1 Historische Entwicklung der Fußbehandlung
1.1 Erste geschichtliche Hinweise
Die Entwicklung von ersten Anfängen bis zur jetzigen Reflexzonentherapie am Fuß (RZF) nahm vermutlich einen ähnlichen Weg wie viele andere, heutzutage selbstverständlich akzeptierte Behandlungsformen: Es gab zu jeder Zeit Menschen mit besonderen Begabungen, die instinktiv und intuitiv wussten, was bei bestimmten Erkrankungen zu tun war, weil sie weitaus mehr in Naturzusammenhänge und kosmische Gesetze eingebettet waren.
So hat sich zum Beispiel das alte Wissen um die Heilkraft von Kräutern im Laufe von Jahrhunderten zur Phytotherapie entwickelt, das Stechen bestimmter Punkte am Körper mit einfachen, spitzen Gegenständen (schon im Altertum historisch belegt) wurde zur Akupunktur, geschliffene Steine und Metalle, mit denen früher Eingriffe ins Innere des Menschen durchgeführt wurden, waren der Beginn der Chirurgie.
Aus dem Vorderen Orient sind Jahrtausende alte ägyptische Piktografien ( ▶ Abb. 1.1) bekannt, die Behandlungen an den Füßen und Händen zeigen. Im Text eines hohen Würdenträgers heißt es dazu in etwa: „Füge mir keine Schmerzen zu.“ Die Antwort: „Ich werde mich so verhalten, dass du mich loben wirst.“ Oft wird damit darauf hingewiesen, dass diese Darstellung den Beginn der Reflexzonentherapie kennzeichnet; das lasse ich offen.
Abb. 1.1 Ägyptische Piktografie (ca. 4500 Jahre alt).
Auch aus dem Fernen Osten sind sehr alte, rituell-kultische Zeichen an den Füßen bekannt, häufig an den Sohlen von buddhistischen Statuen. Sie dienten wohl eher der religiösen Verehrung. Seit Jahrzehnten wird jedoch in verschiedenen fernöstlichen Ländern eine einfache (und oft sehr schmerzhafte!) Behandlung der Füße als Volksmedizin praktiziert. Sie ist vermutlich aus neueren westlichen Grundlagen entstanden.
Überdies existieren seit dem letzten Jahrhundert aus der westlichen Welt Hinweise, dass bereits die Ureinwohner Mittel- und Nordamerikas bei ihren Kranken eine Behandlung von Fußpunkten durchführten. Christine Issel, USA, recherchierte das Thema gründlich und sammelte 1990 in ihrem Buch Reflexology: Art, Science and History interessante Belege. Die Cherokee-Indianer scheinen der einzige Stamm zu sein, bei dem sich bis in die Neuzeit die Fußbehandlung nachweisen lässt. Es wird vermutet, dass sie ihr Wissen von den Inkas Südamerikas übernommen haben.
In Europa haben alten Quellen zufolge verschiedene Ärzte schon im Mittelalter eine Art von Zonentherapie durchgeführt. Henry B. Bressler beruft sich am Anfang des letzten Jahrhunderts in einem Buch auf eine Schrift, in der Ärzte um 1582 Behandlungen von Fuß- und Handarealen beschrieben und damit erstaunliche Resultate bei Kranken erzielten.
Aus allem Beschriebenen geht hervor, dass den Füßen von alters her in vielen Kulturen der Menschheit eine große, vielschichtige Bedeutung zugeschrieben wurde.
1.2 Entwicklungen in der Neuzeit
Heute berufen sich alle, die Fußbehandlungen durchführen, zunächst auf Dr. William FitzGerald, einen amerikanischen HNO-Arzt (1872–1942), der 1917 mit Dr. Edwin Bowers das Buch Zone Therapy veröffentlichte. Es gibt weder in seinem Schrifttum noch in Schilderungen früherer Mitarbeiter direkte Hinweise, aus welchen Quellen er sein wichtigstes „Handwerkszeug“, die Einteilung des Menschen in 10 Längskörperzonen, entwickelte. Da FitzGerald auch einige Jahre in London, Paris und Wien tätig war, wird vermutet, dass er dort mit entsprechend altem, europäischem Schrifttum in Berührung kam. Eine andere Annahme ist die, dass er bei seinen Aufenthalten in Europa die Grundregeln der Akupunktur kennenlernte und vielleicht die 12 bekannten Hauptmeridiane zu 10 Längskörperzonen stilisiert hat.
Die Grundidee seiner Arbeit, die er empirisch in vielen Jahren seiner Praxistätigkeit fand: Alle Belastungen und Erkrankungen von Organen und Geweben, die sich in einer der 10 Längskörperzonen befinden, lassen sich innerhalb dieser Längszone vom Kopf bis in die Hände und Füße therapeutisch beeinflussen. Gleich, woher FitzGerald seine Informationen bezog, gleich, ob seine Behandlungsvorschläge manchmal skurril anmuten – er benützte unter anderem Metallkämme, Wäscheklammern und dünne Holzstäbe: Bis heute ist dieses 10-Zonen-Raster ( ▶ Abb. 2.1) ein verlässliches Arbeitsmodell für unsere Therapie am Fuß. Zugleich fand ich in FitzGeralds Buch von 1917 eine erste Darstellung von Organzonen am Fuß ( ▶ Abb. 1.2).
Aus dem überkommenen Schrifttum geht hervor, dass FitzGerald trotz etlicher Anfeindungen nicht nur seine Patienten nach diesem bewährten Rasterbild höchst erfolgreich behandelte, sondern über viele Jahre Ärzte und Therapeuten verschiedener Fachrichtungen in praktischen Kursen unterwies. Einer seiner engsten Mitarbeiter, Dr. Georg Starr White, schildert in einer späteren Schrift, dass die Zonentherapie um 1925 in den USA eine der bekanntesten Therapieformen war.
In den frühen 1930er Jahren griff die amerikanische Masseurin Eunice Ingham (1888–1974) auf diese Erfahrungen zurück. Im Gegensatz zu FitzGerald behandelte sie jedoch nicht an unterschiedlichen Stellen am Körper des Menschen, sondern konzentrierte sich auf die Füße, die ebenfalls von den 10 Körperzonen durchzogen sind. Sie entwickelte eine spezielle Behandlungstechnik, die sie zunächst „The Ingham Method of Compression Massage“ nannte. 1938 veröffentlichte sie unter dem Titel Stories the Feet can Tell die erste schriftliche Zusammenfassung ihrer Erfahrungen ( ▶ Abb. 1.3), der später als Ergänzung ihr zweites Buch Stories the Feet have Told folgte.
Ihre Arbeit fand unter dem Begriff „Reflexology“ ein interessiertes Publikum, vor allem in Laienkreisen. Ihre beiden Schriften verbreiteten sich weit über die USA hinaus auch in europäischen Ländern. Bis heute werden sie von vielen gesundheitsbewussten Menschen als Grundlage zur Eigenbehandlung und Gesunderhaltung geschätzt.
Abb. 1.2 Fußzonen 1917.
(FitzGerald WH, Bowers EF. Zone Therapy or Relieving Pain at Home. 1917 [rerif])
Abb. 1.3 Fußzonen 1938.
(Ingham E. Stories the Feet can Tell. New York; 1938 [rerif])
1.3 Der Weg von der Reflexology zur Reflexzonentherapie am Fuß
1958 erfuhr ich als 25-jährige Masseurin erstmals durch E. Inghams Buch von der Fußbehandlung. Da ich in England als Grundberuf die Krankenpflege erlernt hatte, interessierte mich das Thema schon der Sprache wegen, aber sein Inhalt befremdete mich zunächst sehr. Vor allem schien mir unglaubwürdig, dass man nur durch „Drücken“ spezieller Punkte am Fuß Verbesserungen des Zustandes des Menschen an weit entfernten Stellen erreichen könne. Die therapeutische Neugierde trieb mich jedoch an, die angegebenen Areale, die jeweils der Symptomatik der Patienten entsprachen, zu überprüfen. Zu meinem Erstaunen waren sie nicht nur schmerzhaft, sondern ihre Behandlung hatte zur Folge, dass Beschwerden der Patienten deutlich nachließen.
Bald schon setzte ich diese neue Methode in meiner Praxis fast ausschließlich ein. Durch die Tatsache, dass ich von Beginn an mit Patienten arbeitete – und nicht, wie in den USA und anderen Ländern, mit Klienten – fand der Wechsel von der Wohlfühlebene und Prävention zur Therapie fast von selbst statt.
1967 begann ich mit Kursen für Fachkräfte und sah in dieser Ausbildung ein Zusatzangebot für Interessierte aus medizinisch-therapeutischen Berufen. Erst später wurde mir klar, dass die Abgrenzung von der Laienmethode es relativ leicht machte, die RZF in Praxen für physikalische Therapie, Krankenhäusern und Rehabilitationszentren professionell einzusetzen.
Ab 1973 entwickelten sich dank der großen Nachfrage vonseiten der Therapeuten und der Patienten eine Reihe weiterer Aus- und Weiterbildungszentren im In- und Ausland.
1975 erschien mein erstes Buch Reflexzonenarbeit am Fuß ▶ [31]. Es ist nach wie vor als „Schnupperlektüre“ interessant und hat inzwischen 25 Auflagen erreicht. Bereits damals hatten sich aus der praktischen Erfahrung neue Zonen entwickelt und übernommene wurden in ihrer anatomischen Lage am Fuß präzisiert.
...