Gesundheit und Krankheit
Es gibt solche Tage. Schon beim Aufstehen tun dir die Beine weh, und du kommst den ganzen Tag nicht richtig in Schwung. Seit einer Woche drückt der Magen, und wenn du es dir genau überlegst, hast du fast jeden Tag Kopfschmerzen. Doch es muss ja weitergehen. Du beißt die Zähne zusammen und gehst zur Arbeit. Das bisschen Kopfweh, denkst du. Das ist ja keine Krankheit. Aber was, wenn doch? Wenn du dich über längere Zeit nicht wohl fühlst und dich diverse Symptome quälen, gehst du vermutlich früher oder später doch zum Arzt, um dich durchchecken zu lassen. Was macht der Arzt, wenn du vor ihm sitzt? Ist er einfühlsam, guckt er dich an und fragt dich, wie es dir geht. Du sagst: »Nicht so gut. Ich habe häufig Bauchdrücken und fast täglich Kopfschmerzen. Und schlafen kann ich auch nicht gut.« Dein Arzt antwortet: »Sie waren ja schon ewig nicht mehr hier. Dann wollen wir mal schauen.« Und dann beginnt er eine physiologische Bestimmung deines Körpers.
Was ist eigentlich Gesundheit?
Deine Gesundheit ist ein diffiziles Zusammenspiel vieler Faktoren. Um sich ein Bild machen zu können, hört dein Arzt dein Herz ab, ermittelt vielleicht deine Herzfrequenz oder Herzfrequenzvariabilität, lässt ein EKG ausstellen, misst deinen Blutdruck und deine Temperatur, macht ein Blutbild, ordnet je nach Beschwerde einen Urin- oder Stuhltest an, ermittelt den pH-Wert deines Blutes, macht einen Ultraschall oder schickt dich zum Röntgen, wiegt dich, errechnet deinen Body-Mass-Index und misst deinen Blutzucker oder macht einen Glukosetoleranztest. »Na ja, Ihr BMI ist etwas hoch, Sie könnten sicherlich einige Kilos abnehmen«, sagt er bei der Besprechung deiner Ergebnisse eine Woche später. »Ihr Blutzucker und Ihr Cholesterin sind leicht erhöht. Nichts Bedenkliches. Die Leberwerte sind normal. Ah, Sie haben viel Stress? Dann sollten Sie vielleicht eine Entspannungstechnik lernen. Die Krankenkasse bezuschusst das, informieren Sie sich doch einmal darüber. Ansonsten sind Sie gesund. Alle Untersuchungen waren unauffällig.« Du gehst irgendwie erleichtert nach Hause, aber dein Kopf dröhnt munter weiter, der Magen zwickt. Du wagst nach einiger Zeit noch eine nächste Runde, wirst zur Magenspiegelung überwiesen, aber auch die ist unauffällig. »Vielleicht sollten Sie einmal jemanden aufsuchen, mit dem Sie über Ihren Stress reden können«, rät der Arzt und entlässt dich wieder. Du ärgerst dich, dein Magen kneift, und du tust – nichts. Psychologe, pfff. Klar hast du Stress, aber wer hat den nicht, dann musst du wohl damit leben. Nein, musst du nicht!
Was dein Arzt gemacht hat, ist der gängige Weg. Er hat eine lebensgefährliche Erkrankung ausgeschlossen, und das ist gut so. In unserer Gesellschaft wird Gesundheit meist physiologisch und leider immer noch allzu oft symptomatisch bestimmt. Als körperlich gesund gilt, wessen Gewicht im Normbereich liegt, wer eine »normale« Herzfunktion und ein unauffälliges Blutbild vorweist. Ich sehe das etwas anders. Ich bin der Meinung, dass die physiologischen Faktoren – für sich allein betrachtet – noch keine Aussage über den Gesundheitszustand eines Menschen zulassen. Bei vielen Erkrankungen liefern sie wichtige Hinweise, um eine mögliche Erkrankung herausfinden zu können – bei vielen anderen Störungen aber auch nicht. Ein Blutbild zeigt nur Ausschnitte, aber diese Werte reichen mir nicht aus, um eine klare Aussage über Gesundheit oder Nichtgesundheit zu treffen. Ich brauche dafür ein differenzierteres Bild über den Gesamtzustand eines Menschen. Ein Bild, das über messbare Werte hinausgeht.
Meines Erachtens spielt neben dem physiologischen noch ein ganz anderer Aspekt eine Rolle, nämlich die Frage an einen Menschen: »Wie fühlst du dich?« Das ist für mich der entscheidende Faktor. Was führt dazu, dass sich ein Mensch nicht gut fühlt? Gibt es möglicherweise in seinem beruflichen oder privaten Umfeld etwas, das dazu führt, dass sich dieser Mensch nicht gut fühlt? Oder hat es in seiner Vergangenheit ein Ereignis gegeben, das dazu geführt hat, dass er heute häufig mit einem negativen Gefühl durchs Leben läuft und sich nicht gut fühlen kann? Genau das gilt es herauszufinden, denn oft beeinflussen diese Faktoren den Gesundheitszustand mehr, als wir uns eingestehen wollen.
Meine Anamnese
Wenn ich also einen Menschen vor mir sitzen habe, der Beschwerden hat und Hilfe sucht, bestimme ich zuerst seinen Gesundheitsstatus. Der Begriff Gesundheitsstatus ist mir wichtig – ich bestimme einen Gesundheitsstatus und keinen Krankheitsstatus –, denn von Krankheit zu sprechen führt meiner Meinung nach häufig zu einer Hilflosigkeit, die der Übernahme von Verantwortung für die eigene Gesundheit im Weg stehen kann. Darüber hinaus gibt es dem Menschen ein negatives Gefühl: Niemand will nämlich krank sein. Das ist der Grund, warum ich auch nicht von Patienten sprechen möchte. Wenn ich einen Menschen zu einem Patienten mache, dann sage ich ihm damit, dass er krank ist. Patient kommt von dem lateinischen Wort »patiens« und bedeutet eigentlich »duldend, geduldig, leidend«. Schon mit der Wortbedeutung vermittle ich einem Menschen das Bild, leidend zu sein. Wichtiger ist mir, jedem Menschen positiv und offen zu begegnen. Wenn ich das tue, nehme ich schon durch meine innere, zugewandte Haltung Einfluss auf mein Gegenüber. Und das erste Resultat, das sich dadurch im Prozess der weiteren Arbeit ergibt, ist »Lösung«. Eine Lösung von alten Mustern und Wahrnehmungen. Gesund ist, wer in der Lage ist, seinen Körper gut zu balancieren zwischen Ruhe und Unruhe, Stress und Erholung, viel und wenig. Gibt es über zu lange Zeit zu viel oder zu wenig, entsteht ein Ungleichgeweicht – und der Körper kippt. Wenn es ein Ungleichgewicht gibt, dann ist es mein Ziel, das Gleichgewicht wiederherzustellen.
Mein Ziel ist es, das Gleichgewicht in einem Menschen wiederherzustellen.
Um herauszufinden, was einen Menschen aus dem Gleichgewicht gebracht hat, ermittle ich physiologische, anatomische, psycho-emotionale, soziale, immunologische und epigenetische Merkmale und Indikatoren. Außerdem stelle ich das individuelle Bewertungssystem auf, das durch Erfahrungen aus der Vergangenheit, insbesondere aus dem Natural Network, geprägt ist. Diese Prägungen nehmen großen Einfluss auf die Gewohnheiten und das Verhalten eines Menschen. Sich dieser Mechanismen bewusst zu werden, die eigenen Muster verstehen zu lernen und daraus Handlungskompetenzen zu entwickeln, um neue Wege gehen zu können, ist ein wichtiger Schritt in eine neue und nachhaltige Balance.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil meiner Anamnese sind Ernährungsgewohnheiten, Allergien oder Unverträglichkeiten, ebenso aktuelle oder vergangene Medikamenteneinnahmen, insbesondere Antibiotikabehandlungen. Bei Bedarf lasse ich mir Arztberichte und Blutbilder zeigen. Bei Gewichtsproblemen ermittle ich zur Orientierung für meine Klienten auch den Body-Mass-Index. Der BMI gibt allerdings wirklich nur einen groben Richtwert ab.
Der Body-Mass-Index (BMI) setzt Körpergröße und Gewicht in Relation. Als »normalgewichtig« gilt nach der Weltgesundheitsorganisation ein erwachsener Mensch, wenn er einen BMI zwischen 18,5 und 25 hat.
BMI = x Körpergröße [in m]
Stell dir den Türsteher deiner Lieblingsdisco vor. Rudi, ein Berg von einem Mann, 1,90 Meter groß, 110 Kilogramm schwer. Der Typ hat einen Nacken wie ein Stier und Oberarme wie Bierfässer. Unter seinem Jackett blitzt das Logo einer High-Tech-Muckibude hervor. Nils, der neue Programmierer in deiner Firma, ist genauso groß und schwer wie Rudi. Er schiebt aber ein anständiges Bäuchlein vor sich her, und jedes Mal, wenn er sich ächzend von seinem Drehstuhl erhebt, stöhnt er: »Sport ist Mord.« Beide Männer haben einen BMI von 30, was als übergewichtig gilt. Wer von den beiden Kameraden ist wohl der fittere? Der starke Rudi hat als Bodybuilder einen wesentlich größeren Anteil an Muskelmasse und damit an...