C. Rechtliche Beurteilung
I. Ausgangssituation und Zuständigkeit
Die in Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerte Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden umfasst neben dem Schutz der Funktionsfähigkeit kommunaler Einrichtungen und dem Selbstgestaltungsrecht der Gemeinde auch die kommunale Planungshoheit.105 Diese räumt der Gemeinde unter anderem das Recht ein, im Zuge der Bauleitplanung für die städtebauliche Ordnung in ihrem Gemeindegebiet zu sorgen. Die §§ 29 ff. BauGB konkretisieren diese Planungshoheit und gelten grundsätzlich für alle Vorhaben, d. h. auch für Vorhaben des Bundes und der Länder.106 Eine Einschränkung der Planungshoheit ist gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG durch Gesetz möglich. Im Falle der Vorhaben des Bundes und der Länder stellt § 37 BauGB einen solchen Eingriff „zur Umsetzung übergeordneter Interessen des Allgemeinwohls dar“. 107 § 37 Abs. 1 BauGB ist dabei auf Vorhaben des Bundes und der Länder bezogen, deren besondere öffentliche Zweckbestimmung die Abweichung von den planungsrechtlichen Vorschriften erforderlich macht. § 37 Abs. 2 BauGB stellt einen Sonderfall der Vorhaben nach § 37 Abs. 1 BauGB dar und ist ausschließlich anwendbar auf Vorhaben, die der Landesverteidigung, dienstlichen Zwecken der Bundespolizei oder dem zivilen Bevölkerungsschutz dienen. Als der Landesverteidigung dienende Vorhaben sind nach dem BVerwG nicht nur Anlagen der Bundeswehr zu sehen, sondern auch im Rahmen des NATO-Truppenstatuts errichtete militärische Anlagen der Gaststreitkräfte. 108 Der Begriff „dienen“ wird hierbei ähnlich wie in § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB ausgelegt, demnach ist die Förderlichkeit des Vorhabens für die Landesverteidigung nicht ausreichend, das Vorhaben muss jedoch auch nicht unentbehrlich für die verfolgten Zwecke sein.109 Nach der Rechtsprechung des BVerwG fallen unter diesen Begriff daher nicht nur militärische Anlagen im herkömmlichen Sinne, sondern beispielsweise auch im Rahmen des NATO-Truppenstatuts errichtete Wohnbauvorhaben für ausländische Streitkräfte und deren ziviles Gefolge, die sog. Housing Areas. 110 Der Grund für diese Entscheidung liegt in der großen Entfernung zwischen Herkunfts- und Stationierungsort, was regelmäßige Besuche der Angehörigen während der oftmals langfristigen Stationierung unmöglich macht; eine gemeinsame Unterbringung dient somit der Landesverteidigung. In diese Richtung geht auch die Auffassung von Nickel und Eiding111; Hofmeister112 hingegen geht davon aus, dass diese Anlagen grundsätzlich nicht der Landesvereidigung dienen und lässt nur in Ausnahmefällen bei extremer räumlicher Entfernung eine andere Beurteilung zu. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass auch die Housing Areas unter den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 BauGB fallen, da die Nähe der Angehörigen für ein sozial ausgefülltes Leben der Streitkräfte erforderlich erscheint. Zudem wurden diese Anlagen den Anforderungen an zivile Wohnbauten in der Regel nicht gerecht und waren auch nicht der Allgemeinheit zugänglich113; eine entgegengesetzte Auffassung erscheint daher unbegründet. Nicht unter den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 BauGB fallen jedoch Wohnanlagen der Bundeswehrsoldaten und deren Angehörigen außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften. 114 Das BVerwG begründet dies damit, dass diese Wohnanlagen Zwecken der allgemeinen Wohnungsfürsorge dienen und nicht der Landesverteidigung. 115
Sinn und Zweck des § 37 Abs. 2 BauGB ist es, für Vorhaben, die unter anderem der Landesverteidigung dienen, eine über das Maß des § 31 Abs. 2 BauGB hinausgehende Befreiungsmöglichkeit von den bauplanungsrechtlichen und städtebaulichen Vorschriften zu schaffen. Eine Anwendung des § 37 Abs. 2 BauGB ist jedoch nicht schon alleine aufgrund des Zwecks der Landesverteidigung gegeben. Vielmehr hat die höhere Verwaltungsbehörde in jedem Einzelfall eigenverantwortlich zu prüfen, ob eine Abweichung von den einschlägigen Rechtsvorschriften aufgrund der besonderen Zweckbestimmung des Vorhabens erforderlich ist.116 Damit handelt es sich bei der Vorschrift entgegen ihres Wortlauts nicht nur um eine verfahrensrechtliche Regelung, sondern gleichzeitig um eine materiell-rechtliche Vorschrift. 117 In verfahrensrechtlicher Hinsicht bedarf ein solches Vorhaben gemäß § 37 Abs. 2 BauGB der Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde, die Gemeinde muss in diesem Rahmen lediglich angehört werden. Das ansonsten gemäß § 36 Abs. 1 BauGB erforderliche gemeindliche Einvernehmen ist hier nicht notwendig, ein etwaiger Widerspruch der Gemeinde gegen das Vorhaben kann durch die Entscheidung des zuständigen Bundesministers ersetzt werden. Die Entscheidung hängt damit nicht von der Gemeinde ab.118 Dies stellt eine große Einschränkung der kommunalen Planungshoheit dar, die nur so lange gerechtfertigt ist, wie die besondere Zweckbestimmung der Anlage weiter besteht.119 Sobald die Nutzung der baulichen Anlage für Zwecke der Landesverteidigung endgültig aufgegeben wurde, findet eine Entprivilegierung statt120 und die gemeindliche Planungshoheit wird in vollem Umfang reaktiviert.121 Wäre dies nicht der Fall, würde ein verfassungswidriger Eingriff in die in Art. 28 Abs. 2 GG verankerten Selbstverwaltungsrechte der Gemeinde vorliegen.122 Diskussionen um die Notwendigkeit der förmlichen Rückgabe einer Fläche können daher als hinfällig betrachtet werden. Auf einen formalen Akt der Rückgabe zu bestehen,123 ist angesichts des Entzugs der Planungshoheit während der militärischen Nutzung nicht gerechtfertigt. Wie Bardenhagen 124 treffend beurteilt, kann die Rückgabe auch durch konkludentes Verhalten erfolgen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die militärisch genutzten Anlagen während der fortbestehenden militärischen Nutzung in der Regel dem Fachplanungsrecht des Bundes gemäß § 37 BauGB unterliegen und der kommunalen Planungshoheit entzogen sind bzw. diese stark eingeschränkt ist. 125 Nach endgültiger Nutzungsaufgabe und Rückgabe der Fläche lebt die kommunale Planungshoheit in vollem Umfang auf und die Gemeinde kann im Rahmen der rechtlichen Vorschriften uneingeschränkt über die weitere Behandlung der Fläche entscheiden.
II. Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nach § 58 Abs. 1 LBO hat die untere Baurechtsbehörde zu prüfen, ob das Nachnutzungsvorhaben genehmigungsbedürftig ist und wenn ja, ob es auch genehmigungsfähig ist. Die rechtliche Beurteilung erfolgt nach den allgemeingültigen Regelungen des BauGB und der LBO, Problematiken können sich hierbei insbesondere bei der Prüfung des Vorliegens einer Nutzungsänderung durch die zivile Anschlussnutzung und bei der bauplanungsrechtlichen Einordnung des Vorhabens ergeben. Daher werden diese Prüfpunkte im Folgenden näher betrachtet. Eine Beurteilung der unstrittigen Voraussetzungen wird nicht vorgenommen, da diesbezüglich auf allgemeingültige Literatur zurückgegriffen werden kann.
1. Nutzungsänderung
Die Genehmigungsbedürftigkeit eines Vorhabens ergibt sich aus §§ 49 ff. LBO, d. h. es muss sich um die Errichtung, den Abbruch oder die Nutzungsänderung einer baulichen, nicht nach § 50 LBO genehmigungsfreien Anlage handeln. Die Voraussetzung der baulichen Anlage dürfte in aller Regel erfüllt sein. Auch die Prüfung des Vorliegens einer Errichtung bzw. eines Abbruchs ist unproblematisch. Probleme und Meinungsverschiedenheiten können jedoch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Nutzungsänderung auftreten. Der Begriff der Nutzungsänderung im Sinne der LBO stellt auf die tatsächliche Änderung der Nutzung oder der Funktion einer bestehenden Anlage, deren bauliche Substanz hierbei nicht verändert werden darf, ab.126 Weiterhin müssen nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO für die neue Nutzung andere oder weitergehende Anforderungen gelten als für die bisherige Nutzung, da es sich ansonsten um ein verfahrensfreies Vorhaben handeln würde. Diese öffentlich-rechtlichen Anforderungen ergeben sich zumeist aus dem Bauplanungsrecht, insbesondere aus den §§ 30 ff. BauGB. Daher ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob § 29 BauGB einschlägig ist und damit den Anwendungsbereich der §§ 30 ff. BauGB eröffnet. § 29 Abs. 1 BauGB wirft hierbei erneut den Begriff der Nutzungsänderung auf. Im Gegensatz zu der bauordnungsrechtlichen Auslegung des Begriffs ist hier zusätzlich die städtebauliche Relevanz der Nutzungsänderung von Bedeutung, es handelt es sich damit um eine engere Auslegung. Nutzungsänderungen im Sinne des BauGB stellen daher gleichzeitig auch immer Nutzungsänderungen im Sinne der LBO dar. Aufgrund dessen wird im...