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Rechtsstaat und Terrorismus

Untersuchung der sicherheitspolitischen Reaktionen der USA, Deutschlands und Großbritanniens auf den internationalen Terrorismus

AutorStephan Büsching
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl199 Seiten
ISBN9783640444236
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Doktorarbeit / Dissertation aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Politik - Sonstige Themen, Note: cum laude, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Institut für politische Wissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Die hier vorliegende Doktorarbeit 'Untersuchung der sicherheitspolitischen Reaktionen der USA, Deutschlands und Großbritanniens auf den internationalen Terrorismus' von Stephan Büsching M.A. untersucht die Frage, welche Auswirkungen der islamistische Terrorismus auf die sicherheitspolitischen Vorstellungen und Strategien der drei behandelten Staaten hat, und inwieweit diese Strategien Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit tangieren. Eine weitergehende wissenschaftliche Einordnung der Analysen erfolgt in einem zweiten Schritt unter Zuhilfenahme einschlägiger staatswissenschaftlicher Sekundärliteratur. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den legislativen und administrativen Reaktionen auf den islamistischen Terrorismus. Im Fall der Vereinigten Staaten stehen hierbei die Verhaftungswellen nach dem 11. September 2001, die Etablierung des Department of Homeland Security, der PATRIOT Act, und das Internierungslager auf Guantanamo im Mittelpunkt der Studien. Bei Deutschland liegt der Schwerpunkt auf den Sicherheitspaketen I + II, der Erweiterung des Handlungsspielraums staatlicher Sicherheitsorgane und der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit jenen Erweiterungen. Bei der Analyse der britischen Reaktion auf den Terrorismus steht die Gesetzgebung, insbesondere der UK Anti-Terrorism Crime and Security Act und die mit diesem Gesetz zusammenhängende Rechtsprechung im Mittelpunkt. Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung ist, dass sich in allen drei untersuchten Gesellschaften der Staatscharakter Züge eines Präventionsstaates annimmt, der bestrebt ist, Risiken für seine Bürger lange vor deren tatsächlichen Manifestierung zu erkennen und zu beseitigen, hierbei umfangreiche Ermittlungen nur aufgrund einer allgemeinen Gefahrenlage anstößt, und dabei fast unweigerlich mit Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit kollidiert. Für die USA und Großbritannien lässt sich feststellen, dass hier die Entwicklung noch einen Schritt weiter geht. Der Verdacht auf terroristische Aktivitäten ist hier zum Inhaftierungsgrund auf rein administrativer Grundlage geworden, ohne dass der Verdächtige Anspruch auf ein reguläres Gerichtsverfahren hat. Dies sind Auswüchse die darauf hinweisen, dass im Kampf gegen den Terror das Staatsziel und nicht länger das Recht den Maßstab für das staatliche Handeln lieferte. Festzuhalten ist dabei, dass in der praktischen Politik diese Vorgehensweise in den USA einen weit größeren Umfang annahm als in Großbritannien.

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Leseprobe

2. Problemstellung


 

Die Kernfrage, auf die der demokratisch-liberale Staat eine Antwort von heute finden muss, lautet, wie er auf das steigende individuelle Gewaltpotential bei gleichzeitig steigender Störanfälligkeit moderner Gesellschaften reagieren soll, wie er dabei seiner Schutzfunktion auch zukünftig noch gerecht werden und seine freiheitliche Grundordnung bewahren kann.

 

 Ohne sich dessen immer bewusst zu sein, ist es diese Frage, die liberale Gesellschaften immer wieder neu beantworten müssen. Der al-Qaida-Terrorismus wirft genau diese Frage auf. Der 11. September zeigt in aller Brutalität, wie verletzlich unsere hochtechnisierte Welt ist und mit welch geringen Mitteln zu allem entschlossene Individuen größten Schaden anrichten können. Einer Handvoll mit Teppichmessern bewaffneten Männern ist es gelungen, den bisher verheerendsten Terroranschlag in der Geschichte zu verüben, indem sie Flugzeuge entführten und unter Aufopferung ihres Lebens als Bomben missbrauchten.

 

 Staaten, die zum Zielgebiet des islamistisch motivierten Terrors geworden sind, stellen die Anschläge vor die Frage, wie sie zukünftig noch die physische Sicherheit ihrer Bürger garantieren wollen. Für die Staaten, deren Reaktion auf den islamistischen Terrorismus hier im Mittelpunkt stehen, die USA, Deutschland und Großbritannien, gilt dabei zusätzlich, dass nicht der mögliche Erfolg einer sicherheitspolitischen Maßnahme zum Schutz vor terroristischen Anschlägen alleiniger Maßstab sein kann, sondern diese Staaten gleichzeitig vor der Herausforderung stehen, ihre freiheitliche Grundordnung zu bewahren und offene Gesellschaften zu bleiben. Inwieweit dies konkret gelungen ist oder auch nicht gelungen ist, wird im einzelnen untersucht.

 

2.1. Alter und neuer Terrorismus


 

Das Erscheinungsbild terroristischer Gewalt hat sich geändert. Jahrzehntelang war der Westen, speziell Westeuropa, vor allem mit linksextremistischem und ethnisch motiviertem Terrorismus konfrontiert. Der heute global vorherrschende, religiös motivierte Terrorismus zeichnet sich nicht erst seit dem 11. September gegenüber anderen terroristischen Strömungen durch eine deutlich höhere Rücksichtslosigkeit bei der Wahl der Mittel und Ziele aus[6]. Für dieses Phänomen existiert eine theoretische Erklärung. Sozialrevolutionären und ethnisch-nationalistischen Terrororganisationen werden ein größeres Interesse an der Außenwirkung ihrer Aktionen auf Sympathisanten unterstellt als religiös-motivierten Terrororganisationen. Politisch motivierte Terrororganisationen sehen sich selbst in der Regel als Befreier von Unterdrückung. Bei ihren Terroraktionen sind und waren derartige Organisationen bemüht, diejenigen zu schonen, die ihrem ideologischen Denken gemäß es zu befreien gilt. Natürlich auch, um eventuell vorhandene Unterstützung von Sympathisanten nicht zu verlieren.

 

 Anders verhält es sich bei religiös-motivierten Terrororganisationen. Ihnen ist das Außenbild, das sie mit ihren Aktionen erzeugen, schlimmstenfalls egal, da sie ihre Legitimation aus kaum nachvollziehbaren religiösen Wahnvorstellungen beziehen. Zentrales Beispiel hierfür ist dabei der Giftgasanschlag der Aum-Sekte auf die U-Bahn von Tokio.[7] Inwieweit das Bild der rein religiös motivierten Terrororganisation auf al-Qaida zutrifft, ist dabei nicht eindeutig zu sagen. Bezogen auf al-Qaida und die Aum-Sekte schreibt Yael Shahar, dass diese „two groups have in common an extremist ideology that appeals to intelligent people of a certain mindset, together with a cult-like isolation and division of the world into ’true believers’ versus everyoene else.“[8] Auch nach Ansicht von Michael Ignatieff spricht viel dafür, dass die Ziele al-Qaidas „are less political than apocalyptic“[9]. Herfried Münkler sieht es als eindeutiges Kennzeichen, dass al-Qaida keine politischen Ziele verfolgt, sondern rein religiös-apokalyptischen Vorstellungen anhängt, dass nach dem 11. September keine Bekennerschreiben gefunden wurden.[10] Wenn für al-Qaida wirklich politische Ziele, wie der Rückzug der USA aus der Golfregion eine Rolle spielten, warum wurden diese dann nicht offen kommuniziert, hätte dies doch in den USA eine Diskussion auslösen können, ob man für die militärische Präsenz am Golf nicht einen zu hohen Preis zahlt.

 

Schaut man sich Quellentexte von al-Qaida an, ergibt sich ein anderes Bild. Viele Äußerungen lassen darauf schließen, dass die Terrororganisation sehr wohl politische Ziele verfolgt. In einer Botschaft vom 23. August 1996 an mehrere arabische Zeitungen erklärte Osama bin Laden es zur wichtigsten Aufgabe aller Muslime, „den amerikanischen Feind zu vertreiben, der unser Land[11] besetzt hält“[12]. Auch die radikalsten Äußerungen von al-Qaida Terroristen münden letztlich in einer Forderung nach einem Rückzug Amerikas und seiner Verbündeten aus dem arabischen Raum. „Folglich (...) teilen wir allen Muslimen folgendes Urteil mit: Die Amerikaner und ihre Verbündeten zu töten, ob Zivilisten oder Soldaten, ist eine Pflicht jedes Muslims, der es tun kann, in jedem Land, wo er sich befindet, bis die al-Aqsa-Moschee und die große Moschee in Mekka von ihnen befreit sind, bis ihre Armeen alle muslimischen Gebiete verlassen (...).“[13]

 

Selbst wenn man al-Qaida politische Ziele zubilligt, rechtfertigt dies natürlich in keinster Weise die Mittel, mit denen al-Qaida diese Ziele verfolgt, die tatsächlich eine neue Dimension des Terrors darstellen. Um eine Antwort auf den islamistischen Terrorismus finden zu können, ist es aber notwendig, vorurteilsfrei zu prüfen, auf welcher ideologischen Grundlage sich dieser vollzieht.

 

2.1.1. Die besondere Herausforderung des Terrorismus’ für den liberalen Rechtsstaat


 

Wenn wir ein neues Ausmaß terroristischer Bedrohungen als gegeben anerkennen, wirft das eine grundlegende Frage auf: Ist der demokratisch-liberale, von den Idealen der Aufklärung geprägte Staat in der Lage, mit der Herausforderung durch den neuen, global agierenden, in der Wahl der Mittel und Ziele fast wahllosen Terrorismus umzugehen, oder sind die „Fesseln“, die der demokratische Rechtsstaat für sich akzeptiert hat, zu eng, um mit der neuen terroristischen Bedrohung fertig zu werden? Für Carl Schmitt, den wohl umstrittensten politischen Denker des 20. Jahrhunderts, wäre die Antwort eindeutig negativ ausgefallen. Liberale Ideen im Zuge der Aufklärung haben nach Schmitt „den mächtigen Leviathan von innen her zerstört und den sterblichen Gott zur Strecke gebracht hat“[14] Der Liberalismus habe den Staat – den Leviathan – zur „neutralen Gesetzesmaschine“[15] gemacht. Die Schwäche dieses Staates liegt für Schmitt darin, dass er keine souveräne Instanz mehr besitzt. „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“[16], so lautet der vermutlich meistzitierte Gedanke Schmitts. Der Souverän entscheidet allein, wann der Ausnahmezustand, der die Existenz des Staates an sich gefährdet, eingetreten ist und „was geschehen soll, um ihn zu beseitigen“[17]. Einen solchen Souverän kennen moderne Rechtsstaaten aber nicht. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts stellte Schmitt mit einem Unterton des Bedauerns fest, dass alle Tendenzen der modernen rechtsstaatlichen Entwicklung dahin gingen, den Souverän in diesem Sinne zu beseitigen.[18] Stattdessen wird die Souveränität „in der Praxis der rechtsstaatlichen Verfassung in irgendeiner Weise auf verschiedene, sich gegenseitig hemmende und balancierende Instanzen verteilt.“[19]

 

In der Eliminierung des Souveräns sieht Schmitt die größte Schwäche liberaler Rechtsstaaten westlicher Prägung, da es diese unfähig macht, auf existenzbedrohende Herausforderungen angemessen zu reagieren. Im Kern beruht Schmitts Antiliberalismus dabei auf einem negativen Menschenbild. „In der Tradition von Machiavelli und Hobbes stehend, sieht Schmitt den Menschen als böse und gefährlich an.“[20] Hobbes bekannter Ausspruch, dass der Mensch des Menschen Wolf ist[21], ist für Schmittianer eine „Verleumdung der Wölfe“[22]. Ohne die souveräne Gewalt eines starken Staates, der die menschlichen Obsessionen niederhält, würden die Menschen im Chaos versinken.[23] Mit Blick auf sozialrevolutionäre Bewegungen seiner Zeit war sich Schmitt sicher, dass der bürgerliche Liberalismus, „der alle politische Aktivität ins Reden verlegt, in Presse und Parlament“[24] dieser „Zeit sozialer Kämpfe nicht gewachsen“[25] ist. Gemünzt auf die Fragestellung dieser Arbeit würde aus der Perspektive Schmitts vermutlich bezweifelt werden, dass die liberalen westlichen Demokratien unserer Zeit gegen den radikalen Islamismus bestehen können.

 

 Schmitt ist Anhänger eines autoritären Ausnahmezustandes, und steht, wie geschildert, der Tendenz moderner Verfassungen, den Handlungsspielraum der Staatsmacht selbst im Ausnahmezustand noch...

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