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Lernstile im und für den Fremdsprachenunterricht

Theoretische Aspekte und praktische Implikationen

AutorDaniel Schupmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl118 Seiten
ISBN9783638010900
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Didaktik - Englisch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1,0, Philipps-Universität Marburg, 100 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat das Wissenschaftsgebiet der Lernpsychologie zahlreiche Faktoren ausgemacht, die die mitunter stark variierenden Resultate menschlichen Lernens beeinflussen. Als Auslöser für ein gesteigertes Interesse an den Bedingungen von Denk- und Verstehensprozessen gilt dabei der Paradigmenwechsel vom Behaviorismus zum Kognitivismus, der so genannten Kognitiven Wende. Während sich manche Wissenschaftler/innen auf die Betrachtung von Einflussgrößen wie beispielsweise die Intelligenz, Motivation oder soziokulturelle Hintergründe konzentrieren, hat sich eine Forschungsrichtung entwickelt, die sich der Charakteristik unterschiedlicher Lernzugänge widmet, d. h. dem Wie des Lernens. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen diesbezüglich verschiedene Modalitäten der Aneignung, Strukturierung und des Abrufs neuer Informationen - Komponenten des Lernens, deren je spezifische Ausprägungen unter dem Begriff des individuellen Lernstils subsumiert werden. Darüber hinaus werden in zahlreichen Publikationen auch sozial-affektive Beschreibungsgrößen als lernstilbestimmend angesehen. Eine solche weite Definition vertritt z. B. Grotjahn (1998:11). Er sieht Lernstile 'im Sinne von intraindividuell relativ stabilen, zunächst situations- und aufgabenunspezifischen Präferenzen (Dispositionen, Gewohnheiten) von Lernern sowohl bei der Verarbeitung (Aufnahme, Strukturierung, Speicherung ...) von Informationen als auch bei der sozialen Interaktion.' Das Postulat einer Existenz stilgeprägter Lernwege ruft Vertreter verschiedenster Interessensgemeinschaften auf den Plan, die hierin ein theoretisches Konstrukt besonderer Relevanz vermuten. Insbesondere im Bereich der Pädagogik bzw. der mit ihr verkoppelten Fachdidaktiken hat sich ein mittlerweile breiter Diskurs entfaltet, dessen inhaltlicher Schwerpunkt auf der Besprechung lehrpraktischer Auswirkungen liegt.

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Leseprobe

3 Stand der Lernstilforschung und ausgewählte Vertreter einflussreicher Konzepte sowie deren Relevanz für die Fremdsprachenforschung


 

Der vorangegangene Abschnitt diente einem ersten Einblick in zentrale Begriffe der Lernstilforschung sowie deren Interdependenzen. Dabei wurde weitgehend darauf verzichtet, spezifische Lernstilmodelle und deren Vertreter zu benennen, um zunächst ein Basisverständnis für konzeptübergreifende Grundgedanken zu ermöglichen. Vereinzelt wurde schon auf divergierende Schwerpunkte innerhalb der Lernstilforschung eingegangen, zudem wurden ausgewählte Stildimensionen beispielhaft erwähnt, um bestimmte Sachverhalte anschaulicher darstellen zu können.

 

Ausgehend von diesem allgemeinen Begriffsverständnis wird das folgende Kapitel nun einer Systematisierung von Lernstilkonzepten verschiedenster Richtungen dienen, eine Maßnahme, die vor dem Hintergrund einer Vielzahl der mit dem Lernstilbegriff beschäftigten Publikationen unumgänglich ist:

 

„Learning style is a complex construct involving the interaction of numerous elements; thus, at the outset, the experimenter is faced with the difficult task of having to decide which dimensions of learning style to elucidate and which interactions might be meaningful, in a practical sense, in understanding their contribution to achievement.“ (Corbett & Smith 1984:212)

 

Es wird sich herausstellen, dass die unterschiedlichen Ansätze zu Konzeptfamilien zusammengefasst werden können, deren Mitglieder einen jeweils ähnlichen inhaltlichen Brennpunkt aufweisen. Entsprechend werden exemplarisch Repräsentanten der jeweiligen Gruppe im Detail dargestellt, die bezüglich ihrer konzeptuellen Adaption für die Fremdsprachenforschung wichtige Grundlagen geschaffen haben.

 

Zum Zwecke einer möglichst einheitlichen Darstellung werden alle Modelle in Bezug auf ihr inhaltliches Interesse, die fokussierten Stildimensionen sowie deren Instrumentalisierung und ihre wissenschaftliche Fundiertheit betrachtet. Der allgemeinen Darstellung folgend werden die das Modell konstituierenden Stilvariablen daraufhin überprüft, inwieweit sie im Zusammenhang mit stilbezogener Fremdsprachenforschung aufgegriffen wurden und ob deren inhaltliche Übertragung auf das spezifische Feld des Fremdsprachenlernens ggf. durch empirische Studien verifiziert werden konnte.

 

Es soll schon an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Fremdsprachenforschung bisher keinen konzeptuell neuartigen Beitrag zur Lernstilforschung geleistet hat, sondern sich darauf beschränkt, vorzugsweise der Lernpsychologie entlehnte Konzepte auf fremd- und zweitsprachenspezifische[10] Lernsituationen anzuwenden, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung von Erhebungsinstrumentarien. In einem weiteren Schritt wird das Sortiment beispielhafter Stildimensionen noch einmal hinsichtlich inhaltlicher Überschneidungen geprüft, um abschließend einen für die Betrachtung unterrichtspraktischer Konsequenzen geeigneten Katalog fremdsprachenrelevanter Stilkategorien formulieren zu können.

 

3.1 Lernstile – Versuch einer Kategorisierung


 

Das seit seinen Ursprüngen Anfang der 1970er[11] Jahre zunehmend unübersichtlicher werdende Forschungsgebiet der Lernstile hat v. a. im letzten Jahrzehnt zahlreiche Autor/innen[12] dazu veranlasst, die verschiedenartigen Konzepte mit ihren jeweiligen Kernpunkten zu erfassen, um sie einer systematischen Übersicht zuzuführen. Kein leichtes Unterfangen, bedenkt man die Komplexität vieler Modelle, die bis zu 32 Stildimensionen thematisieren (vgl. Keefe 1987).  Die verschiedenen Teilbereiche der Lernstilforschung, die gleichzeitig das Augenmerk einzelner Konzepte charakterisieren, lassen sich zum Zwecke eines groben Überblicks am anschaulichsten mit Hilfe eines auf Curry (1983, 1987) zurück gehenden Modells darstellen: Er benutzt die Metapher einer Zwiebel, um die schichtenähnliche Anordnung vierer Bereiche abzubilden, die der Erfassung von Lernverhalten zugrunde gelegt werden können:

 

 

Abb.3: Currys Zwiebelmodell (eigene Darstellung nach Curry 1987)

 

Betrachtet man Currys Modell von innen nach außen, so erkennt man zunächst den Kern, der kognitive Persönlichkeitsmerkmale repräsentiert. Er wird als relativ stabil und entsprechend wenig beeinflussbar angesehen. Das Modell sieht eine Abnahme der Stabilität sowie eine damit einhergehende Zunahme der Einwirkung äußerer Faktoren von innen nach außen vor. Die zweite Schicht erfasst Vorlieben bezüglich informationsverarbeitender Prozesse und kennzeichnet damit jenen Teilbereich, dem sich die meisten Lernstilkonzepte widmen. Eine dritte Schicht berücksichtigt das soziale Interaktionsverhalten von Lernern, sie wurde dem Modell erst nachträglich hinzugefügt. Schließlich bildet die Außenschicht Unterrichtspräferenzen i. S. bevorzugter Lehrmethoden, Lernumgebungen etc. ab (vgl. Cassidy 2004:4ff).

 

Auch wenn dieses Modell zumindest andeutungsweise die Interessensbereiche der für die Erhebung von Lerngewohnheiten bedeutsamen Faktoren einbezieht, lässt insbesondere der Kern für Coffield et al. (2004:9) einige Fragen offen:

Yet, however attractive the onion metaphor may be, it is far from clear what lies at the centre. Conceptions of cognitive style relate to particular sets of theoretical assumptions, some of them psychoanalytic in origin. Ideas about stability are influenced more by theoretical concerns than by empirical evidence.”

 

Die Frage nach der Stabilität lernstilprägender Merkmale bildet den Ausgangspunkt einer von Coffield et al. (2004) angestrengten Überblicksarbeit, die die untersuchten Stildimensionen gängiger Lernstilkonzepte bezüglich ihrer konstitutionellen, relativ starren Fundierung einerseits bzw. ihrer Flexibilität und Veränderbarkeit andererseits einzuordnen versucht. Dabei greifen die Autor/innen auf frühere Klassifizierungsversuche[13] zurück und erweitern diese unter o. g. Gesichtspunkten zu einem Kontinuum, das sich über fünf sog. Familien erstreckt:

 

 

 Abb.3: Lernstilfamilien[14] (Coffield et al. 2004:10)

 

Auch dieses Modell kann selbstverständlich nicht das weite Feld der Lernstile in seiner Gesamtheit erfassen, die Einteilung in Konzeptfamilien verleitet mitunter zu der Annahme, dass die jeweiligen Lernstilkonstrukte deutlich voneinander abzugrenzen seien, obwohl sie sich tatsächlich nur in Nuancen unterscheiden. Der übergreifende Ansatz, über fünfzig einflussreiche Konzepte hinsichtlich der (vermuteten) Stilstabilität einzuordnen, ist jedoch m. E. das vorläufig umfassendste und gelungenste Unternehmen einer Systematisierung und soll im weiteren Verlauf dieses Abschnitts als klassifikatorischer Referenzpunkt dienen.

 

3.2 Ausgewählte Vertreter einflussreicher Lernstilkonzepte


 

Im Folgenden werden einflussreiche Konzepte jeder Familie umfassender beleuchtet. Die Auswahl der jeweiligen Vertreter erfolgt dabei insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Relevanz für den Fremdsprachenunterricht. Eine kurze Darstellung der zentralen Merkmale entsprechender Konzeptfamilien wird der Besprechung betreffender Stildimensionen voran gestellt.

 

3.2.1 Lernstile sind weitestgehend genetisch bedingte, schwer beeinflussbare Persönlichkeitsmerkmale


 

Die Befürworter dieser Position gründen ihre Argumentation meist auf der Annahme, dass die Persönlichkeit eines Individuums größtenteils biologisch bestimmt ist. Im Zusammenhang mit Lernsituationen werden dabei v. a. eine angeborene und somit unveränderbare Dominanz bestimmter Wahrnehmungsarten und die Bevorzugung einer der beiden Gehirnhälften thematisiert: „It appears that dispositions for interacting with the world in specific ways are inborn.“ (Gregorc 1984:52)

 

3.2.1.1 Gregorc

 

Die Arbeiten Gregorcs drehen sich um zwei Stildimensionen, die die Wahrnehmung neuer Informationen einerseits sowie die Verarbeitung derer andererseits erfassen sollen. Erstere wird dabei mittels eines Kontinuums dargestellt, dessen Begrenzungen die Abstraktheit (abstractness) bzw. die hierzu gegensätzliche Konkretheit (concreteness) bei der Informationsaufnahme bilden. Z. B. wiesen Lerner/innen, die Dinge vorwiegend dichotom wahrnehmen (z. B. richtig/falsch, gut/schlecht), einen hohen Grad an Konkretheit auf. Je variierender Lerner/innen einen Sachverhalt bewerteten (z. B. bedingt richtig), desto abstrakter sei ihr Wahrnehmungsverhalten.

 

Die Art und Weise, in der ein Individuum Informationen ordnet und für den späteren Rückgriff systematisiert, beschreibt Gregorc mit dem Begriffspaar sequenziell (sequential) und zufällig (random). Entsprechend werden sequenzielle Lerner/innen im Zusammenhang mit einer Vokabelkartei beispielsweise einem alphabetischen Ordnungsprinzip folgen oder aber vielleicht die Wörter nach Wortarten sortieren. Demgegenüber würde ein zufälliges Lernverhalten eine willkürliche Organisation der Vokabeln nahe legen, vermutlich...

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