Oder sei es der echte karibische Rum, die bunten Vögel auf Tobago, ein frisches Croissant mit Ziegenkäse auf St. Barth oder einfach mit dem Ex-GI Martin und seiner Frau Heidi auf dem Katamaran die typische Stimmung über dem Meer genießen.
Allerdings wurde Meier in der Karibik auch immer schnell klar, dass dies kein Platz für Dauer und zum Leben ist. Rein theoretisch hätte man damals ein kleines Anwesen bereits für 50 000 Mark haben können. Aber was will man da? Der Lebensunterhalt reduziert sich schnell auf die Gastronomie, Wassersport und ein paar benachbarte Services. Touristen sind eben auch nicht reichlich auf den kleineren Inseln und die Einheimischen leben sehr bescheiden: Man kocht sich gewürzten Brei und lebt von dem, was die Natur so bietet. So sind auch die wenigen Krämerläden auf den Inseln sehenswerte Relikte und mit unserer Vorstellung selbst eines Mini-Supermarktes nicht zu vergleichen, eher wie ein Warendepot am Rande der Wildnis. Im Kontrast dazu die Touristenlädchen in den kleinen Buchten und Häfen, die kleinen Märkte mit tollen frischen Ananas, Limetten und – sofern man sie nicht aus dem eigenen Garten sowieso hat – frischen Papayas. Und natürlich gibt es an einigen Stellen auch aus der Ferne angestrandete Menschen, die nach Art ihrer Heimat backen. Allerdings auch mit bescheidenen Erwartungen an Kunden, die sich einmal dahin verirren. Und da Meier bekanntermaßen weder Arzt oder Handwerker war – was will er auf solch einer Insel anstellen, um wenigstens seinen Unterhalt zu verdienen? Ein guter Ort, Abstand zu gewinnen, aber man muss für das reale Leben woanders ansetzen.
Aix-en-Provence,
Gute Lebensmittel und Geschmack bei Monsieur Meroni: Die Lehre von den kleinen Unterschieden. .Ein Landwirtschaftsexperte in Aix-en-Provence, bescheiden und engagiert. Er kannte alle relevanten Ergebnisse der Lebensmittelforschung aus Montpellier und Paris: Inwiefern die sonnengereifte tiefrote Tomate für die Ernährung besser ist als eine bleiche erst auf dem Transport nachgereifte. Was man aus der Dotterfarbe eines Eis schließen kann. Wie ein Salat aussehen und gedeihen muss, um wertvoll für die Ernährung zu sein. Für Meier war es damals eine Offenbarung, dass es ernsthaft forschende Menschen gibt, die solche Fragen stellen und daraus auch noch Ergebnisse ziehen. Er machte daraus eine ganze Bewegung in der regionalen Landwirtschaft für gute Produkte. Das ist die große Stärke der Richtigen unter den Franzosen, dass sie solche Fragen stellen sowohl für den Genuss als auch für die Gesundheit, weil für sie beides immer eins ist. Genau daraus bezogen auch viele der französischen Biopioniere ihre Motivation. Meier traf zum Beispiel bei André D. auf eine ähnliche Haltung. In der Heimatstadt von Meroni in Aix wurde schließlich ein Produkt erfunden, das man sich in deutschen Breiten nur schwer vorstellen könnte: Calissons, ihre Süße kommt ursprünglich aus den verwendeten Melonen, der Hauptgeschmack aus Mandeln. Ursprünglich war bei dieser tollen Spezialität kaum zugesetzter Zucker im Spiel, eventuell für den Deckguss und gegebenenfalls für die Herstellung der Oblaten, auf denen die Köstlichkeit manchmal steht. Die alten schweren Formen, in denen man die Callisons anrichtet, werden noch heute in Aix in Ehren gehalten. Wenn man dazu die neuzeitlichen Rezepte für clevere Köche liest, bleibt nur noch wenig von dem einstigen Naturprodukt übrig.
Wer im Spätsommer durch Südfrankreich fährt, der versteht, warum die Menschen hier im Sommer nur wenige Geschäfte brauchen und lieber ihren Bedarf duftend und aromatisch unter freiem Himmel decken wie etwa in der Camargue, wo es passenderweise zu allem noch das einheimische Salinensalz, den eigenen Reis und – bei Bedarf – das Fleisch der einheimischen Stiere gibt.
Manch ein Genuss erwartet einen auch im benachbarten Montpellier, eine tolle Auswahl von Weinen des Südens, eine romantische alte Universitätsstadt mit soviel Flair, dass sie auch für die Franzosen selbst auf Platz 1 der liebenswerten Städte steht, eine moderne Neustadt und einer mutigen Neustadt aus den achtziger Jahren von einem postmodernen katalanischen Architekten: das Antigone mit viel historisierenden Elementen gestaltet, ein Vierteil mit Lebensqualität und Gesicht und nur einen Fußweg vom historischen Stadtkern entfernt.
Paris, 2eme
„Paris vaut bien...“ Für die einen ist Paris schlicht ein Moloch. Für andere die Stadt der Liebe. Für die meisten Franzosen der nötige Weg in die Karriere. Und für Meier ein unerschöpfliches lebendiges Buch. Zeitweilig führte Meier in Hamburg eine Werbeagentur mit gut 25 Mitarbeitern. Da konnte es sich die Firma sogar leisten, ein Industrieloft in Altona für sich auszubauen und trendgerecht zu gestalten.
Mit einer mittelständischen Agentur war es allerdings schwer, sich ein interessantes Profil zu geben. Es ging im Alltag mehr um Brot- und Butterjobs, um 25 Menschen in Lohn und Brot zu halten. Und selbst vorweihnachtliche Events mit leckeren Häppchen von Tim Mälzer, damals dem Geheimtipp aus dem „Weißen Haus“ in Övelgönne, konnten namhaftere Hamburger Auftraggeber nicht für eine derartige Agentur gewinnen. Nicht dass ihr der Stil oder der richtige Zuschnitt fehlte, es bewegte sich einfach für den Geschmack eines Unternehmers mit Visionen zu wenig. Und eine Immobilie im eigenen Besitz konnte ihn nicht über die mangelnde Perspektive hinwegtäuschen.
Alles begann mit dem kleinen Schwindler, so muss man Adalbert wohl heute bezeichnen. Er wollte Meier eine Agentur zum Kauf anbieten, die ihm nur teilweise gehörte, eine Firma, die mehr Vergangenheit hatte als Zukunft und dazu führte er Meier in eine der nach wie vor faszinierendsten Städte der Welt. Der erste Besuch im vorweihnachtlichen Winter. Die beiden kamen abends über die bereits vorweihnachtlich beleuchteten Champs Elysées und fuhren zu einem Handelskammer-Empfang in einem der Palais in der Stadt: wenige große Säle, ein typisch französisches Buffet, Smalltalk in französischer Politesse, viele neue Gesichter und am Ende ist man voll der Eindrücke, des Weins und der kleinen Leckereien. Und man wird nicht leugnen können: das Ganze hat Stil und man trifft eine Reihe ziemlich interessanter Menschen. Aber kann man dort auch Geschäfte machen? Ein Neuankömmling kann das nicht beurteilen. Jedenfalls fiel Meier nach diesem Abendempfang schon allein dank des in diesen Massen ungewohnten Champagners in seinem Hotel-Dachzimmer endlich in den Schlaf.
Am nächsten Morgen ging es in die Agentur, Büro mitten in der Stadt zwischen Madeleine, Opéra Garnier und Börse, direkt an der Opéra comique in der Rue Richelieu. Die Adresse macht Eindruck – das Interieur weniger und die Kunden und die laufenden Aufträge machten schon auf den ersten Blick nicht den Eindruck einer dynamischen Geschäftsentwicklung. Der einzige wirkliche Pluspunkt, der Standort und die Bereitschaft der bisherigen Chefs zu einer absolut ungebremsten Kooperation bis hin zur völligen Geschäftsübergabe. Verbunden mit der Aussicht, Meier beim Öffnen vieler Türen zu helfen. Nicht zu verachten war die kulinarische Seite. Die kleinen Business-Restaurants der Hauptstadt bieten eine Küche mit der man leben kann, vorausgesetzt man meidet die Ketten und Fast-Food.
Jedenfalls reichte bereits eine erste Stippvisite aus, um Meiers Interesse zu wecken. Er beschloss, am Ball zu bleiben.
Haselünne/ Hamburg/ Berlin
Das Emsland entließ seine Kinder: Auch in der Neuzeit werden Kinder aus strukturschwachen Gebieten viel öfter eine Art moderner Wanderarbeiter, weil ihnen die Heimat keine Chancen bietet. Die Tatsache, dass Meier über ein leidlich ausgestattetes Büroloft in Hamburg verfügte und alle Ressourcen für eine leckere Bewirtung vor der Haustür hatte, verführte ihn dazu, seine alte Schulklasse aus Meppen dorthin einzuladen. Einen brauchte er nicht eigens nach Hamburg zu bitten, denn der war bereits dort: Heiner Schimmöller, beim Spiegel einst in der Sportredaktion eingestiegen, für das Deutschland-Ressort verantwortlich und schließlich für das neue Spiegel-Hauptstadtbüro in Berlin. Heiner lebte mit Frau und zwei Kindern am nördlichen Stadtrand und Heiner und Meier waren unausgesprochen in einer ähnlichen Situation, beide damals privat in Umbruchssituationen, beruflich gefordert und Welten von vielen anderen ehemaligen Klassenkameraden entfernt. Mit manchen verband sie durchaus die Erfahrung, dass nicht alle Beziehungen lebenslang halten. Auch einem norddeutschen Gymnasiallehrer passiert es heutzutage, dass die Beziehung zu der Jugendliebe, mit der man schon als Schüler gemeinsam in Urlaub fuhr, nicht bis ins Alter hält. Und ein erfolgreicher Markenmanager bei Oetker kann eben auch mehr als einer attraktiven Frau begegnen. Das Entscheidende ist, wie man damit umgeht und dass man über all dem nicht in Resignation und Weinerlichkeit verfällt.
Meier hätte sicher in seiner Schulzeit selbst niemals gedacht, dass Heiner später einmal einer von denjenigen wäre, mit dem er sich am besten austauschen könnte. Zu seiner Geschichte hinterließ er noch den Nachruf der Spiegel-Kollegen auf...