DIE KRAFT DER ALPENPFLANZEN
Blühende Almwiese in den Alpen, 2000 m
In abgeschiedenen Bergregionen hat sich viel altes Wissen erhalten. Aber dort, wo sich früher Fuchs und Hase noch Gute Nacht sagten, hat längst das moderne Leben Einzug gehalten.
Über schmale Alpenpfade klettern Touristen, Hotels sind gebaut, die Menschen haben sich geändert. Nur die Pflanzen sind sie selbst geblieben.
Diese Pflanzen kenne ich seit meiner Kindheit. Einige hat schon meine Mutter verwendet und entsprechende Zubereitungen daraus gemacht. Bei meinen geliebten Ziegen konnte ich beobachten, was sie am liebsten fraßen. Heute bin ich noch genau so gerne in den Bergen wie als Kind und hole mir Kräuter mit ihrer urwüchsigen Kraft für meine Kosmetik.
Kraft, Ruhe, Besinnlichkeit, die Weite und die Klarheit kommen auf diese Weise in Salben (Balsame) und Tinkturen. Jedes Kraut ist geprägt vom Boden, auf dem es wächst. Der Duft ist einzigartig, ebenso die Wirkstoffe. Nur die vitalsten und stärksten Pflanzen überleben in großen Höhen. Sie entwickeln ungeheure Lebenskraft, um die intensive Sonne, die eisigen Winter, den Schnee, Wind und Wetter zu überstehen.
Edelweiß
In den berühmten Sissi-Filmen pflückt der Kaiser Franz Joseph seiner Elisabeth ein Edelweiß als Sinnbild seiner Liebe. Wunderschön, einzigartig und nur in den Hochregionen zu bewundern, wächst diese Zauberpflanze.
Sie ist heute Bestandteil vieler kosmetischer Produkte. Wenn man weiß, welchen Temperaturen, intensiver Sonnenstrahlung und anderen Widrigkeiten sie ausgesetzt ist, kann man sich vorstellen, dass ihre Wirkstoffe in Anti-Aging- und Sonnenschutz-Produkte passen. Verarbeiten darf man nur selbstgezüchtete oder die auf dem Markt erhältlichen Edelweiß, die Pflanzen des Hochgebirges sind nämlich strengstens geschützt. Fertigprodukte nur von glaubwürdigen Anbietern nehmen!
Ich verwende Edelweiß in kleinsten Mengen, sie wachsen bei mir in meinem hoch gelegenen Garten.
Fichte
„Wetterfeichtn“ nannte man die einzeln wachsenden großen Bäume, unter denen das Almvieh bei Unwettern und Kälte Schutz suchte. Diese Fichten sind nicht zu vergleichen mit denen aus den Monokulturen von heute, die von Stürmen gefällt werden wie Zündhölzer. Die Bäume waren mächtig, weit ausladend und Schutz anbietend. Die abgeworfenen Nadeln haben wir als Streu für den Stall gesammelt.
Von den Holzknechten bekamen wir Kinder unseren „Kaugummi“, der herrlich schmeckte und dafür sorgte, dass die Mundflora gesund blieb. Das Zahnfleisch war fest und keiner von uns musste in der Kindheit zum Zahnarzt.
Heute kommen die frischen Fichtenwipferl in den Waldhonig, den es jedes Jahr reichlich gibt und diese „Medizin“ nehmen auch heute noch alle Kinder gerne ein.
Sie kommen in den Franzbranntwein, in Badeöle, Badekonfekt und Duschgels in Form von Ölmazerat, Fichtenglycerin und alkoholischen Auszügen.
Gelber Enzian
Der Enzian ist die Bitterpflanze des Hochgebirges, zwar auch in der Forschung angesehen, aber für die Bergbewohner seit Jahrhunderten der „Alles-wieder-gut-Macher“, egal ob innen oder außen. Der bittere Geschmack ist sprichwörtlich, sein Können unbestritten. Ob Magen, Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse oder Darm – er reinigt alles (allerdings nicht bei Entzündungen, dann den Gebrauch mit dem Arzt abklären). Eine schwache Lunge stärkt er, wie er überhaupt zur Stärkung des gesamten Organismus beiträgt.
In der Volksmedizin legt man Enzianblätter auf Wunden jeder Art. Auf eitrige Wunden, auf entzündete Wunden, auf Wunden, die lange nicht heilen, überall helfen die frischen, großen Enzianblätter oder auch ganz fein gemahlenes Wurzelpulver, das direkt auf die Wunde kommt oder auf einen Leinenlappen – wie es einem angenehmer ist.
Einige Tropfen Enzian-Extrakt gebe ich in straffende Gesichtsmasken, sie machen die Haut glatt und rein. Er gehört auch in jede Sportsalbe und jeden Sportbalsam. Badezusätze bei Hautunreinheiten, Hautentzündungen oder Hautirritationen bestehen bei mir aus einem Gutteil Enzian.
Ein Schluck Enzianschnaps, ½ Stunde vor einem opulenten Mahl und einen Schluck ½ Stunde danach, lässt auch schwache Mägen den Fettangriff gut überstehen.
Heidelbeere
Kaum eine Frucht enthält dermaßen viele Anthozyane wie die Heidelbeere. Anthozyane sind die blauen und roten Farbstoffe in Beeren und für die Bekämpfung der freien Radikalen wichtig.
Die frischen Beeren sollte man essen, wann immer es möglich ist. Später verwendet man die Marmelade und getrocknete oder gefrorene Früchte. Das Heidelbeerkraut (als Tee) kann den Blutzucker senken. In der Kosmetik verwende ich sehr gerne das feinst gemahlene Fruchtpulver als Radikalenfänger.
Das Pulver ist außerdem ein Vitamin-und Mineralienlieferant in Cremes, Duschgels, Badeprodukten und in der Lippenpflege.
Die schöne, sanfte und natürliche Farbe einer Heidelbeer-Pflege tut ein Übriges, um den Wohlfühleffekt entstehen zu lassen.
Isländisch Moos
Das Moos haben wir früher immer säckeweise für die Schweinefütterung geholt. Es wuchs auf über 2.000 Meter. Die Schweine hatten es gern und es war billig, das war früher wichtig. Dass wir den Schweinen damit strahlende Gesundheit bescherten, war ein Nebeneffekt.
Auch wir Menschen verwendeten das Isländische Moos. Es wurde in kaltem Wasser angesetzt, meist über Nacht, danach abgeseiht, ein bisschen erwärmt und langsam getrunken. Dieses Schleimmazerat war bei Jungen und Alten wenig beliebt, denn es schmeckt nicht gut. Vorrätig aber war es immer und wenn jemand Magenbrennen oder Durchfall hatte, bekam er es verabreicht. Bei Husten, vor allem Keuchhusten und schwacher, angegriffener Lunge gab es das schleimige Gebräu ebenfalls.
Das Vieh wurde damit von Verkühlungen und Husten geheilt, auch bei Durchfall und Schwäche kam es in eine Flasche und wurde eingegeben.
Isländisch Moos leistet auch der Haut gute Dienste. Mit Auflagen oder Bädern kann man große Erfolge bei Schleimhaut-Verletzungen, Reizungen der Schleimhaut und bei hartnäckigen, sehr trockenen Ekzemen erzielen.
Lärche
Der imposante Baum wächst vor allem im Hochgebirge. Die Lärche hat einen einzigartigen Duft und sehr wertvolles Pech. Ich mache Lärchenpech-Balsam daraus, der häufig bei Erkältungen besser wirkt als alles, was man fertig kaufen könnte. Ich erinnere mich gerne an meinen Großvater, der mir aus der Rinde Schiffe schnitzte und einen Stall für meine Spieltiere baute. Für das Spiel war meist nur im Winter Zeit. Sonst kam ich mit der Lärche eher in Berührung, wenn wir die herabgefallenen Zweige als Heizmaterial sammelten. Die großen Bäume wurden oft vom Blitz getroffen, dabei gespalten, verschmort und es machte mich immer traurig, wenn es wieder so einen Riesen erwischt hatte.
Damals brachten die Holzknechte das begehrte Pech, heute kann man es in Spezialläden kaufen, es ist reiner, duftet aber nicht mehr so intensiv wie damals. Es ist für Wundsalben für Mensch und Tier bestimmt. Der Wundbalsam zeigt seine Wirkung bei Erkältungen, in der Wundheilung und für Nebenhöhlenerkrankungen (Sinusitis, mit Engelwurz). Kinder lassen sich den duftenden Balsam gerne auf juckende Stellen schmieren, z. B. auf Rötungen um die Nase oder den Mund.
Lärchenbalsam ist ein ziehendes Produkt, man kann ihn auch bei einem eingezogenen Span einsetzen. Die jungen Nadeln kommen in einen Baumhonig, das Öl passt in die Badekosmetik, fein gemahlene Nadeln auch in Badekonfekt, in den Franzbranntwein und in jedes Lebenselixier.
Latschen
Es ist kein Wunder, wenn Geist und Seele, Herz und Lungen regelrecht aufblühen, wenn sie diese bis auf 2.700 Meter lebenden Bergbewohner riechen oder spüren dürfen.
Suchen Sie Latschen auf, wenn Sie Probleme mit den Bronchien oder mit der Lunge haben. Wenn Ihnen als Raucher die Luft ausgeht, dann suchen sie auf einer Wanderung nach Latschen. Berühren Sie sie, atmen Sie den Duft tief ein. Die Reinheit, die von dieser Pflanze ausgeht, ist überwältigend. Daheim kann man die Kraft auch noch spüren.
Frische Latschentriebe, kleingehackt, mit heißem Wasser überbrüht oder in einem Leinensäckchen ins Vollbad gehängt, bringen Bergstärke ins Haus. Pfarrer Künzle empfiehlt, bei andauernden Bronchienproblemen einen Korb voll kleingehackter Latschen in das Zimmer zu stellen – es hilft wirklich.
Nicht nur Zirbenschnaps schmeckt gut, auch aus den frischen „Latschentschurtschen“ (=Latschenzapfen) gibt es eine wohlschmeckende Medizin. Latschenauszüge verwende ich...