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E-Book

Von Prada zu Pampers

Eine Fernsehmoderatorin berichtet live vom Wickeltisch

AutorBettina Cramer
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783864151521
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
**Gestern roter Teppich - heute Mami** Wie für alle frisch gebackenen Mütter hat sich das Leben von Bettina Cramer um 180 Grad gedreht, seit ihre Wunschkinder auf der Welt sind. War sie bisher auf dem roten Teppich und in der glitzernden Fernsehwelt zu Hause, besteht der Großteil ihres Tagesablaufs jetzt vor allem daraus, ihre Zwillinge Carla und Luis großzuziehen. Dabei ergeht es ihr so wie den meisten Müttern. Sie kämpft mit Schreiattacken, Essensverweigerung, durchwachten Nächten, vermisst die Anerkennung und Selbstverwirklichung in ihrem Job - und möchte die beiden Kinder dennoch nie im Leben wieder hergeben. Obwohl nicht jede Frau in der Welt der Promis und Fernsehkameras zu Hause ist, sind die Erlebnisse dennoch sehr ähnlich, wenn sich gut ausgebildete, anspruchsvolle und beruflich erfolgreiche Frauen ab Mitte 30 für Kinder entscheiden. Bettina Cramer erzählt charmant, witzig und emotional von all den Dingen, die viele Mütter erleben.

Bettina Cramer, 41, ist Journalistin und Fernsehmoderatorin. Bekannt wurde sie u. a. als Moderatorin des Sat1-Frühstücksfernsehens und des Boulevardmagazins blitz. 2009 brachte sie ihre Zwillinge Carla und Luis zur Welt. Seitdem hat sie die Pradakleider vorübergehend gegen Pampers eingetauscht.

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Leseprobe

HEUTE IN BERLIN GEBOREN


Das Wasser spritzt in alle Richtungen, es sprudelt nur so aus der Duscharmatur an der Wand. Aus der Brause kommt allerdings kein Tropfen. Ich muss aber duschen! Mir wird flau im Magen vom starken Lilienduft und den Gedanken an den Tag, der vor mir liegt. Zehn riesige, rosafarbene Lilien stehen in einer Vase vor der Dusche, neben der Toilette, unter dem Waschbecken. Für vier Quadratmeter eindeutig zu viele, schon im Krankenzimmer konnte ich den sonst so geliebten Duft nicht ertragen. Unzählige Liter Berliner Wasser laufen ungenutzt in den Abfluss, während ich, ungeduscht und von Lilien betäubt, überlege, wie ich mich am elegantesten durch die engen Schiebetüren der winzigen Kabine zwänge, um irgendwo anders in der großen Klinik noch eine andere Dusche zu finden. In einer Stunde bekomme ich nämlich Zwillinge.

»Micha!! Die Dusche ist kaputt, irgendwas ist geplatzt, kannst du im Schwesternzimmer mal fragen, wo ich noch duschen kann?« Zum Glück ist mein Mann schon da. Um halb sieben stand er in der Tür, ein bisschen blass um die Nase. Verständlich, schließlich wird er heute zum ersten Mal Vater. Ich habe eigentlich ganz gut geschlafen in Anbetracht der Tatsache, dass ich einen Mega-Bauch, eine abklingende Bronchitis und einen Kaiserschnitttermin habe.

So beschrieb ich meinem Tagebuch meine Gefühle vor zwölf Stunden: »Morgen werde ich Mutter! In zwölf Stunden holt mich meine Hebamme Monika ab, um mich zum OP zu bringen, dann folgt die PDA und um acht Uhr der Kaiserschnitt. Vom Professor persönlich durchgeführt. Ich kann’s nicht glauben, nichts dagegen unternehmen, würde meinen Puls gern wissen, sicherlich hoch, mein Kopf ist jedenfalls rot und mein Herz schlägt schnell. Wie dem Wolf bei ›Rotkäppchen‹ schneiden sie mir morgen den Bauch auf, um meine kleinen Muckel rauszureißen! Ich würde sie noch gern in mir behalten. Was kaum einer verstehen kann. ›Wieso, willst du sie denn nicht sehen? Es nimmt sie dir doch keiner weg!‹, höre ich immer wieder. Doch! Das Leben. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde ich nie wieder Wesen in mir haben, die sich bewegen, Schluckauf haben, schlafen, treten, sich strecken, zuhören, Purzelbäume schlagen, immer ganz nah bei mir sind. Gerade blubbert es in meinen Lenden, als würden kleine Mäuschen hin und her laufen. Jetzt ist ein kleiner Delfin dort, wo eigentlich mein Magen sein müsste, aufgetaucht, um mich kurz zu kitzeln, eine Welle zu hinterlassen und wieder im Bauchozean unterzutauchen. Und das soll morgen alles vorbei sein? Natürlich bin ich wahnsinnig gespannt, wie unsere Kinder aussehen, welchen Charakter sie haben. Ich hoffe so sehr, dass sie gesund sind, niedlich, hübsch, wohlgewachsen, na eben alles, was Eltern sich erhoffen. Dennoch, gerne hätte ich gehabt, dass sie von selbst entscheiden, wann sie auf die Welt wollen, und gerne hätte ich ihnen mit meiner Kraft dabei geholfen …«

»Guten Morgen, Frau Cramer! Ich hab von Ihrem Problem gehört. Sie können im Schwesternumkleideraum duschen. Ach ja, heute ist schon viel los, Ihr OP-Termin wurde um eine Stunde verschoben. Der Professor hat noch drei andere vor Ihnen«, teilt mir eine Schwester unaufgeregt mit. Aha. Na gut. Jetzt habe ich sieben lange Jahre auf diesen Moment gewartet, da werde ich die eine Stunde auch noch verkraften.

Im Schwesternumkleideraum stelle ich fest, dass es noch kleinere Duschkabinen gibt. Bei 113 Zentimetern Bauchumfang – vor 20 Minuten gemessen – müssen 13 eben vor der Tür warten, bis sie dran sind. Ich dusche ausgiebig, wasche mir die Haare. Meine Kinder sollen ihre Mutter doch gepflegt kennenlernen und wer weiß, wann ich das nächste Mal die Arme ohne Schmerzen bis zum Kopf bekomme. Scheiße, habe ich Angst vor dem Kaiserschnitt. Ich hasse Operationen, hatte noch nie so eine große und ich möchte nicht aufgeschnitten werden! Eine Woche haben jetzt alle mit mir getextet, ob oder ob nicht. Was besser für die Kinder ist, was nicht. Ich wollte vom Anfang bis fast zum Ende der Schwangerschaft eine natürliche Geburt. Bis vor einer Woche sprach nichts gegen diesen Wunsch. Doch dann stellte meine Frauenärztin vorigen Montag fest, dass unser Mädchen ungefähr 500 Gramm leichter ist als der Boy. Sie schickte mich noch einmal zum Spezialisten. Der Feindiagnostiker schallte, maß und rechnete sehr, sehr lang und genau. Verzog dann die Stirn. Und sagte:

»Also, eigentlich alles okay, bis auf ein paar Parameter, aber dazu will ich jetzt nichts sagen, das muss nichts bedeuten.«
»Herr Doktor, was ist los?«, fragte Micha direkt.
»Na ja, ich will da den Kollegen nicht ins Handwerk pfuschen, sie sind ja bei dem ›Zwillingspapst‹ von Berlin, am besten, der guckt sich das noch mal an.«
»Herr Doktor! Raus mit der Sprache!«
»Also, bei Ihrem Mädchen, da könnte die Versorgung im Kopf nicht so gut sein.«
»Und was heißt das?«
»Ach, ich will da nicht …!«
»Bitte!«
»Also, wenn Sie mich fragen – warum warten Sie eigentlich noch? Sie sind in der 38. Woche, beide Kinder sind groß, für Zwillinge sehr groß. Es kann nur noch schlechter werden. Die Versorgung nimmt manchmal in kurzer Zeit rapide ab.«
»Sie raten uns also, nicht die natürliche Geburt abzuwarten, sondern einen Kaiserschnitt zu machen?«, fragte ich zögernd nach.
»Ja.«
»Wann?«
»Morgen.«
»Wieso denn so schnell, was kann denn im schlimmsten Fall passieren?«, wollte Micha wissen.
»Dass Ihre Frau ein totes Kind im Bauch hat.«

Am nächsten Morgen waren wir samt Hebamme in der Klinik. Dort stellte man zwar auch fest, dass unser Junge größer und schwerer als das Mädchen ist, Auffälligkeiten bei der Versorgung konnte aber keiner messen. Jedoch wollten die Experten hier dem vielgeschätzten Feindiagnostik-Kollegen auf keinen Fall widersprechen und so verhielten sie sich sehr zurückhaltend. Michael und ich waren total verunsichert. Selbst meine erfahrene Powerhebamme meinte, wir müssten ganz allein entscheiden, wie weiter. Also wurde erst einmal entschieden, dass die Frau mit dem dicken Bauch in der Klinik bleibt, weil sich nämlich zusätzlich zu den neuen Sorgen über Nacht ein wunderbar rasselnder Husten samt Bindehautentzündung eingenistet hatte. Und damit könne man ja auf keinen Fall operiert werden.

Drei Tage und unzählige Anitbiotika-Infusionen später, kam mich mal wieder der Herr Professor in meinem Zimmer besuchen. Ich bin Kassenpatientin, aber den Luxus, vom Prof persönlich entbunden zu werden, plus Einzelzimmer haben wir mir »gegönnt«.

»Frau Cramer, wie wollen Sie denn nun entbinden?«, fragte er mich zum ungefähr 300. Mal in den vergangenen Tagen. Dabei erhellte ein herrlich verschmitztes Kleine-Jungs-Lächeln sein Gesicht. Er war ein alter Fuchs, hatte noch ein Jahr bis zur Pension, besser: zum Lehrauftrag an einer Elite-Uni in den USA. Er hatte schon alles gesehen und wusste genau, was in mir vorgeht. Und natürlich wusste er auch ganz genau, wie ich entbinden wollte.

»Herr Professor, wie oft haben Sie mich das jetzt schon gefragt?! Sie wissen doch: Ich will meine Babys auf natürlichem Weg bekommen. Aber Sie sind der Experte. Ich höre auf Sie!«

Er atmete tief durch, schaute aus dem Fenster, auf dessen Brett er saß, und dann auf seine baumelnde Füße. »Ich bin auch immer für den natürlichen Weg, aber …«

»Professor, bitte, was ist das Beste für die Kinder?« Schweigen. Nach einer Minute Überlegen fing er an: »Also, wenn Sie meine Tochter wären …«
»Wunderbar! Das gefällt mir! Egal, was Sie jetzt sagen – so machen wir es!«
»Also, wenn es meine Tochter wäre, Ende dreißig, erstgebärend mit Zwillingen, dann würde ich ihr auf jeden Fall zu einem Kaiserschnitt raten. Der birgt das geringste Risiko für die Kinder, besonders für das zweite. Das ist kleiner, zarter. Ihm kann so eine Geburt sehr zusetzen, es könnte im Bauch umkippen, unterversorgt werden und …«
»Entschieden. Wann?«
»Montag, als Erste um sieben.«
»Ach, zweite oder dritte reicht auch, ich bin keine Frühaufsteherin.«
»Okay, um acht. Schönes Wochenende!«

Während mir die PDA gelegt wird, quassle ich wie ein Wasserfall oder wie meine defekte Duscharmatur. Mache Witzchen, erzähle schwachsinnige Geschichten, unterhalte den ganzen OP-Saal. Ich bin so aufgeregt. Schon vor dem Einstich in den Rücken habe ich solche Angst. Vor Jahren bin ich bei einer PDA ohnmächtig geworden. Dieses Mal geht alles glatt, es tut sogar weniger weh als erwartet. Langsam legen mich die zwei Hebammen und zwei Schwestern auf den OP-Tisch, die Arme abgespreizt vom Körper. Wie gekreuzigt. Der Professor kommt rein, begrüßt mich nett. Wo bleibt Micha? Anästhesisten, eine Chirurgin, Schwestern, alle bereiten sich vor. Endlich kommt der werdende Papa, ganz in Grün und sogar ziemlich optimistisch lächelnd, auf mich zu. Und mir wird schlecht.

»Du bist ganz blass, Bella!«
»Oh, ich glaube, ich werde ohnmächtig, ich hab solche Angst und mir ist so übel.« Sofort habe ich eine Spuckschüssel aus Pappe vor dem Gesicht und eine extrem kalte Flüssigkeit in der Vene.
»Das kriegen wir wieder hin, ich gebe ihr ein Mittel dagegen«, höre ich den Anästhesisten aus der Ferne sagen. Und tatsächlich: Sekunden später wird das...
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