Die kritische Betrachtung von Profitorientierung und unternehmerischen Aktivitäten ist keineswegs ein neues Phänomen, sondern Kennzeichen einer Entwicklung der vergangenen Jahre. Der Gebrauch des Nachhaltigkeitsbegriffs hat in den letzten Jahrzehnten einen fast inflationären Zuwachs erfahren. Nachhaltige Unternehmensführung, CSR und CC sind zu modischen Schlagwörtern mutiert und zeigen im Bereich der Managementliteratur Präsenz und Handlungsbedarf an.[26] Unternehmen haben zur Kenntnis genommen, dass ihnen von Seiten der Gesellschaft Verantwortung zugeschrieben wird und sie Wege finden müssen, mit den gesellschaftlichen Erwartungen angemessen umzugehen. Durch die zunehmende Globalisierung der Wertschöpfungskette, den wachsenden Einfluss global agierender Unternehmen auf Gesellschaft und Politik und die Erkenntnis, dass der Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Form nicht unbedingt zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beiträgt, hat sich die Stellung der Unternehmen im sozioökonomischen Umfeld entscheidend gewandelt. 51 der weltweit 100 größten wirtschaftlichen Einheiten sind Unternehmen, was verdeutlicht, wie viel Macht ihnen zukommt.[27] Ergänzend veranschaulicht das Beispiel „Demografischer Wandel“, dass Nachhaltigkeit nicht nur staatlich verordnet werden kann, sondern Aufgabe der Wirtschaft und damit der Unternehmen ist.[28] Denn das Investieren durch Unternehmen und das Konsumieren durch Verbraucher entscheiden ebenso über Nachhaltigkeit wie der Staat mit seinen Programmen und Gesetzen.[29]
Durch die Relevanz unternehmerischer Nachhaltigkeit und die positiven Konsequenzen für die Unternehmensführung ist die nachhaltige Entwicklung zu einem bedeutenden Leitbild unternehmerischer Tätigkeiten avanciert.
„In Leitbildern und Grundsätzen kommt die Bedeutung zum Ausdruck, die bestimmten Oberzielen, Strategien und Maßnahmen vom Unternehmen eingeräumt wird.“[30]
Darüber hinaus legen sie die Positionierung des Unternehmens gegenüber den drei Dimensionen (vgl. Kap. 2.1.2) bzw. Herausforderungen fest.[31] Die gleichrangige Stellung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Ebene ist charakteristisch für eine Vielzahl wissenschaftlicher Nachhaltigkeitskonzepte und „folgt der Vision einer Harmonisierbarkeit unterschiedlichster Anforderungen.“[32] Insofern dürfen diese nicht als isoliert betrachtet werden, sondern als vernetztes Konstrukt des Nachhaltigkeitskonzeptes. Als Konkretisierung zum Leitbild der Nachhaltigkeit haben sich auf Seiten der Unternehmen die Leitbilder der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung (CSR) und die des bürgerlichen Engagements in und von Unternehmen (CC) etabliert. Ein wesentlicher Aspekt von CSR und CC ist die Schaffung von Transparenz durch Auskünfte von Unternehmen - ermöglicht u.a. die Unternehmensbewertung (Benchmarking) - und durch einen Dialog mit den Stakeholdern [33]; also externe Kompetenzen nutzen und im Gegenzug Wissen zur Verfügung stellen. Denn zur Lösung komplexer Sachverhalte, mit denen sowohl Politik als auch Wirtschaft konfrontiert werden, kann die Kompetenz einzelner Gruppen nicht ausgeklammert werden. Es müssen folglich Kompetenzen gebündelt werden, um zu einem Ergebnis zu kommen. Die Transparenz von Unternehmen dient ebenfalls als Mittel zur Korruptionsprävention und verhindert allgemein abzulehnende Wirtschaftspraktiken, wie z.B. Bilanzfälschungen oder Geldwäsche.[34] Ein weiteres Kennzeichen unternehmerischer Nachhaltigkeit und der Gegenpol des Shareholder-Value-Ansatzes ist die Stakeholder-Orientierung. Entgegen des Diktums „The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits“ von Friedman (1970), in dem er die Profitmaximierung als einziges unternehmerisches Ziel nennt, rückt der Stakeholder-Value vermehrt in den Fokus unternehmerischer Tätigkeiten und erweckt das Bewusstsein für Mitverantwortung.
„[...] meeting the needs of a firm’s direct and indirect stakeholders (such as shareholders, employees, clients, pressure groups, communities etc), without compromising its ability to meet the needs of future stakeholders as well.” [35]
So definieren Dyllick und Hockerts (2002) die Grundlage von Corporate Sustainability und verdeutlichten den wachsenden Einfluss sowie die steigenden Erwartungen wichtiger Anspruchsgruppen. Stakeholder, die sich in interne (z.B. Mitarbeiter oder Eigentümer) und externe Gruppen (z.B. Zulieferer und Kunden) unterteilen lassen, sind solche Institutionen, ohne deren Zuwendung ein Unternehmen nicht existieren könnte. Eine Untersuchung von Schlund (2007), in der die Gewichtung einzelner Anspruchsgruppen beleuchtet wurde, führte zu dem Ergebnis, dass die Nachfrager bzw. Kunden eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung (97 Prozent) für unternehmerisches Handeln haben. An zweiter und dritter Stelle werden Mitarbeiter (96 Prozent) und Shareholder (88 Prozent) gesehen.[36] Damit wird das Ergebnis der Untersuchung, dass am Institut für Marketing an der Freien Universität Berlin durchgeführt wurde, bestätigt. Hier wurden mehrere Top-Manager nach der Bedeutung einzelner Stakeholder befragt und auch sie betitelten die Kunden und Eigentümer als wichtigste Anspruchsgruppe. Lediglich die Mitarbeiter wurden bei der von Jeschke (1993) durchgeführten Befragung an sechster Stelle genannt.[37] Wie signifikant die Integration von Zielgruppen, die nachhaltig vorteilhafte Darstellung des Unternehmens und die Stärkung der Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen sind, zeigen heutzutage verschiedene Trendstudien und Prognosen.[38]
Neben der rechtzeitigen Überwindung von Zielkonflikten und der Schaffung von Win-win-Situationen ist es essenziell für eine nachhaltige Unternehmensführung, dass die Organisation von ihren Erträgen „lebt“ und nicht ihre Substanzen „verzehrt“. Ein Beispiel hierfür wären der Aufbau und Erhalt qualifizierter Personalressourcen.[39] Demnach sollten sich alle unternehmerischen Entscheidungen und Handlungen durch betriebswirtschaftliche Langfristorientierung auszeichnen, welche auch die zukünftige Befriedigung der Bedürfnisse aller Stakeholder sicherstellt. Des Weiteren bewegt sich Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene im Spannungsfeld zwischen Unternehmensaktivitäten und Gesellschaftsproblemen. Beide Ansatzpunkte sind bedeutsam, denn im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensausrichtung müssen nach innen und außen gerichtete unternehmerische Tätigkeiten berücksichtigt werden. Von Unternehmen wird erwartet, dass sie zunächst einmal ihre „eigenen vier Wände in Ordnung bringen“, bevor sie sich den Nachhaltigkeitsproblemen der Gesellschaft annehmen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass externe Stakeholder dies als unternehmerische „Pflicht“ ansehen und die Nachhaltigkeitsprobleme der Gesellschaft als Ganzes in den Vordergrund stellen. Aufgrund dessen werden die Leistungen eines Unternehmens von externen Stakeholdern daran bemessen, welchen Beitrag sie zur Bewältigung dominanter Nachhaltigkeitsprobleme der Gesellschaft leisten.[40]
Nach ausgiebiger Literaturrecherche zur nachhaltigen Unternehmensführung wird ersichtlich, dass es sich um ein in Theorie und Praxis aktuelles Thema handelt, welches ein neues unternehmerisches Denken zur Folge hat. Das zunächst gesellschaftspolitische Thema ist zum Leitbild unternehmerischer Tätigkeiten avanciert. Unternehmen werden in Zukunft neben der ökonomischen Dimension intensiver auf den sozialen und ökologischen Sektor achten, um den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden. Ziel ist es, eine Strategie zu schaffen, bei der alle Beteiligten einen für sie akzeptablen Nutzen erlangen (Win-win-Situation). Unternehmen müssen vermehrt die Möglichkeiten der verschiedenen Handlungsfelder erkennen, entsprechend eine Nachhaltigkeitsstrategie konzipieren und in Zukunft zunehmend in die Unternehmensphilosophie implementieren, orientiert an den internen und externen Anspruchsgruppen. Zukünftig werden nämlich nur noch Unternehmen Vertrauen bei den Stakeholdern genießen, die sich dieses Inhaltes annehmen. Jedoch muss das Engagement im Bereich eines vernünftigen Sachverstandes bleiben, denn nach wie vor bildet die Profitabilität eines Unternehmens die Basis für die Umsetzung von gesellschaftlicher Verantwortung (vgl. Kap. 2.2). Was Nachhaltigkeit in Unternehmen letztendlich auszeichnet hat gegenwärtig einen relativ breiten Interpretationsspielraum. Es kann jedoch festgehalten werden, dass nachhaltige Unternehmensführung den Gegenpol zu kurzfristigen Managementansätzen bildet und die folgend aufgeführten Punkte als Kennzeichen von Corporate Sustainability bezeichnet werden können[41]:
Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Voraussetzungen, inklusive resultierender Wechselwirkungen und Konsequenzen.
Überwindung von Zielkonflikten und Schaffung von Win-win-Situationen.
Betriebswirtschaftliche Langfristorientierung, die auch die zukünftige Befriedigung der Bedürfnisse unterschiedlichster Stakeholder sicherstellt.
Kein „Verzehr“ der Substanz sondern „Leben“ von den Erträgen. Z.B. Aufbau und Erhalt qualifizierter Personalressourcen, also alle Maßnahmen der Bildung und Qualifikationsvermittlung, der Förderung und beruflichen Weiterentwicklung aller Mitarbeiter unter Berücksichtigung der Entwicklung der organisatorischen Rahmenbedingungen.
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