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E-Book

Neuer Schwung für alte Wirtshäuser

Erfolgspotenziale in der Gastronomie

AutorLudwig Graber
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783741221750
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,49 EUR
Ohne Wirt stirbt das Dorf. Nicht nur deshalb lohnt es sich für Wirte zu kämpfen und ihren Betrieb auf ertragreiche Beine zu stellen. Lebst Du schon oder stirbst Du noch? Kannst du finanziell überleben oder arbeitest du viel und es geht nichts weiter? Eine alte Weisheit besagt: "Wer nur arbeitet hat keine Zeit, Geld zu verdienen!" Ludwig Graber, Unternehmensberater und selbst leidenschaftlicher Wirt, wirft einen gnadenlos pragmatischen Blick auf die aktuelle Situation in der Gastronomie. Und er ist überzeugt, mit der richtigen Strategie kann auch ein Wirtshaus am Land überleben. Wie das gelingen kann, verrät er in seinem Ratgeber, der speziell auf das Leben und Überleben eines Wirtes in ländlichen Regionen ausgerichtet ist. Inhaltliche Highlights - Tacheles reden über die Herausforderungen der Wirte - Neue Perspektiven aufzeigen und Tabuthemen ansprechen - Zeigen, wie Wirte ihre Zahlen in den Griff bekommen - Alles über die Erfolgspotenziale Marketing, Kooperation und Persönlichkeit - Praktische Beispiele, einfach zum Umsetzen - Persönliche Anekdoten, die zum Schmunzeln und Nachdenken anregen

Gastro-Coach und "Wirt des Jahres" Ludwig Graber führt seit 1994 einen Gastronomiebetrieb am Land in Österreich. Darüber hinaus übte er verschiedene Funktionen in touristischen und wirtschaftlichen Organisationen aus.

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Leseprobe

Wandel der Dorfgesellschaft


Das Vereinswesen, entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hat wesentlich zur Entwicklung der Wirtshäuser beigetragen. Das örtliche Wirtshaus wurde als Stammlokal auserkoren und wurde zum zweiten Wohnzimmer für viele Menschen. Ich kann mich gut an meine Kindheit erinnern, wo wir in St. Stefan, das ist, der Ortsteil von Finkenstein am Faaker See, das erste Telefon hatten. Ein schwarzes Telefon mit einer Drehscheibe und einem Klingeln, das enorm laut durch das ganze Haus schellte. Wie oft wurde ich als Bote zu vielen Einwohnern des Ortes geschickt, um auszurichten, dass in geraumer Zeit jemand für die betreffende Person anrufen wird.

Es wurde auch sehr viel von uns aus telefoniert: Verwandte, Bekannte, Freunde oder den Chef anrufen wurde bald zum trendigen Ereignis, immer Verbunden mit einer Konsumation in unserer Gaststube. Der Kirchenwirt war auch die Ortsfeuerwehr, und deshalb wurde bei jedem Brand zu uns angerufen und ich musste zum Ortsfeuerwehrkommandanten laufen und den Brand melden. Dieser kam im schnellen Schritt mit seinen laut quietschenden Schuhen zum Wirtshaus und schaltete händisch die Sirene ein, die sich noch heute auf dem Dach von Kirchenwirt befindet. Auch jeden Samstag um Punkt zwölf Uhr wurde akribische auf die Sekunde genau die traditionelle Sirenenprobe vom Ortsfeuerwehrkommandanten durchgeführt. Heut passiert das alles zentralgesteuert über Funk.

Auch den ersten Fernseher hatte der Kirchenwirt und so war die ORF-Komödie „Löwinger-Bühne“ bald das gesellschaftliche Ereignis der Woche. Es war damals die Kultserie im Fernsehen und wurde von sehr vielen Ortsansässigen angesehen. Es konnte noch gemeinsam gelacht werden. Damals musste man keine – nicht wie heute in den Reality-TV-Serien – Lachsalben einspielen. Übertragungen von Fußballspielen zählten zu den Großereignissen. Viele Gäste kamen, um fernzusehen, und sorgten für den wirtschaftlichen Erfolg.

Es galt als kultig sich über den Schiedsrichter auszulassen und besser als der Kommentator, die Spieler von den Mannschaften zu kritisieren. Jeder Zuseher konnte besser Fußball spielen als die Spieler und das Spiel korrekt zu pfeifen, das konnte natürlich auch jeder besser. Für Unterhaltung war immer gesorgt. Sogar die erste Tiefkühltruhe gab es nur beim Wirt und so konnten viele Hausfrauen ihre Lebensmitteln bei uns einfrieren. Heute schier undenkbar. Nach und nach bekamen alle Haushalte ihr eigenes Telefon, ihren eignen Fernseher und die Tiefkühltruhe. Die Mobilität stieg und darunter hat das Ortsleben immer häufiger gelitten.

Pensionisten-Stammtisch


Am späten Vormittag trafen sich viele Pensionisten im Wirtshaus, um über Familie, Schwiegerkinder, Politik, Gott und die Welt zu diskutieren. Karten spielen – das „Schnapsen“ oder „Watten“ – gehörten zur täglichen Vormittagsbeschäftigung. Politik wurde im Wirtshaus gemacht und der Pfarrer brauchte fast keine Beichten abzunehmen, da alles schon am Wirtshaustisch erzählt wurde. Um halb eins mussten die Pensionisten allerdings nach Hause, weil die Frau mit dem gekochten Essen wartete. Der Tag war dann schon fast gelaufen und der Wirt hatte bis zu Mittag einen Umsatz, der mehr als kostendeckend war, erwirtschaftet. Wenn sich ein Mann nicht an die vereinbarte Mittagszeit der Frau gehalten hat, kam es vor, dass entweder ein Telefonanruf den Vormittagsstammtisch beendete oder die Frau persönlich ins Wirtshaus kam, um den Mann zu holen. Das Letztere sorgte wieder für großen Gesprächsstoff für den darauffolgenden Tag. Ein lebendiges Wirtshauskabarett war immer für einen Lacher gut.

Wenn man mit einer Bierblockrechnung eine Überschlagsrechnung macht, dann ergibt sich folgendes Ergebnis: 10 Pensionisten konsumierten an ca. 300 Tagen im Jahr im Schnitt jeder vier Bier pro Vormittag. Das sind im Jahr rund 12.000 Krügerl (0,5 Liter) und das entspricht einem Hektoliter-Verbrauch durch die Pensionisten von rund 60 Hektolitern pro Jahr, und das entspricht 120 Fässern Bier á 50 Liter. So viele Hektoliter pro Jahr werden in der kleineren Landgastronomie heute nicht einmal mehr den ganzen Tag gebraucht. Ich verzichte auf eine Hochrechnung auf den Umsatz, weil sich die Preise in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht haben.

Feierabend-Bier


Leider ganz verloren gegangen ist der Brauch des sogenanntes „Feierabend-Bier“ beim Wirt des Vertrauens. Bis vor einigen Jahren war es gang und gäbe nach der Arbeit ins Stammwirtshaus zu gehen und dort mit den Freunden und Kollegen ein Bier oder auch etwas Anderes zu trinken. Es wurde dabei über den vergangenen Arbeitstag, die lästigen Kunden, den stressigen Chef und die nörgelnden Kollegen diskutiert und geschimpft. Ein Kartenspiel oder ein kurzes Schachspiel reichten oft aus, um sich vom Arbeitsdruck zu trennen. Es war die Möglichkeit gegeben, sich einfach „abzureagieren“ und den Stress vom Alltag hinter sich zu lassen.

Fazit des Feierabend-Bier war, dass die Menschen ohne aufgestauten Aggressionen und Frust nach Hause zur Familie gefahren sind. Die Wirtsleute fungierten als Psychologen oder Therapeuten und konnten den Menschen helfen, sich vom aufgestauten Alltagsfrust zu lösen. Motive, um ins Wirtshaus zu gehen, war das Bedürfnis nach Geselligkeit, Unterhaltung und Entspannung. Warum das Feierabend-Bier verschwand, hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass in kleineren Orten immer strikter Alkoholkontrollen von der Polizei durchgeführt wurden. Niemand wollte mehr riskieren, kurz vor dem eigenen Haus seinen Führerschein zu verlieren. Alkohol am Steuer ist kein Kavaliersdelikt und niemand sollte betrunken fahren. Aber Tatsache ist: Wirte spürten, dass immer weniger auswärts getrunken ist. Das hat auch Auswirkungen auf die Gesellschaft. Hier will ich auf keinen Fall den Konsum von Alkohol verherrlichen, jedoch wie immer und überall gilt: Die Dosis macht das Gift“, und in Maßen nicht Massen genossen, kann Konsum von Wein oder Bier gut auf die Geselligkeit wirken.

Der Frust, der Druck, der Stress und die aufgestauten Aggressionen vom Alltag konnten nirgends entladen werden. Mann und Frau kommen von der Arbeit, treffen die Kindern, die ebenfalls den Druck der Schule mit nach Hause bringen, und so kommt es leider immer häufiger zu Stresssituationen und Eskalationen in der Familie. Wer diesem Strass nicht gewachsen ist, der hält eine Beziehung auf Dauer nicht mehr aus.

Das Konfliktpotenzial wird immer höher, die Aggressionen steigen und dadurch die Häufigkeit von Trennungen von Ehen. Denn keiner der Partner ist unbegrenzt belastbar. Ich sehe hier ein großes Problem in der sozialen Struktur der Bevölkerung. Das Leben miteinander bedarf viel Entgegenkommen, Toleranz, Wertschätzung und Achtung von anderen Menschen. Diese Eigenschaft ist heute leider nicht in diesem Maß vorhanden, wie es die Gesellschaft notwendig hätte.

Stirbt das Wirtshaus, dann stirbt die letzte Bastion der Geselligkeit und des menschlichen Zusammenlebens. Vielleicht ist es sogar gewollt, dass sich die Menschen nicht mehr zusammenrotten und über Probleme diskutieren und sich gegenseitig austauschen. Vielleicht ist es gewollt, dass die Menschen zu Hause vor den Bildschirmen oder an den PCs sitzen und sich von unterschiedlichsten digitalen Kanälen manipulieren lassen müssen? Cocooning in den eigenen vier Wänden, ein derzeitiger Trend, oder nur ein Zeitphänomen, oder von höherer Stelle gesteuert, ich kann das nicht beantworten, und will es auch nicht. Dass aber eine gewisse Art Steuerung der Gedanken, Manipulation und kanalisierte Berichtserstattung stattfindet, das merkt sicherlich jeder Bürger.

Damenrunden


Die Herren hatten ihr Feierabend-Bier. Die Frauen ihre Damenrunden. Das Wirtshaus war nicht nur Ort für Männer, sondern speziell in den 1980er und 1990er Jahren auch der Ort, wo Frauen auf ein Getränk gehen konnten, ohne sich schämen, rechtfertigen oder verantworten zu müssen. Es waren sehr viele Gruppen und Runden in den Wirtshäusern – ob Turnfrauen, Handarbeitsgruppen, Yoga- oder Rückengymnastikrunden. Viele kleinere Gruppen hatten einen Tag in der Woche reserviert, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen und dem Hobby nachzukommen. Danach wurde gemeinsam noch etwas getrunken, ein Glas Wein, Prosecco oder Saft. Wenn es heute noch solche Gruppen gibt, lösen sich diese nach dem Turnen und Singen rasch auf und machen sich gleich auf den Heimweg.

Gesangsvereine


Wie bei Vereinen und Gruppen ist auch bei vielen Gesangsvereinen die Problematik der Nachfolge gegeben. Immer weniger junge Menschen möchten sich in Gruppen oder Vereinen einbringen, weil die Zeit dafür zu schade ist und sich fast niemand mehr binden lassen möchte. Mit binden meine ich, die Zeit für den Verein dann zur Verfügung zu stellen, wenn es notwendig ist und nicht nur dann, wenn es jemandem Freude bereitet. Für die Mitwirkung im Verein ist es notwendig freie Zeit zu „opfern“ und das möchte fast niemand mehr. Da es in Gesangsvereinen zu einer Überalterung gekommen ist, haben sich einige einfach aufgelöst. So auch der Gesangsverein in unserem Ort und sogar den Kirchenchor gib es nicht mehr. Das Durchschnittsalter unseres Gesangsvereines belief sich vor der Auflösung auf 75 Jahre. Diese Gäste fehlen nicht nur im Ort, sondern auch in den Wirtshäusern. Die Jungen treffen sich lieber ich virtuell in Facebook- oder...

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