DIE NEUEN PAPAS: BACKEN, WASCHEN, WINDELN WECHSELN
„Mama?“, fragt der kleine Mann, der mein Sohn ist. Das aktiviert den Fürsorgeinstinkt des großen Mannes. Er horcht auf und fragt: „Ja?“ Immer noch fühlt mein Mann sich angesprochen, wenn unser Sohn mich meint, immer noch verwechselt unser Sohn Papa und Mama: „äh, Ma … Papa“. Passend dazu war eines der ersten Worte nach „mömömöm“ und „papapapap“, die Leander sprach, das geschlechtervereinende „Pappmam“. Da muss er etwa anderthalb Jahre alt gewesen sein.
Lange her – geändert hat sich wenig. Für Leander, inzwischen sechs, sind wir beide gleich. Befragt nach einem Unterschied fällt ihm nur ein, dass Papa größer ist als Mama und nicht ganz so viel esse. Ansonsten kann auch Mama Fußball spielen. Und Papa Wäsche waschen. Beide kochen, beide streicheln, beide halten im Arm, beide trösten und beide schimpfen. Nur einen kleinen Unterschied gibt es aus meiner Sicht doch: Nachts ruft der kleine Held immer lieber nach Mama, jedenfalls seitdem er sich entschieden hat, im eigenen Zimmer zu schlafen, und mindestens einmal in der Nacht aufwacht und dies bereut. Ich frage mich, ob dies schon in den ersten Babymonaten so war, und muss zugeben, dass meine Erinnerung da nicht mehr treffsicher ist. War ich es, die nachts öfter aufstand? Vermutlich ja. Wenn dies so ist, dann ist das möglicherweise ein Unterschied zwischen uns. Doch ob dieser wirklich angeboren ist? Mit dem Testosteronspiegel des Mannes zusammenhängt? Persönlichkeitsbedingt ist, also geschlechtsunabhängig? Oder ganz einfach einen praktischen Grund hat: Mama wacht schneller auf, Papa schläft tiefer – also ist es Mama, die nachts kommt. Wenn ich auf Seminaren unterwegs bin, so schwört mein Mann, gebe es auch kein nächtliches Mama-Rufen. Es hat also doch mit mir zu tun. Oder doch damit, dass mein Mann so fest schläft? Auf manche Fragen gibt es keine Antworten.
Wenn wir Leander in fünf Jahren noch einmal fragen, wird er das bestimmt ganz anders sehen. Er wird Mama und Papa persönliche Eigenschaften zuordnen können. Er wird sich vielleicht fragen, was männlich ist, und nach Begriffen suchen, die das „Weibliche“ beschreiben. Im Moment erfolgt diese Unterscheidung eher in Form von erlernter Zuordnung. So wie eins und eins zwei ist und das nicht weiter hinterfragt wird, bringt ihm seine Umwelt bei, dass Jungs nicht Ballett tanzen und besser kein Rosa tragen, auch wenn sie es noch so sehr mögen. Das ist eine Regel. Mit fünf Jahren war es deshalb auch vorbei mit dem Ballett, das er gemeinsam mit seinem Freund Peer einige Jahre lang besucht hatte. Reiner Gruppenzwang – eine Erkenntnis steht nicht dahinter. Oder würde er sonst so begeistert erzählen, dass Mama – ein großes Mädchen, wenn man so will – am Sonntag mit ihm Fußball spielt?
Wenn ich in fünf Jahren mit Leander spreche, wird er bemerkt haben, dass es in anderen Familien sogenannte „Familienernährer“ gibt. Das sind Väter, die abends um 21 Uhr nach Hause kommen und sich nicht weiter bemerkbar machen. Freitags kehren sie etwas früher von der Arbeit zurück, verschwinden dann aber – ab einem bestimmten Alter auch mit dem Sohn – zum Sport. Sie lassen sich von ihren Frauen bedienen, rühren keinen Finger im Haushalt und halten sich auch aus der Erziehung völlig heraus. Das macht das Leben natürlich einfach, sowohl für die Männer als auch für die Frauen. Diese Männer können sich ganz dem Lustprinzip zuwenden: Mache das, was dir Spaß macht, und zwar dann, wenn es dir Spaß macht. Leider hat der Spaß im Job in den letzten Jahren stark abgenommen. Es ist nicht mehr so lustig, sich jeden Tag durchzukämpfen. Die Arbeit ist umfangreicher, anspruchsvoller und stressiger geworden als früher und am Ende kann man doch nie sicher sein, ob man den Job behält. Das lässt die Front der Familienernährer bröckeln. Männer wollen nicht mehr allein die Verantwortung tragen. Deshalb wird mein Sohn bei seinen Freunden, die Alleinernährerväter haben, oft Männer mit aschgrauen Gesichtern und heruntergezogenen Mundwinkeln sehen, Männer mit wenig Freude und Energie. Sie werden ihm gestresst erscheinen, weil ihre Frauen – von anderen aufgescheucht – immer fordernder werden und sich das Dienen und Bedienen nicht mehr gefallen lassen. Familienernährer brauchen Frauen, die ihre Erfüllung allein in der Kindererziehung sehen. Und davon gibt es ganz einfach immer weniger.
Leander wird dann aber auch Familien kennengelernt haben, bei denen es so ist wie bei uns oder wo der Mann sogar ganz zu Hause bleibt. Selbst in Leanders Waldorfkindergarten, einem traditionell konservativ-alternativ geprägten Umfeld also, gibt es einige Teilzeit-Hausmänner – allerdings außer mir keine anderen Vollzeit arbeitenden Mütter. Wir leben aber auch etwas außerhalb der Stadt, in Hamburg selbst trifft man dagegen recht häufig auf Frauen und Mütter mit Acht-Stunden-Plus-Arbeitstagen.
Auf der anderen Seite wird Leander vielleicht im Laufe der Zeit auch die eine oder andere dumme Bemerkung mitbekommen, zum Beispiel darüber, dass sein Vater leidenschaftlich gern Kuchen bäckt.
Für uns war es nie eine Frage, dass mein Mann und ich uns beide um Haushalt und Erziehung kümmern. Dass er zeitweise den Löwenanteil übernahm, hat mit meinem – nun ja – frauenuntypischen fehlenden Talent für die praktischen Dinge des Alltags zu tun. Es war indes klar, dass er sich nur für einen begrenzten Zeitraum beruflich einschränken würde. Ebenso wenig wollte ich ganz aus meinem Beruf aussteigen. Beruflich ausgelastet waren wir beide immer, aber es gab für jeden von uns auch unterschiedliche Hochphasen. Für ihn etwa während des Schleswig-Holstein-Musikfestivals, über das er schrieb; für mich vor der Abgabe eines Buches oder wenn sehr viele Trainings anstanden.
Weil meinem Mann klar war, dass ich weiter arbeiten wollte, musste das Thema des Alleinernährers erst gar nicht diskutiert werden. Er wusste, dass ich mich nicht zum Hausmütterchen eignete. Und ich habe die leise Vermutung, dass ihm das so auch ganz recht war.
Wir haben also nicht über die Rollenverteilung gesprochen, weil es von vornherein klar war, dass wir die meisten Aufgaben untereinander aufteilen würden. Heute würde ich viele Dinge früher ansprechen. Denn wenn Papa und Mama beide an allem beteiligt sind, ist Kommunikation das Wichtigste.
Warum mein Mann die beste Mama ist
„Ich glaube nicht, dass deine These stimmt. Papas können keine besseren Mamas sein. Dein Mann ist einfach anders. Das muss mit seiner Erziehung zu tun haben. Hm … die meisten Männer sind dann wohl falsch erzogen“, sagt Sabine.
„Er hat zwei Körbe mit Einkäufen hier abgestellt – in der Mittagspause! Zwei Körbe, hier! So ein Mann, du weißt ja gar nicht, was du da hast“, sagt Roya, die weltbeste Tagesmutter.
„Dass Ihre Frau nicht ausreichend zu schätzen weiß, wie viel Sie im Haushalt tun, liegt wahrscheinlich daran, dass sie keine anderen Männer kennt“, vermutet unsere Haushaltshilfe Laetitia, als mein Mann wieder einmal klagt, dass ich alles, was er macht, für selbstverständlich halte.
Letztere Aussage muss ich gleich korrigieren: Ich kenne andere Männer – aus der Ferne und auch aus der Nähe. Meine erste Liebe erwartet gerade das vierte Kind und hat fünf Jahre Erziehungsurlaub genommen. Meine zweite Liebe nähte sich die Hosen selbst, die dritte war ein Spanier, der sich zwar von Mama bekochen ließ, aber von mir nichts dergleichen erwartete. Und Nummer vier war ein Fehlschlag, der erste und einzige Macho in meinem Leben, der sich nicht einmal die Pizza selbst bestellen konnte. Er war viel jünger und hatte ein Faible für erfolgreiche Frauen. Mir ermöglichte sein Desinteresse an einem Familienleben allerdings, mich erst einmal auf meine Karriere zu konzentrieren. Ein fürsorglicherer Mann hätte wahrscheinlich Kinder gewollt. Für Kinder war es mir mit Anfang 30 jedoch noch zu früh.
Meine Partnerwahl zeigt also erstens: Es gibt Männer, die gar nicht auf die Idee kommen, eine Frau per se mit Haushaltsführung zu assoziieren. Und zweitens: Ob eine Frau sich einen Mann mit Talent zur Haushaltsführung und Kindererziehung angelt, hat sie selbst im Griff. Ich behaupte, dass manche Frauen einen Hang zur Selbstquälerei haben. Sie suchen Männer nach dem Prinzip aus: Bloß keiner, der unkompliziert ist – her mit dem faulen Hund, her mit dem Ärger. Möglicherweise spielt auch die Hoffnung, den Mann noch umerziehen zu können, eine Rolle …
Ich kannte also andere Männer, bevor ich Christoph kennenlernte. Er war mein Auftraggeber bei einer Zeitschrift, für die ich parallel zu meinem Hauptjob schrieb. In ihn verliebte ich mich, weil er so eine wunderbar tiefe Bassstimme am Telefon hat. Er schrieb mir lange, feinfühlige E-Mails, telefonierte Stunden mit mir, fragte viel und hörte oft lange einfach nur zu. Er strahlte etwas Vernünftiges, Verlässliches, Konstantes, Langsames und Sensibles aus. Ich kann...