Informationen zu körperlichem Training an andere Organe weitergeben – hierbei dienen Hormone als Vermittler zwischen Muskelfasern und anderen Organen. Diese sogenannten »Myokine«, Botenstoffe aus der Skelettmuskulatur (immerhin eines der größten Organe des Menschen), werden bei jeder Belastung des Muskels in unterschiedlicher Konzentration ins Blut ausgeschüttet und gelangen über die Blutbahn auch an Organe wie Brustdrüse und Darmwand. Dort nehmen sie Einfluss auf das Wachstum von Zellen und somit auf die Bildung von gut- und bösartigen Zellverbänden.
Der SPARC-Faktor
Eine japanische Forschungsgruppe hat festgestellt, dass ein spezieller Faktor, genannt SPARC, im Muskel gebildet und bei körperlicher Belastung in das Blut abgegeben wird. SPARC ist ein Eiweiß, das an äußere Zellstrukturen binden kann und für die...