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E-Book

Mein Alpe-Adria-Trail

Time-out statt Burn-out

AutorPetra Albenberger
VerlagVerlag Anton Pustet
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783702580209
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
In einer Welt voll Geschwindigkeit und Leistungsdruck zerbrechen immer mehr Menschen an ihrer Lebenssituation. Depression und Burn-out sind die Folgen. 'Wie komme ich da wieder raus?' Petra Albenberger hat sich getraut, einfach ihre sieben Sachen zu packen, sich eine Auszeit zu nehmen und von zu Hause in Wals über die Alpen und den Großglockner, durch Österreich, Slowenien und Italien bis ans Mittelmeer zu wandern. Unzählige Erlebnisse mit Menschen und Tieren halfen ihr dabei, wieder zu sich selbst zu finden. Das Buch macht Mut, den ersten Schritt zu wagen, sich zu trauen, etwas zu unternehmen. Und viel zu gewinnen.

Petra Albenberger, geboren im Juli 1968 in Salzburg, Österreich, lebt zusammen mit ihrem Mann in Wals. Die beiden haben drei erwachsene Kinder. Die gelernte Sekretärin ist in der Kranken- und Altenpflege tätig, einem Beruf, der sie dazu aufgrund seiner Folgen veranlasst hat, sich eine Auszeit zu nehmen. Petra Albenberger liebt die Natur und die Berge und ist selbst begeisterte Freizeit­sportlerin. Freunde, Bücher und Musik sind ihr Lebenselixier.

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Leseprobe

1. Tag:

Kilometer: 38

Höhenmeter aufwärts: 1 130

Höhenmeter abwärts: 603

Gehzeit: 8 ¾ Stunden

Wals/Siezenheim – Hirschbichl


Der Wecker läutet um 6:30 Uhr. Wäre allerdings nicht nötig gewesen, denn ich liege seit einiger Zeit bereits wach im Bett. Ich bin überraschend ruhig. Habe Bilder im Kopf, wie die erste Etappe, die zweite Etappe, der ganze Tag, die erste Nacht und all die Zeit werden wird. Nach dem Frühstück creme ich meine Füße dick mit Hirschtalg ein – ein Ritual, das sich in den nächsten Tagen und Wochen zur absolut notwendigen Routine entwickeln wird.

Zum Glück beginnt diese erste Etappe gleich mit einem freudigen Ereignis: Ein guter Freund, Thomas, wird mit uns einen Großteil dieser Strecke bestreiten. Gerade als wir uns von den Nachbarn verabschieden, kommt er um die Ecke. Ein gut gelauntes „Guten Morgen“ und ein strahlendes Lächeln kommen uns entgegen und heben gleich die Stimmung. Die ersten Schritte sind getan. Ganz bewusst und intensiv versuche ich, mir diese einzuprägen. Während Mario und Thomas bereits plaudern und scherzen, gehe ich ein paar Schritte hinter ihnen her. Dann geselle ich mich zu den beiden und bin ebenfalls guter Dinge.

Thomas schießt die ersten Fotos von uns und dem Blick auf einen unserer liebsten Berge, den Hochstaufen, gleich nach Verlassen unseres Hauses. Noch kommt es mir nicht so vor, als würde ich jetzt für viele Wochen unterwegs sein. Es geht Richtung Großgmain, vorbei am schönen Freilichtmuseum. Ein kurzes Wegstück danach erreichen wir den Latschenwirt. Der Wirt hat geschlossen, doch wir denken ohnehin noch längst nicht ans Essen oder eine Pause. Durch den Wald gehen wir weiter bis Wolfschwang in Richtung deutsch-bayerische Grenze.

Diesen Weg sind wir schon so oft mit dem Fahrrad gefahren, sodass es uns seltsam scheint, nicht schneller vorwärtszukommen. Und vor zwei Wochen haben wir hier die Generalprobe für den Trail absolviert. Damals sind wir bei Winkl vor Bischofswiesen über den Reissensteig und die Zehnkaseralm hinauf zum Stöhrhaus und nach kurzer Rast auf der schönen Berghütte noch etwa eine Stunde weitergegangen, bis wir einen geeigneten Zeltplatz fanden. Dort verbrachten wir die erste Nacht in unserem Zelt und labten uns an unserem Trekkingfood. Am nächsten Tag haben wir die Überschreitung vollendet, sind über den Reitsteig hinunter und wieder nach Hause. Das ließ bereits erahnen, dass es kein Kinderspaziergang werden würde. Der Unterschied lag nur darin, dass ich danach ausruhen konnte …

Anfänglich ist es bewölkt, mit 18 Grad herrscht zum Glück für die erste, sehr lange Etappe perfektes Wanderwetter. Doch die Sonne kommt immer mehr durch und es wird wärmer und zunehmend schwül. Da freuen sich die Stechmücken und eine regelrechte Mückenarmada umschwärmt jeden von uns. Ich zücke mein „Anti Brumm“ und sprühe mich ein. Das wirkt! Die Viecher fliegen zwar nach wie vor auf mich zu, machen aber sofort kehrt und verschwinden wieder. Mario geht es nicht besonders gut. Bereits jetzt verspürt er immer wieder auf flachen Teilstücken und vor allem bergab Krämpfe in den Oberschenkeln. Sobald es bergauf geht, fällt ihm das Marschieren leicht. Die Mückenschar um ihn veranlasst ihn zusätzlich zu einigen nicht jugendfreien Flüchen. Trotzdem verweigert er hartnäckig mein „Anti brumm“. Wir bleiben immer wieder kurz stehen, bis er seine Muskeln gelockert und ausgeschüttelt hat. Der Weg führt uns vor Winkl weiter bergauf über Loipl auf der Schwarzeckstraße bis in die bayerische Ramsau. Wir sind bereits 22 Kilometer in fünf Stunden mit nur kurzer Pause unterwegs. Mario geht es immer schlechter. Und das auf der ersten Etappe? Ich muntere ihn immer wieder auf. Auch Thomas versucht, ihn positiv zu stimmen, indem er ihm Zeit zum Entspannen gibt und ruhig mit ihm spricht. Ich habe ärgste Bedenken. Wenn er bereits in der ersten Etappe solch massive Beschwerden hat, wie soll das weitergehen? Das klappt nie. Oder wird sich seine Muskulatur an die ungewohnte Belastung gewöhnen? Wenn ja, wie lange wird das dauern? Muss er den Trail womöglich bereits am Beginn abbrechen und ich den Weg alleine fortsetzen? Natürlich tut er mir leid und trotzdem bin ich irgendwie wütend. Ich habe mich jetzt so lange Zeit darauf vorbereitet, gespart, trainiert und wirklich auf den Tag gefreut – nicht nur gefreut, sondern ihn ungeduldig herbeigesehnt –, an dem es endlich losgeht. Heute ist es so weit. Nun schimpft und jammert mein Mann und plagt sich. Ich habe mir ausgemalt, wie der erste Tag ablaufen würde, wie er sein sollte. Und nun ist es ganz anders. Thomas trägt beim Bergabgehen in den Ort Ramsau Marios schweren Rucksack. Trotzdem kann dieser kaum mehr einen Schritt vor den anderen machen. Eine Frau beobachtet uns auf dem Weg hinunter. Sie nimmt Mario schließlich ein Stück mit ins Tal. In Ramsau machen wir Pause, essen und trinken etwas. Ich laufe, während sich Mario etwas erholt, durch den schönen Ort und suche eine Apotheke. Es gibt keine, aber einen Drogeriemarkt. Hier bekomme ich auch, was ich suche: konzentriertes Magnesium und ein Sportgel zum Einreiben. Die nette Dame hinter dem Tresen schenkt mir noch eine kleine Dose mit Murmeltiersalbe und ich kehre mit den Schätzen wieder zum Gasthaus zurück. Mario nimmt gleich das mitgebrachte Magnesium und massiert das Gel in seine geschundenen Oberschenkel ein. Thomas verlässt uns hier und wird von seinem Vater abgeholt. Danke noch mal, Tom! Ohne dich wäre ich bereits am ersten Tag verzweifelt!

Ich schlage Mario vor, noch ein Stück zu gehen, bis wir ein geeignetes Plätzchen für unser Zelt finden, und dort erst einmal zu rasten. Doch er will weiter. Bis Hirschbichl, das sich genau auf der deutsch-österreichischen Grenze befindet, sind es noch etwa acht Kilometer und 400 Höhenmeter. Er schultert den Rucksack und marschiert los. Aufwärts geht es jetzt wieder besser voran. Die Krämpfe und Schmerzen haben nachgelassen. Ich versuche mich auf meine eigenen Empfindungen zu konzentrieren und genieße trotz allem den Aufstieg. Vom malerischen Hintersee geht es los. Der Weg führt durch das Klausbachtal, eingebettet zwischen lauter Bergen über 2 000 Meter, die Gipfel sind von der tief stehenden Abendsonne in wärmendes Licht getaucht. Nur wenige Leute befinden sich noch auf dem zum Nationalpark Berchtesgaden gehörenden, wunderschönen Weg hinauf zum Alpengasthof Hirschbichl. Ich genieße die Stille. Ein wohliges Gefühl überkommt mich. Ich versuche, alles rund um mich aufzunehmen und mir gut einzuprägen. Einige Schritte hinter Mario gehend, mache ich immer wieder Fotos von der beeindruckenden Natur und der Bergkulisse.

Erst spät am Nachmittag, kurz nach 18 Uhr, kommen wir am Alpengasthaus an. Der Hirschbichlpass liegt auf 1 183 Meter Seehöhe im Pinzgau, 40 Meter von der bayerischen Grenze entfernt. Die Heimat hat uns also wieder. Das Gasthaus war einst ein altes Zollwachhaus und hat wie das dazugehörige Bergheim von Anfang Mai (je nach Wetter- und Schneeverhältnissen) bis Ende Oktober geöffnet. Da auch eine asphaltierte Straße über den Pass führt, ist er ein beliebtes Ziel für Radfahrer.

Wir haben nur am Großglockner Zimmer reserviert. Ansonsten sind wir auf gut Glück unterwegs. Wenn einmal keines frei sein sollte, wird halt das Zelt ausgepackt. Heute würden wir uns allerdings über einen gemütlicheren Schlafplatz freuen. So frage ich im Gasthof nach einem freien Zimmer und das Glück ist auf unserer Seite. Um 20 Euro buchen wir eines samt Frühstück. Es ist wirklich sehr schön hier oben. Die Wolken, die sich tagsüber noch gehalten haben, sind alle verschwunden und der Abendhimmel erstrahlt in tiefem Dunkelblau. Würde ein Kind ein solches Blau in einem Bild malen, würde man es rügen, diese Farbe sei doch etwas zu kitschig und unrealistisch … Wir stillen unseren Hunger mit einer deftigen Speck- und Käseplatte und unseren Durst mit einem Weißbier.

Bei etwa 18 Grad sitzen wir noch vor der Gaststätte im Freien und genießen die Aussicht und die Stille. Ein unglaublich anstrengender erster Tag liegt hinter uns. Mario ist froh, angekommen zu sein, und massiert seine Beine. Wir erfreuen uns noch an der untergehenden Sonne und fallen angenehm müde in dem gemütlichen kleinen, mit frisch duftendem Bettzeug ausgestatteten Zimmer ins Bett. In Gedanken lasse ich unseren ersten Tag auf „meinem“ Trail und unserer Hochzeitsreise Revue passieren und falle bald in einen tiefen Schlaf.

Mario:

Zum ersten Tag fällt mir eigentlich nur ein bestimmtes Wort ein. Als wir um 8 Uhr losmarschieren, bin ich noch guter Dinge und die erste Stunde verläuft so, wie ich es mir vorgestellt habe. Doch bereits beim ersten (!) Abstieg – vielleicht 20 Höhenmeter – zwischen Wolfschwang und Hallthurm spürte ich starke Schmerzen in meinen Beinen und dachte mir: Lass dir ja nichts anmerken! In den nächsten Stunden war der Weg nur leicht hügelig. Ich spürte zwar immer wieder das eine oder andere...

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