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Quartäre Landschaftsgenese und historische -degradation in der Serra dos Órgãos, Rio de Janeiro

AutorUdo Nehren
VerlagCuvillier Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl274 Seiten
ISBN9783736932524
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,00 EUR
Die vorliegende Dissertation widmet sich der quartären Landschaftsgenese und der anthropogen bedingten Landschaftsdegradation in der Serra dos Órgãos, einem jung gehobenen Kristallingebirge im Hinterland des Bundesstaates Rio de Janeiro, das sich durch die Existenz artenreicher Küstenregenwälder der Mata Atlântica auszeichnet, die zunehmend durch den Menschen bedroht sind. Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit der Landschaftsgenese während der quartären Klimazyklen und liefert neue Erkenntnisse über die Entwicklung von Rumpfflächenlandschaften, die jungquartäre Vegetationsdynamik, geomorphologische Prozessdynamiken sowie die Genese tropischer Böden. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der anthropogenen Degradation insbesondere von Wäldern und Böden und erforscht die Zusammenhänge zwischen der natürlichen, vom Menschen unbeeinflussten Landschaftsgenese und der historischen Landnutzung von der prähistorischen Besiedlung bis zur Gegenwart. Gemäß den vielfältigen Fragestellungen wurde der holistische Forschungsansatz der Landschaftsökologie gewählt. Die landschaftsgenetischen Untersuchungen erfolgten auf Basis geomorphologischer und bodengeographischer Gelände- und Labormethoden, die historische Landschaftsdegradation wurde im Gelände anhand von Degradationsformen und Bodeneigenschaften interpretiert. Detailliert untersucht wurden verschiedene Waldstandorte und ein kleines Einzugsgebiet. Zudem wurden archäologische und historische Quellen ausgewertet, um ein umfassendes Bild der historischen Landnutzung zu gewinnen. Für das Munizip Teresópolis wurden zudem die Zusammenhänge zwischen Landnutzung, Landschaftsdegradation und sozioökonomischen Triebkräften untersucht. Die känozoische Landschaftsgenese der Serra dos Órgãos wurde maßgeblich durch tektonische Prozesse, die Petrovarianz, die Auswirkungen globaler Klimaschwankungen sowie reliefbedingte Klimaeffekte bestimmt. Das Klima hatte wiederum einen maßgeblichen Einfluss auf die Vegetationsdynamik, den Wasserhaushalt, die Verwitterungs- und Abtragsverhältnisse sowie die Bodenentwicklung. Gesteuert wurde die großräumige Reliefentwicklung durch die tektonische Hebung der Serra do Mar / Serra dos Órgãos sowie den monozyklischen Wechsel des reliefwirksamen Klimas – von feucht zu trocken und wiederum feucht – im Tertiär. Innerhalb der großräumigen Strukturen wirkten sich der orographische Luvseiten-Effekt sowie die Petrovarianz und Klüftigkeit der Gesteine maßgeblich auf die Reliefentwicklung aus. Vor allem letztere ist für eine unterschiedliche Durchfeuchtungstiefe, Tiefenverwitterung und damit ungleichmäßige Verwitterungsfront verantwortlich, die durch Abtragungsprozesse an die Oberfläche gelangte und die weitere Reliefgenese determinierte. Das Quartär ist durch polyzyklische Klimafluktuationen gekennzeichnet, die jedoch keinen Einfluss auf die großräumige Reliefentwicklung hatten, sondern lediglich zur Weiterbildung der im Tertiär angelegten Strukturen und zur Ausräumung tertiärer Füllungen in Talungen führten. Pedimente oder Flussterrassen als Zeugen der Klimazyklen wurden im jungen Hebungsgebiet der Serra dos Órgãos nicht nachgewiesen. Auf Grundlage der untersuchten Profile und unter Einbeziehung paläoklimatischer Befunde anderer Untersuchungen wurde ein landschaftsgenetisches Modell für das jüngere Quartär entworfen. Rote Böden haben sich demnach nur unter trocken-heißen Bedingungen im Tertiär gebildet und wurden durch (bio)chemische Umwandlungsprozesse (Chelation oder Xanthisierung) im Pliozän und Quartär überprägt. Diese Prozesse führten zu einer relativen Anreicherung des braun färbenden Goethits gegenüber dem roten Hämatit in der oberen Bodenzone. Während der Kaltzeiten kam es zu einem Waldrückzug und verstärkten Bodenabträgen. Die heute vorzufindenden Kolluvien wurden primär während der Instabilitätsphase gegen Ende des Würms und zu Beginn des Holozäns sowie nach der ersten Rodungsphase abgelagert. Zudem deutet einiges aufverstärkte Abträge während sogenannter Dansgaard- Oeschger-Ereignisse in den Kaltzeiten hin. Eine häufig zwischen einem (gelb)braunen Boden und einem roten Latosol ausgebildete Steinlage wird primär auf Bioturbation zurückgeführt. Es wird der Nachweis geführt, dass die Steinlagenbildung durch Bioturbation an eine waldfreie Landschaft gebunden ist, was auf trockene Klimabedingungen schließen lässt. Der Autor stützt mit seinen Befunden das „Biomantel Konzept“ von JOHNSON (1990, 1992) und ältere Arbeiten von THORP (1936, 1949), wonach die Grenze braun/rot (mit oder ohne Steinlage) die Untergrenze des durch Bioturbation geprägten Teils des Bodens markiert. Er geht aber noch einen Schritt weiter, indem er aus der Verbreitung und Ausprägung von Steinlagen und (gelb)braunen Böden Rückschlüsse auf die Klimaentwicklung und Pedogenese zieht. Neben der Bioturbation wurden auch andere Entstehungsmechanismen von Steinlagen nachgewiesen, so dass eine landschaftsgenetische Deutung nur zusammen mit anderen Geländebefunden möglich ist. Im Hinblick auf die historische Landschaftsdegradation wird die Serra dos Órgãos in drei Teilräume unterteilt: (a) Die bereits in prähistorischer Zeit durch Brandrodung und später durch koloniale Ausbeutungszyklen stark beeinträchtigte Küstenregion, (b) die heute überwiegend bewaldeten Gebirgshänge im Luv der Serra, die in Abhängigkeit von Reliefposition und Höhenlage unterschiedlich stark beeinflusst sind, sowie (c) die erst im frühen 19. Jahrhundert erschlossene Bergregion im Lee der Serra, die derzeit von einer massiven Nutzungsintensivierung und Landschaftsdegradation betroffen ist. Der Nachweis einer prä-anthropogenen flächenhaften Verbreitung gelbbrauner und brauner Böden, die bodentypologisch überwiegend als Cambisole anzusprechen sind, führt zu der Folgerung, dass die roten Ferralsole nicht als charakteristische Böden unter Regenwald, sondern als das Ergebnis anthropogener Bodendegradation zu deuten sind. Durch Bodenerosion wurden die (gelb)- braunen Bodenhorizonte vielerorts abgetragen und die tertiären roten Latosole freigelegt. Der „natürliche“ zonale Bodentyp ist daher der Cambisol. Von den verschiedenen Degradationsformen sind im Munizip Teresópolis ein zunehmender Flächenverbrauch durch Suburbanisierungsprozesse und neue Verkehrsflächen, das Abbrennen von Buschland und Waldflächen, Bodenerosion durch Überweidung und Gemüsebau sowie Veränderungen der Gewässerdynamik hervorzuheben. Örtlich wurde eine Überformung ganzer Landschaftsteilräume beobachtet. Die Entwaldung folgt verschiedenen sozioökonomischen Triebkräften, die hohen Bodenerosionsraten sind die Folge unangepasster Nutzungsformen und natürlicher Ungunstfaktoren. Spuren präkolonialer Brandrodungen fanden sich in der Bergregion nicht. Hohe Bodenabträge und Grabenerosion sind auf eine Übernutzung in den letzten zweihundert Jahren zurückzuführen. Im untersuchten Einzugsgebiet begann die Nutzungsintensivierung erst Mitte des letzten Jahrhunderts, führte in diesem kurzen Zeitraum aber bereits zu gravierenden Schäden. Für das Einzugsgebiet wurden die Empfindlichkeiten gegenüber Bodenerosion ermittelt und Vorschläge für geeignete Nutzungen unterbreitet.

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