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E-Book

Patanjalis Yogasutra

Der Königsweg zu einem weisen Leben

AutorRalph Skuban
VerlagArkana
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783641068158
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Der wichtigste Grundlagentext spiritueller Weisheit
Die knapp 200 Verse des Yogasutra von Patanjali beschreiben in unvergleichlicher Dichte, Logik und Präzision den Entwicklungsweg unseres Bewusstseins, den man Yoga nennt. Dabei meint Yoga Weg und Ziel zugleich: als Ziel steht es für den Zustand der Selbstverwirklichung oder Erleuchtung, als Weg bezeichnet es die vielfältigen Methoden, die dorthin führen.

In vier Kapiteln erfahren wir, wie wir innere Freiheit erlangen, wie unsere tägliche, spirituelle Praxis aussehen kann, welche inneren Übungen - Konzentration und Meditation - die Transformation unseres Bewusstseins bewirken und wie wir schließlich lernen, all das wieder lozulassen, um wirklich frei zu werden. Undogmatisch und ohne moralisch-religiöse Vorschriften zeigt uns das Yogasutra den Weg zur Befreiung von den Fesseln des Ego-Bewusstseins.

Ralph Skuban, geboren 1965, ist promovierter Politikwissenschaftler und Buchautor. Er leitete über zwei Jahrzehnte lang eine Einrichtung für Demenzkranke. Die intensiven Begegnungen mit Alter und Krankheit, dem zerfallenden Geist und Tod des Menschen führte ihn zur Mystik des Ostens, insbesondere zur Philosophie und Praxis des Yoga. Ralph Skuban publiziert Bücher und hält Vorträge und Seminare zu Themen der spirituellen Philosophie. Er lebt in der Nähe von München.

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Leseprobe

2 Praxis: Sadhana Pada

Die Menschen ziehen eines dem andern vor,

doch für Himmel und Erde ist alles eins.

Das Hohe, das Tiefe, das Große, das Kleine –

alles empfängt Licht,

alles bekommt einen Platz zum Ruhen.

Tao Te King

Kriya Yoga (1–2)

1

Kriya Yoga ist der praktische Weg des Yoga. Zu ihm gehören: Reinigung, Selbsterforschung und Hingabe an die Quelle, aus der wir kommen.

Tapas – reine Seide und scharfer Stahl

Übung verlangt Selbstdisziplin, tapas, nicht aber Selbstkasteiung. Es gibt Menschen, die sich geißeln oder gar ans Kreuz nageln lassen, die bis zur Selbstzerstörung fasten, die so lange auf nur einem Bein stehen oder den Arm hoch halten, bis ihre Gliedmaßen absterben. Das Ziel von Yoga ist chitta vritti nirodhah. Wie könnten solche Praktiken den Geist stillen? In der Bhagavad Gita sagt Krishna deshalb zu Arjuna: »Dummköpfe sind die, welche in schrecklicher Entschlossenheit ihre unschuldigen Körper foltern und damit auch mich quälen, der ich in ihnen wohne.« (Kap. 17, Vers 2)

Krishna gibt uns das Bild vom Körper als Tempel Gottes. Tempel sollte man achten, nicht zerstören. Yoga ist deshalb der kluge Weg der Mitte. Er verändert uns ganz allmählich und verhilft uns langsam, aber umso nachhaltiger, zu Klarheit und Stabilität. Wer zu viel in zu kurzer Zeit verändern will, wird keinen Erfolg haben. Wer Hatha Yoga beginnt, kann nicht am ersten Tag frei im Handstand stehen. Wer unliebsame Gewohnheiten aufgeben will, muss dies Schritt für Schritt angehen, sonst entsteht zu viel Widerstand. Doch auch wenn wir uns nur sanft verändern: Veränderung bedeutet Widerstand, Reibung. Reibung erzeugt Hitze. Und tapas heißt ganz wörtlich: Hitze, erhitzen. Hitze transformiert. Durch sie wird Gold gereinigt und Eisen gehärtet. Hitze kann auch wehtun, und manchmal fallen uns die körperlichen und geistigen Bemühungen auf dem Yoga-Weg schwer. Dies anzunehmen, ist tapas. Das Leben selbst, das viele schmerzhafte Erfahrungen bereithält, ist tapas: Wenn wir diese Erfahrungen annehmen lernen, gewinnen wir an Reife, Klarheit und Kraft.

Tapas ist Reinigung und Stärkung auf allen Ebenen. Dieser Prozess beginnt bei unserem Körper – und dies nicht nur äußerlich. Yogis praktizieren seit frühester Zeit ausgeklügelte Techniken zur Reinigung der inneren Körperbereiche, die sie shatkarmas oder auch shatkriyas nennen. Die Körperübungen, Asanas, haben ebenfalls reinigenden Charakter: Sie massieren alle Gewebe und durchfluten sie mit Sauerstoff, sie schwemmen Gifte aus und machen den Körper beweglich und stark. Auch Pranayama wirkt entgiftend und belebend gleichermaßen. Yogische Ernährung ist nahrhaft und entschlackend. So auch die Ethik: Sie nimmt das Gift aus unseren Beziehungen und ermöglicht uns, positiv gestaltend in der Gemeinschaft zu wirken. Reinigung auf der feinsten Ebene schließlich geschieht in der Meditation. Sie befreit uns vom mentalen Sperrmüll, bis Chitta kristallene Klarheit erlangt (1.41).

Tapas ist also die sanfte, aber kontinuierliche Bemühung um Reinheit und Stärke auf allen Ebenen unseres Daseins als ganz konkrete tägliche Übungspraxis. »Seid wie reine Seide und scharfer Stahl!«, sagte der Zen-Mönch Shunryu Suzuki.[25] Dies bringt tapas auf den Punkt.

Svadhyaya – wer bin ich?

Die Selbsterforschung, svadhyaya, ist das zweite Instrument des Kriya Yoga. Svadhyaya heißt wörtlich »in uns selbst hineingehen«, es ist Selbstbeobachtung und Selbstanalyse: Wer ist das eigentlich, den wir da »Ich« nennen? Was macht mich zur Person, die ich (scheinbar) bin? Welche Rollen spiele ich? Welche Meinungen vertrete ich? Was denke und fühle ich? Was und wie viel von dem, was ich denke, das mich ausmacht, kann ich weglassen, bis ich nicht mehr »Ich« bin? Und da sind noch mehr Fragen: Wie reagiere ich auf andere und warum? Wie gehe ich mit Worten um? Ist es wahr, was ich sage? Ist es freundlich? Fördern meine Worte harmonische Beziehungen oder führen sie zu Konflikten? Sind meine Gedanken förderlich für mein Wohlsein und Wachstum oder sind sie ein Hindernis? Warum empfinde ich Ärger, Angst oder gar Hass? Wenn wir uns selbst erforschen, kann das schmerzhaft sein, und so sind svadhyaya und tapas untrennbar. Der Prozess des Übens lässt uns viel über uns selbst in Erfahrung bringen. Umgekehrt präzisieren und inspirieren Selbst-Erkenntnisse unsere Übung. Es ist ein positiver Rückkopplungsprozess: Tapas unterstützt svadhyaya, und svadhyaya lenkt tapas.

Zum Selbst-Studium (im doppelten Sinn des Wortes) gehört auch das Studium der Schriften, zu welcher Tradition auch immer man sich hingezogen fühlt. Yoga ist nicht der Weg einer bestimmten Religion, sondern er ist ein spirituell-wissenschaftlicher und als solcher ein Weg, der allen offen steht. Vernünftige Ernährung und Bewegung sind immer heilsam, woran man auch glauben mag. Den Geist zur Ruhe zu bringen stiftet immer Klarheit, egal, welcher Tradition man sich verpflichtet fühlt.

Ishvarah-pranidhana – Hingabe

Schließlich gehört zu Kriya Yoga Ishvarah-pranidhana, die Hingabe an den »Ersten Lehrer«, der in unserem Herzen wohnt. Patanjali hat Ishvarah im ersten Kapitel sieben Verse gewidmet (1.23–1.29), wohl wissend, dass die Hingabe ein schneller Weg zur Selbst-Verwirklichung sein kann. In der Gita sagt Krishna zu Arjuna: »Was du auch tust, (…) tu es für mich.« (Kap. 9, Vers 27) Können wir einer Kraft, die so unendlich viel mächtiger ist als wir, unsere Demut bezeugen und uns ihr anvertrauen? Denn dann »wird sich der Lotus deines Herzens öffnen, und die Kraft der Liebe wird deine Suche unterstützen.«[26] Es ist ohne Bedeutung, welchen Namen, welche Form oder welches Symbol wir wählen, um uns der Quelle zu nähern, aus der wir kommen und in die wir einst eingehen werden. Ohnehin kann keine Form und kein Wort sie je zum Ausdruck bringen. Der erste Vers des Tao Te King lautet deshalb: »Der Name, den man sagen kann, ist nicht der ewige Name.«

Integraler Weg

Kriya Yoga stellt einen vollständigen praktischen Übungsweg dar, der alle Facetten des Yoga einbeziehen kann: Selbstpflege, Beziehungspflege, Asanas, Pranayama und Meditation – all jene Übungen also, die unseren sprichwörtlichen Affengeist zähmen. Er umfasst damit alles, was unter den »Acht Elementen des Yoga« später noch genauer ausgeführt werden wird (2.28 ff.). Der ganze Weg des Hatha Yoga kann darin beschlossen sein. Svadhyaya, die Selbsterforschung, ist der Weg des Jnana Yoga: Selbstanalyse und Schriftenstudium, dem es um die berühmte Frage des Advaita-Vedanta geht: Wer bin ich? Ishvarah-pranidhana schließlich ist der Weg von Bhakti und Karma Yoga. Tapas, svadhyaya und Ishvarah-pranidhana sind ein gegenseitig sich unterstützendes und selbstverstärkendes System, das offen ist für alle Traditionen und menschlichen Temperamente. Daher ist Kriya Yoga integrales Yoga.

2

Kriya Yoga wird geübt, um Samadhi zu erreichen und die Hauptursachen des Leidens zu minimieren.

Kriya Yoga geht es um das ganz große Ziel: Samadhi. Das erste Kapitel handelte davon und das zweite wird nun damit eröffnet. Die vielen Methoden des Yoga sind nur das Boot, das uns zum Ufer der Selbst-Verwirklichung bringen soll. Der Ausgangspunkt der Reise ist das mit dem Leben verbundene Leiden – warum auch sonst sollten wir überhaupt »abreisen« wollen? Warum uns bemühen? Warum sollten wir uns selbst erforschen? Leiden ist der Ausgangspunkt aller spirituellen Lehren. Kapila, der Vater der Sankhya-Philosophie, des geistigen Fundaments des Yoga, stellt an den Anfang seines Grundlagenwerkes diese Worte: »Das Ende des Leidens ist das höchste Ziel des Menschen.«[27] Auch Buddha beginnt mit der schlichten Erkenntnis, dass Leiden existiert. Er sagt dies mit einem Lächeln und lässt uns gleichzeitig wissen: Leiden kann überwunden werden, indem man erkennt, was die Ursachen sind, und indem man umkehrt und sich auf den Weg nach innen macht, um sie zu beseitigen. Mit den Hauptursachen des Leidens beschäftigen sich die nächsten Verse Patanjalis.

Fünf Kleshas – die Hauptursachen des Leidens (3–9)

3

Es gibt fünf Hauptursachen, die zu Leid führen: das Nicht-Verstehen der wahren Natur unseres Seins, die Ich-Zentriertheit, das Habenwollen, das Nicht-Habenwollen und das Hängen an der Kontinuität unseres körperlichen Daseins, verbunden mit der Angst vor dem...

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