Die Mittelarchaische Zeit (6000/5000 bis 4000/3000/2500 v.d.Z.)
Der Mound von L’Anse Amour in Labrador/Kanada (ca. 5.500 v.d.Z.)
Das älteste archäologisch nachgewiesene/untersuchte Grabmonument Kanadas, das man als Bestattungsmound ansprechen kann, liegt bei L’Anse Amour in Labrador. Unter dem Steinhaufengrab von 8 m Durchmesser fanden sich die Überreste eines etwa 12 Jahre alten Kindes, das hier um ca. 5.500 v.d.Z. beigesetzt worden war. Eine Flöte aus Vogelknochen, ein beinerner Stößel zum Zerkleinern von Hämatit, die älteste Spitze einer Harpune von Nordamerika und eine Projektilspitze aus Hornstein waren ihm beigegeben worden. Sein Körper war mit rotem Ocker aus Hämatit bestreut und mit einem flachen Stein abgedeckt. Im Rahmen der Beisetzung und des Baus des Mounds/Grabhügels, an dem die Jägergruppe etwa eine Woche gearbeitet haben muss, wurden um die Grabstätte Speisen zubereitet.
Diese Bestattung eines Kindes widerspricht den gängigen Aussagen von Archäologen, dass nur „angesehene Mitglieder der Elite“ so aufwendig bestattet wurden. Oder war das Kind ein so angesehenes Elite-Mitglied? Für Menschen der Frühen Maritimen Kultur, zu der diese Grabstätte gehört, waren solche Grabmounds ein auffälliges Merkmal. Der saisonale Subsistenzrhythmus veranlasste die Menschen zu Wanderungen zwischen verschiedenen Orten, entsprechend der Nutzbarkeit von Nahrungsstoffressourcen. Öfter genutzte Basislager befanden sich vermutlich an der Küste.
Die hier archäologisch erschlossene kleine Aufhäufung von Steinen ist weder ein Mega-Erdbauwerk noch ein Megalithbau. Die Anhäufung von natürlichen Feststoffen (Steine, Erde, Holz/Astwerk) über einem Verstorbenen kann dem Schutz des Leichnams gegenüber als störend empfundenen Einflüssen (durch Fleischfresser) oder als „Rückkehr in die Mutter Erde/zu den Geistern“ angesehen werden. Ein solcher Grabhügel kann als „Mound-Embryo“ angesehen werden.
Die „Mound-Hunter“/die mounderbauenden Sammler-/JägerInnen von Lousiana
Um 5500 v.d.Z. begann u.a. im Südosten eine Klimaveränderung. Für mehrere Jahrtausende wurde der Südosten Nordamerikas trockener und die Wälder gingen etwas zurück. Wiesen breiteten sich aus und die Strömung des Mississippi ging zurück, so dass er mehr Sedimente anlagerte. Infolgedessen stieg die Flusssohle an und trotz geringerer Niederschläge hob sich der Wasserspiegel und das Flussbett lagerte sich häufiger um. Auch der durch Gletscherabschmelzung bedingte Anstieg des Meeresspiegels führte zu einer Verringerung der Fließgefälle. Daraus folgten ökologische Veränderungen, speziell in den Ebenengebieten.
Die Menschen der Maçon Ridge am Mississippi-Unterlauf entwickelten neue Methoden zur effizienteren Nutzung von Baumfrüchten und ölhaltigen Samen und der Fischfang nahm an Bedeutung zu. Die Bevölkerungsdichte stieg weiter an. In sehr geringem Umfang gelangten Steinrohstoffe aus bis zu 200 km entfernten Gebieten ins Untere Mississippi-Tal, was auf eine entsprechende eigene Mobilität der Jäger-Sammler-Gruppen des Unteren Mississippi-Tals oder entsprechende Kontakte zu Menschengruppen in den entfernteren Gebieten verweist, wo diese Rohstofflagerstätten zugriffbereit waren.
Die saisonalen Wanderungen der mittelarchaischen Indianer wurden von den günstigsten Jagd- und Sammelzeiten zur Nahrungsstoffbeschaffung bestimmt. Venusmuscheln, Fisch und Rotwild waren ganzjährig verfügbar, so dass sie oft nahe den Strömen und Wasserbereichen lebten, wo diese Nahrungsstoffe für kleine Menschengemeinschaften reichlich vorhanden waren. Diese Strategie war nur in den Wintermonaten problematisch, wenn wenig(er) Pflanzennahrung zur Verfügung stand. Die Indianer errichteten zeitweilige Lager, wo sie im Frühjahr zarte, junge Pflanzen, im Sommer Früchte und im Herbst Eicheln, Pecannüsse und Walnüsse sammeln konnten. Sie hatten damit ein reichhaltiges Nahrungsangebot wie Samen, Wurzeln, Nüsse, Früchte, Fische, Venusmuscheln, Reptilien, Amphibien, Vögel und Säugetiere.
Bei ihren Wanderungen trafen sie auch auf andere Gruppen und lagerten mit ihnen zusammen. Dies waren wichtige Zeiten für soziale und rituelle Aktivitäten. Manchmal lebten diese Gruppen auch für eine oder mehrere Saisons zusammen bei den Flüssen oder nahe der Küste, wo wegen der zuverlässigen Nahrungsressourcen relativ viele Menschen gleichzeitig leben konnten.
In dieser Zeit können Hunde bereits als domestiziert anwesend gewesen sein und beim Jagen geholfen haben. Die mittelarchaischen Indianer entwickelten viele neue Jagd- und Fischfangmethoden. Sie verwendeten Angelhaken, Fallen und Netze zum Fangen von Fischen und anderen kleinen Tieren und sie nutzten die Speerschleuder für die Jagd auf Rotwild, ihre wichtigste Säugetierbeute.
Die Speere der Indianer aus der mittelarchaischen Zeit, die mit dem Atlatl geschleudert wurden, unterschieden sich von jenen, die die Paläo-Indianer benutzten. Sie waren kürzer und die Steinspitzen waren anders geformt. Die Speerspitzen der Indianer waren aus lokalem Gestein zugeschlagen, waren etwas größer und handwerklich nicht so gut wie die früheren paläoindianischen Spitzen gefertigt. Außer diesen allgemeinen Trends jedoch haben die in Louisiana gefundenen vielen mittelarchaischen Spitzen der Indianer wenig miteinander gemeinsam. Die Seiten von einigen sind gekrümmt, andere sind gerade und wieder andere sind gezackt. Manche sind an der Basis breiter, manche sind schmaler und andere haben Kerben in der Basis. Die Schwankungen in der Form scheinen fast unbegrenzt. Diese Fornmenvielfalt kann ein Anzeichen für nomadisierende Gruppen unterschiedlicher Tradition sein.
Im Gegensatz zu den starken Variationen bei den Steinspitzentypen blieben die Werkzeuge zum Beutezerteilen und für die Hautbearbeitung gegenüber denen der Paläoindianern im Mittelarchaikum weitgehend unverändert. Die mittelarchaischen Indianer stellten auch Werkzeuge und Schmuck aus Nichtsteinmaterial her wie Nadeln, Ahlen, Angelhaken, Atlatlhaken, Perlen und Haarnadeln aus Knochen sowie Handgriffe/Hefte und Speerspitzen aus Geweihstangen. Selten auftauchende Objekte waren Schildkrötenschalenrasseln und Molluskenschalenschmuck.
Die mittelarchaischen Indianer entwickelten neue Werkzeuge. Ihr Wissen, die Kenntnisse und die Nutzungsmöglichkeiten von Pflanzenressourcen steigerten sich. Sie fertigten Körbe, um Samen, Wurzeln, Früchte und Nüsse zu tragen/zu transportieren und begrenzt zu lagern. Sie knackten Nussschalen mit speziell geformten Steinen und zerrieben mit Mahlsteinen Nüsse und Samen für ihre Ernährung.
Für das Fällen von Bäumen und das Aushöhlen der Bäume zur Nutzung als Einbaumboote stellten sie auch Beile und Hackwerkzeuge her. Ähnlich den Atlatl-Gewichten, den Mahlsteinen, den Rohren/Röhren und dem Steinschmuck wurden einige dieser Äxte mit Hilfe einer neuen Methode geformt. Statt abgesplittert zu werden, wurden diese Steinwerkzeuge mit einem schweren Hammerstein grob in die gewünschte Form zugeschlagen und dann mit Sanden und Wasser oder mit Sandstein endgültig abrasiv/schleifend geformt. Nach Abschluss der Arbeit hatten einige dieser Grundsteinwerkzeuge gut polierte Oberflächen.
Obwohl die Jagd- und Sammelmethoden und die Werkzeugherstellung während des Mittelarchaikums (über 2000 bis 4000 Jahre) relativ unverändert blieben, änderten sich einige Formen der Lebensweise. Die Bevölkerung wuchs allmählich und die Gruppen begannen, ihre Wanderzüge einzuschränken und nur noch kleinere Bereiche zu durchstreifen. Sie lernten mehr über ihre Umwelt, da sie begannen, von einer Jahreszeit zur nächsten im gleichen Gebiet/Revier zu leben.
Anscheinend blieben im Mittelarchaikum auch einige Indianer im Gebiet des heutigen Louisiana so lange und/oder wiederholt an einer Stelle, dass sie die Zeit und auch ein ausreichendes/erreichbares Mehrprodukt an Nahrungsstoffen hatten, um Bauwerke aus Erdaufschüttungen zu errichten, die offensichtlich nicht dem unmittelbaren physischen Erhalt der errichtenden Gemeinschaft gewidmet waren.
Diese Stätten hatten einen bis zu mehreren Mounds, teilweise auch noch mit Verbindungswällen zwischen diesen. Die Mounds waren in einem Arbeitsgang ohne durch Archäologen erkennbare zeitliche Unterbrechungen oder in mehreren zeitlich unterbrochenen Arbeitsaktionen erbaut worden. Die Errichtung und die wahrscheinlich spirituelle Nutzung dieser Anlagen konnten sich über Jahrhunderte hinziehen. Selbst nach einer offensichtlichen Aufgabe solcher Stätten konnten Jahrhunderte später diesen dann alten Anlagen neue Erdbauwerke hinzugefügt bzw. vorhandene vergrößert/verändert werden ohne dass solche Moundstätten als dauerhafte Wohnstandorte oder als Begräbnissstätten genutzt wurden. Die mittelarchaischen Mounds aus der Zeit zwischen 4000/3500 und 2000 v.d.Z. von Louisiana und auch von Florida sind die ältesten Bauwerke des gesamten amerikanischen Doppelkontinents.
Aus Louisiana sind heute (um 2000) ca. 14 mittelarchaische Moundstätten bekannt, deren Anzahl sich mit der weiteren Forschung schrittweise vergrößern kann. Von den bekannten 11 bis 12 mittelarchaischen-Moundkomplexen haben zwei jeweils nur einen Mound, vier haben je zwei Mounds (ein Mound-Paar), je ein Komplex jedoch drei, fünf, sechs und elf Mounds. Von den Moundpaaren hat einer eine Höhe von 4 bis 6 m, der andere eine Höhe von 1,5 m. Der Abstand zwischen ihnen beträgt 50 bis 200...