Welche Wünsche haben Sie an Ihr Leben? Sind Sie vollständig damit zufrieden oder träumen Sie davon, dass sich etwas verändert? Wie oft sagen Sie „Wenn nur ...“, „Ich wünschte ...“, „Ich sollte ...“ und ähnliche Sätze zu sich? Ich kenne kaum einen Menschen, der aus tiefsten Herzen sagen kann : „Alles was ich will, kann ich problemlos umsetzen und erreichen.“
Dies zu können, wünschen sich viele von uns. In vielen Bereichen ist das leicht, in einigen etwas fordernder. Doch wer kennt das nicht? Gerade die Dinge, die uns am Wichtigsten sind, scheinen nicht zu klappen. Und je stärker wir es versuchen, desto schwerer scheint es zu werden. Es ist wie verhext. Die Ursache dafür ist oft Stress. Eine Erklärung ist, dass alles, was nicht leicht läuft, mit Stress assoziiert ist. Hierbei ist der „schlechte” Stress, der Disstress, gemeint, der nur Kraft kostet. Sie können sich Stress wie „Sand im Getriebe” Ihres Lebens vorstellen. Je mehr vorhanden ist, desto schwerer kommt man voran, zu viel davon und es entsteht womöglich Schaden.
Und oft scheint uns der Stress in der Zange zu haben: In der Arbeit, mit der Familie und in vielen anderen Bereichen.
Stress scheint in unserer heutigen Welt allgegenwärtig zu sein. Die Folgen sind vielfältig. Unsere Gesundheit, unsere Beziehungen und unsere Lebensqualität leiden darunter.
Stress ist ein subjektiver Zustand. D.h. er wird für jeden von uns individuell erlebt. Oft entsteht er aus der Befürchtung eine Situation nicht selbst verändern zu können, die als belastend empfunden wird. Belastungen können objektiv sein, z.B. Lärm, Kälte oder Hitze. Auch toxische Substanzen wie z. B. Rauch stressen unseren Körper. Es gibt auch subjektive Belastungen wie dauernde Überforderung oder existenzielle Ängste. Diese subjektiven Belastungen sind in Ihrer Wirkung real und meistens mit dem Verstand alleine nicht zu bewältigen.
Wenn in diesem Buch von Stress gesprochen wird, ist ausschließlich negativer Stress, der sogenannte Disstress gemeint. Neben dem Disstress gibt es noch den Eustress, den guten Stress, der uns voranbringt und fördert. Für ein gesundes und erfolgreiches Leben ist ein möglichst niedriges Verhältnis von Disstress zu Eustress erforderlich. Es gibt zwar die Situation, dass Probleme durch zu wenig Eustress entstehen, doch in unseren Lebensumständen ist der Eustress absolut gesehen selten zu niedrig. Vielmehr ist es so, dass der massive Disstress den Eustress auffrisst. Wenn Disstress reduziert wird, kann der Eustress zur Geltung kommen. |
Normalerweise können wir die Auswirkungen von Stress gut verarbeiten. Für ein gesundes Leben und Wachstum ist sogar ein Wechsel zwischen Stress und Erholung vonnöten. Die Stressverarbeitung gleicht dem Muskelaufbau durch körperliches Training. Unsere Fähigkeit mit Belastungen gesund umzugehen steigt, wenn sie im richtigen Verhältnis zwischen Anforderung und Fähigkeiten bzw. Erholung liegt.
Beispiel der Entwicklung unseres Leistungslevel bei ausreichender Erholung.
Beispiel der Entwicklung unseres Leistungslevel bei ungenügender Erholung.
Hans Selye gilt als Vater der Stressforschung. Bereits 1930 erforschte er die Auswirkungen von Stress. Der klassische Verlauf von anhaltendem Stress führt zu folgenden Phasen unserer Leistungsfähigkeit.
Stressverlaufskurse nach Selye
Beim Auftreten von (Dauer)Stress fällt kurz die körperliche und geistige Leistungsbereitschaft ab, um dann durch Ausschüttung der sogenannten Stresshormone wieder anzusteigen - meist über das ursprüngliche Niveau hinaus. Bleibt der Stress bestehen, geht es uns eine lange Zeit sogar gut damit. Der Organismus läuft auf 120 %. Wirkt der Stress zu lange ein, so kommt es zum Stadium der Erschöpfung, die je nach Ausmaß sehr schnell zunehmen kann.
Der Erholungsverlauf
Kommt es zur Erholung, ist der Verlauf meist genau rückwärts. Nach einer Phase der (teils sehr langsamen) Erholung folgt eine trügerische Phase der hohen Leistungsfähigkeit. D.h. unser Organismus ist wieder auf 120% eingestellt. Viele Menschen gehen davon aus, dass Sie sich hier bereits vollständig erholt haben und kehren deshalb wieder zu Ihrem alten Verhalten zurück. Dies war jedoch verantwortlich für die Erschöpfung. Die nächste Erschöpfungsphase kommt jedoch meist schneller und verläuft stärker, da der Körper noch keine neuen Reserven aufgebaut hat.
Für eine nachhaltige Veränderung muss die Erholung vollständig erfolgen, d.h. inklusive eines möglichen kurzzeitigen Leistungsabfalls unter 100%. Es kann hier der Eindruck einer Verschlechterung entstehen und ist auch oft schwer davon unterscheidbar. Der Leistungsabfall geht bei weiterer Erholung aber wieder in das normale Leistungslevel über. Es sollte zusätzlich an der Ausgangslage grundsätzlich etwas verändert werden, um diesen Stress-Verlauf zu unterbinden.
Durch die Tatsache, dass das normale, d.h. gesunde Leistungsniveau weit unter dem der Kompensation liegt, neigen viele Menschen dazu, sich in der Kompensationsphase aufzuhalten. Dies führt jedoch früher oder später zu gesundheitlichen Folgen. Es ist wie bei einem Motor, der ununterbrochen hochtourig läuft. Durch ein vernünftiges Verhältnis zwischen Anforderungen und Erholung können wir jedoch unser normales Leistungslevel kontinuierlich und gesund steigern.
Neben den gesundheitlichen Auswirkungen beeinflusst Stress auch unser Gefühlsleben und damit auch unser Verhalten und unsere Gedanken. Das ist vielen Menschen oft nicht klar. Unter Stress fährt unser Gehirn die Überlebensprogramme des Reptiliengehirns. Es heißt dann fight, flight or freeze! Das bedeutet, wir reagieren mit Kampf, Flucht oder tot stellen. Außerdem können unsere einzelnen Gehirnareale unter Stress nicht vernünftig zusammenarbeiten. Die einzelnen Anteile arbeiten isoliert statt synchron. In diesem Zustand ist keine Zeit für höhere geistige Leistungen. Der Mensch läuft auf Autopilot, anstatt zu LEBEN2.
Durch Stress verändert sich auch das emotionale Erleben d.h. alles wird durch die erhöhte Reptilienhirnaktivität in Richtung Aggressivität, Angst oder Lethargie gefärbt. Selbst schöne Erlebnisse werden, zum Teil, mit diesen Erleben verknüpft.
Die oben genannten Ausführungen könnten den Schluss nahelegen, dass es erstrebenswert ist, jeglichen Stress zu vermeiden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass ein Mangel an Reizen uns genauso krank machen kann wie ein Zuviel. Wir benötigen ein richtiges Maß an Herausforderung um zu wachsen. Wenn wir aufhören zu wachsen bauen wir sehr schnell ab. Sicher wissen Sie, dass ein großes Problem der Raumfahrt der Muskelabbau der Astronauten ist. Durch das Fehlen der Schwerkraft werden die Muskeln nicht mehr gefordert und selbst durch Krafttraining mit Geräten, kann dies nicht vollständig aufgehalten werden. Wussten Sie aber auch, dass Kinder, die in einer „zu sauberen“ Umgebung aufwachsen viel häufiger an Allergien leiden, wie Kinder die unter weniger perfekten Bedingungen groß werden? Auch unser Immunsystem benötigt die regelmäßige Herausforderung mit Erregern, um nicht falsch zu reagieren.
Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Zu wenig Reize sorgen dafür, dass wir wichtige Muskeln nicht trainieren. Auf Stress bezogen heißt das: Wenn wir jeden Stress vermeiden, verlernen wir, wie wir mit Stress umgehen können.
Jeder hat es schon mal erlebt, den Zustand des Flow: Jeder Handgriff sitzt, und alles läuft perfekt. Der Flowzustand entspricht dem optimalen Verhältnis zwischen Anforderungen (also die optimale „Stressmenge“) und Können. Erforscht und beschrieben wurde der Flowzustand von Mihaly Csikszentmihalyi, zuerst nur bei Risiko-Sportarten. Die Ergebnisse können jedoch auf alle Lebensbereiche übertragen werden. Für ein ideales Leben benötigen wir Herausforderungen. Herausforderungen, die unsere Konzentration benötigen, uns jedoch nicht überlasten. Sie dürfen jedoch auch nicht zu leicht sein. Nur in diesem engen Korridor entsteht Flow.
Übung:Notieren Sie sich 10 Ereignisse bei denen Sie den Flow-zustand schon einmal erlebt haben. |
"Ich glaube, dass die latenten Fähigkeiten eines jeden von uns beträchtlich größer sind als die, mit
denen wir leben."
Moshé...