Einführung
Biancas Geschichte
Wer das Unverhoffte nicht erhofft, wird es nicht finden.
Heraklit
Als ich 1979 mit meinem ersten Kind schwanger war, wusste ich eines mit Sicherheit: Ich wollte auf keinen Fall in ein Krankenhaus. Das wiederum war für meine Familie ein Unding. Für eine Zwanzigjährige italienischer Herkunft, die mit einem Griechen verheiratet war, galten bestimmte Regeln. Doch nachdem ich über Rooming-in, sanfte Geburt, Lamaze, Leboyer und dergleichen mehr gelesen hatte, war mir klar, dass ich für mich und mein Kind einen anderen Weg gehen musste. Ich hatte Glück und fand das damals einzige Geburtshaus der Stadt.
Diese selbstbestimmte, aus meinem Inneren kommende Entscheidung, mit der ich mich gegen die gängigen Regeln stellte, war im Rückblick eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Auch zur Geburt meines zweiten Sohnes zwei Jahre später setzte ich meinen Kopf durch. Ich hatte entschieden: Ich bekomme dieses Kind im Stehen. Eine Herausforderung für die Hebamme – das war damals nicht üblich. Da ich aber partout nicht auf das Kreißbett zu bekommen war, blieb ihr keine Wahl, und ich durfte erfahren, über welche Kräfte mein Körper verfügt und wie wichtig es war, es genau so zu machen. Ich fühlte, dass es für mich und mein Kind richtig war.
Die Findung oder der Weg erschließt sich im Gehen
Danach wurde ich immer öfter um Begleitung bei Geburten gebeten. So wurde ich zur Geburtsbegleiterin, die man heute Doula nennt. Später lernte ich als Körpertherapeutin auf der Trauma-Station einer psychosomatischen Klinik unter anderem das PITT-Konzept nach Luise Reddemann kennen, in dem ein zentraler Aspekt die Arbeit mit inneren Bildern, Imaginationen, ist. Mit diesen Modellen arbeitete ich in meiner eigenen Praxis weiter. Als Geburtsbegleiterin bei einer meiner Kursteilnehmerinnen stellte ich später fest, dass sie sich sofort wieder auf ihren Körper und den Geburtsprozess einlassen konnte, sobald ich Schlüsselworte und Gesten aus dem Kurs verwendete. »Zufälligerweise« fiel mir kurz darauf das Buch »HypnoBirthing« von Marie Mongan in die Hände. Umgehend machte ich die Ausbildung (2009) bei Sydney Sobotka in der Schweiz. In diesem Konzept fand ich eine Möglichkeit, meine Erfahrungen und mein Wissen als Therapeutin und Geburtsbegleiterin zusammenzufügen, um Schwangere im Hinblick auf die Geburt und Paare im Hinblick auf die bevorstehende Elternschaft zu stärken. Und ich sah mit HypnoBirthing einen Weg, aktiver zu einer Geburtskultur beizutragen, die Frauen darin unterstützt, sich wieder den Respekt und die Achtung zurückzuholen, die ihnen gebührt. Denn bis vor nicht allzu langer Zeit bestimmten Frauen noch selbst, wie sie gebären wollten. Eine Hebamme und auch Nachbarinnen und Freundinnen wurden dazu gerufen, jede hatte ihre Aufgabe bei der Geburt. So schreibt die Medizinhistorikerin Barbara Duden: »Das Wissen darum, dass im Normalfall ein Kind nur unter Frauen – ohne Hinzuziehung eines Arztes – geboren werden kann, ist fast gänzlich verloren gegangen.«2
Geburt fand in vertrauter Atmosphäre unter Menschen statt, mit denen die Frau eine persönliche Beziehung hatte. Heute begegnen sich Fremde, die Schwangere trifft in der Klinik auf wechselndes medizinisches Personal. Man kennt sich nicht, die Umgebung ist fremd und im Unterbewusstsein mit Krankheit und Leid verknüpft, und dennoch soll sich die schwangere Frau in diesen entscheidenden Stunden ihres Lebens hingeben und öffnen.
Trügerische Sicherheit
Was seit Menschengedenken geburtserfahrene Frauen und Hebammen kraft ihrer Intuition und Lebenserfahrung praktizierten und den Gebärenden an Unterstützung geben konnten, verlor sich im Laufe der letzen hundert Jahre auf dem Weg zur Klinikgeburt. Heute ordnen sich die Frauen, die werdenden Väter und auch die Hebammen den Bestimmungen eines Klinikmanagements und einer von Apparaten, Zeit- und Kostendruck dominierten Krankenhausatmosphäre unter.
Doch je mehr technische »Sicherheit«, desto unsicherer die werdenden Eltern, denn Sicherheit ist relativ, sie ist eine Illusion und aller Technisierung zum Trotz lässt sich eine Geburt nicht wirklich kontrollieren. Weil sie kein technischer Prozess ist, sondern ein organischer Vorgang, der sich in einem menschlichen Körper vollzieht und nicht berechenbar ist. Die Geburt ist ein körperliches, psychisches und spirituelles Übergangsritual und liegt letztendlich in der Verantwortung und Kompetenz der Frau. Die zunehmende Verschiebung der Eigenverantwortlichkeit an eine Geburtsmedizin, die Verlagerung der eigenen Körperwahrnehmung an Kontrollinstanzen im Außen (immer detailliertere Mutterpässe, Ultraschall, Apps etc.) führen zu einer Entfremdung vom eigenen Körper und bei allen Beteiligten zu mehr Angst. Die Folgen sind unter anderem Interventionskaskaden und steigende Kaiserschnittraten, was wiederum zu noch mehr Angst und Unsicherheit führt.
Aber das muss nicht so bleiben. Wir als Frauen können und sollten uns hier einmischen und uns gegenseitig darin unterstützen, ungestörte, gute Geburtserlebnisse zu fördern. Frauen haben in etwa nur einmal in ihrem Leben die Gelegenheit, an dieser Erfahrung teilzuhaben. Das macht jeden Schritt hin zu einer Geburtskultur, die die Frau achtet und stärkt und die babyfreundlich ist, ausgesprochen wertvoll! Durch meine Beschäftigung mit Frauen- und Geburtskulturen sowie den Erkenntnissen um die Wirksamkeit von Meditation, Neurobiologie, Neuropsychoimmunologie und neuen Therapiemodellen3 entstand immer mehr das Bedürfnis, dieses Wissen und die gesammelten Erfahrungen auch in die HypnoBirthing-Kurse zu integrieren. Mit meinem Mann Ralph, ebenfalls zertifizierter HypnoBirthing-Kursleiter, gründete ich das HypnoBirthing Institut Deutschland, mit dem Anliegen, all dies an HypnoBirthing-Kolleginnen und Hebammen weiterzugeben. In unseren Elternkursen steht Ralph als Ansprechpartner für die Männer zur Verfügung. In meiner Rolle als Supervisorin lernte ich 2013 Jhari Gerlind Kornetzky kennen und sehr schnell wurde daraus aufgrund vieler Übereinstimmungen eine fruchtbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Jharis Geschichte
Brauche nichts, wünsche alles, wähle, was sich dir zeigt.
Neale Donald Walsch
Mein Weg zu HypnoBirthing begann bei der Geburt meines Sohnes im Jahr 1990. Er kam zu Hause zur Welt, in einem wunderbaren ländlichen Ambiente mit loderndem Kaminfeuer und umgeben von liebevollen Freunden, an einem strahlenden Schneemorgen im Februar. Die Geburt war für mich das stärkste und wunderbarste Erlebnis meines Lebens. Ich hatte keinerlei Vorbereitung gehabt, außer ein wenig Lektüre von Leboyer und Kitzinger. Ich lebte zur Zeit der Schwangerschaft an einem sehr abgelegenen Ort in Portugal und war nur zur Geburt nach Deutschland gekommen; etwa sechs Wochen vor der Geburt hatte ich nur eine Ultraschalluntersuchung. Was mich die ganze Zeit der Schwangerschaft über begleitet hatte, war ein tiefes Vertrauen in mein inneres Wissen darum, wie Gebären geht – vielleicht nicht bewusst, aber ganz gewiss unterbewusst und körperlich. Und dazu gehörte auch, dass ich nicht in eine Klinik gehen würde. Glücklicherweise hatte ich Freunde, die uns einluden, bei ihnen zu gebären. Wäre es in dieser Zeit in Portugal an meinem Wohnort möglich gewesen, eine Hebamme für eine Hausgeburt zu bekommen, wäre ich dort geblieben.
Dieses Erlebnis der Geburt hat sich mir tief eingeprägt, und ich habe meine Geschichte vielen Menschen erzählt. Ich fand es immer traurig, dass meiner Beobachtung nach so wenige Frauen gute Erinnerungen mit der Geburt ihrer Kinder verknüpfen. Stattdessen überwiegt die Erinnerung an Angst, Schmerz, Fremdbestimmung, Drama, Panik, Trauma.
Mein Leben nahm seinen Lauf mit anderen interessanten Schwerpunkten, bis mir eine Frau begegnete, die sagte, sie gebe HypnoBirthing-Kurse. Ich war sofort neugierig und wusste bereits nach ihren ersten erklärenden Sätzen, dass ich dies auch unterrichten wollte. Ich befand mich in der Ausbildung zum Systemischen NLP-MasterCoach und hatte gerade die Ausbildung zum Gesundheitscoach abgeschlossen. Nach 13 Jahren Tätigkeit als Verlagsleiterin in einem Verlag für audio-visuelle Medien in den Fachbereichen Psychologie, Psychotherapie und Spiritualität hatte ich beschlossen, mein erworbenes Wissen und meine gelebte Erfahrung in der Kommunikation mit und Beratung von Menschen in eine Form zu gießen, beruflich zu definieren und zu nutzen.
In dieser Arbeit verstehe ich mich in erster Linie als Impulsgeberin und Begleiterin für Menschen in Veränderungsprozessen. Und so sah ich deutlich, dass HypnoBirthing die Antwort auf eine vor vielen Jahren gestellte Frage ist: Wie kann ich Frauen vermitteln, dass Gebären einfach, wunderbar und bereichernd sein kann?
Im Sommer 2013 absolvierte ich die Ausbildung zur HypnoBirthing-Kursleiterin bei Sydney Sobotka, im November 2013 begann ich zu unterrichten. Auf der Suche nach Kolleginnen in der Umgebung, mit denen ich mich austauschen und vernetzen konnte, begegnete mir Bianca Maria Heinkel. Schnell war klar, dass wir uns in vielen Sichtweisen und Standpunkten einig waren, und so entwickelte sich eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit. Wir fanden übereinstimmend neue Perspektiven innerhalb des HypnoBirthing-Konzepts und setzten diese um. Unsere konzeptionelle Zusammenarbeit führte organisch zu diesem gemeinsamen Buch.
Zu diesem Buch
Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
Victor Hugo
Wir freuen uns, dass du zu...