1 WARUM
WARUM ERHOLUNG SO WICHTIG IST
Wir bereiten das Thema Regeneration im Dreiklang »Warum, was, wie«1 für Sie auf:
- Warum: Warum ist Regeneration überhaupt relevant und warum verbessert sie unseren Alltag?
- Was: Was sollte man über die menschliche Physiologie und Psyche wissen, damit man den größten Nutzen aus diesem Buch ziehen kann?
- Wie: Wie lassen sich die Strategien und Tools individuell im Alltag ein- und umsetzen?
Wir praktizieren das, was wir predigen – an uns und mit unseren Klienten sowie Kunden. Dazu zählen Profi- und Freizeitsportler sowie Führungskräfte in der Wirtschaft, im Gesundheitswesen und beim Militär. All jenen haben wir in den vergangenen Jahren dabei geholfen, ihre Leistungsfähigkeit nicht nur zu erhalten, sondern diese auch auf die nächsthöhere Stufe zu bringen; selbst in schwierigsten Situationen wie beispielsweise während Auslandseinsätzen der Bundeswehr.
Um dies zu erreichen, haben wir aber den Fokus nicht darauf gelegt, die Anforderungen an Physis und Psyche durch ein Mehr an Training oder Aufgabenstellungen zu steigern. Wir haben uns stattdessen bewusst zum Ziel gesetzt, die Erholung beziehungsweise die Regeneration dieser High Performer zu verbessern. Das ist für uns der Schlüssel zum langfristigen und nachhaltigen Erfolg.
Denn: Einen Menschen durch einen Overload an Training beziehungsweise hoher Beanspruchung besser zu machen, ist vergleichsweise einfach – allerdings nur kurzfristig und zumeist auf ungesunde Art und Weise, also keinesfalls nachhaltig und von Bestand. Ein Zeichen von Vitalität ist, Leistungen dauerhaft zu erbringen und nicht nach einer gewissen Zeit unter dieser Last zusammenzubrechen.
Jeder von uns hat in der Regel schon genug Stress beziehungsweise Reize zu ertragen. An vielen können wir gar nichts ändern, da diese von anderen oder durch andere ausgelöst werden. Wir können aber unseren eigenen Umgang mit Stress und Reizen verändern. Das wollen wir Ihnen hier anhand von Best-Practice-Beispielen zeigen. Wir erarbeiten mit Ihnen gemeinsam, wie Sie Reize aufnehmen und verarbeiten können, um danach stärker zu sein.
DAS BEDEUTET REGENERATION FÜR MICH
Körperliche Ruhe ist für viele aktive Menschen oftmals mehr Fluch als Segen, denn immer in Action zu sein, ist schließlich das, was uns auszeichnet und definiert. Auch ich hatte anfangs meine Probleme damit:
Früher dachte ich, körperliche Ruhe sei reine Zeitverschwendung. Ich bin doch Arzt: Warum sollte ich mich ausruhen, wenn ich Patienten anschauen oder gar operieren konnte?
2005 musste ich dann aber schmerzlich erfahren, dass ich, obwohl kerngesund und ehemaliger Leistungssportler, keinesfalls unverwundbar bin. Nachdem ich am Wochenende in der Sommerhitze einen Halbmarathon gelaufen war und am Anfang der nächsten Woche direkt den sechsten dreißig Stunden langen Notdienst im Krankenhaus schob, passierte das für mich damals Unerwartete. Am darauffolgenden Abend während eines ruhigen Abendessens entwickelte mein Herz eine absolute Arrhythmie. Das bedeutet, dass mein Herz das Taktgefühl verlor und völlig aus dem Rhythmus geriet.
In diesem unschönen und besorgniserregenden Zustand befand ich mich für circa 16 Stunden. Auf dem Weg in den OP sprang mein Herz dann endlich wieder in seinen gesunden Rhythmus zurück.
Am Ende des Tages war es wohl nicht die Medizin, die mir geholfen hat, sondern eher die 16-stündige erzwungene Ruhephase. Glücklicherweise sind mir seit diesem Tag weitere Episoden von Herzproblemen erspart geblieben. Wohl auch, weil ich um die Gefahren weiß und rechtzeitig gegensteuern kann.
Dr. Lutz Graumann
Hier sind wir schon beim Wesen dieses Buches: Jeder Reiz verlangt immer nach Erholung. Jeder von uns kennt die Situation, dass man sich nach einer intensiven Trainingseinheit müde und erschöpft fühlt und es dann Stunde um Stunde besser wird.
Training + Erholung = Erfolg / verbesserte Leistung
Allerdings bedeutet diese Erholung mehr als Ruhe. Wissenschaftlich wird alles, was im Anschluss der Belastung dazu dient, schneller wieder auf das Ausgangsniveau oder darüber hinaus zurückzukehren, als Regeneration bezeichnet.
Regeneration ist also die Summe aller Prozesse, die im Körper im Anschluss an eine Belastung ablaufen. Dazu gehören aktive und passive Prozesse. Das gemeinsame Ziel ist die Wiederherstellung des physiologischen Gleichgewichts – der sogenannten Homöostase – und im Anschluss an einen Trainingsreiz der Leistungszuwachs, der in der Wissenschaft als Superkompensation bezeichnet wird.
Zu diesen Vorgängen im Organismus gehören:
- Wiederauffüllen der Energiespeicher mit Glykogen
- Wiederauffüllen der verlorenen Mineralstoffe und des Körperwassers
- Regulation des pH-Werts
- Regulation der Körpertemperatur
- Entzündungsregulation
- Ausschüttung an Sexualhormonen und Wachstumshormonen, um nicht nur auf das Ausgangsniveau der Leistung zurückzukehren, sondern sogar mit der Zeit besser oder robuster zu werden
- Psychische beziehungsweise mentale Erholung
- Motorische und kognitive Verbesserungen
Prinzipiell unterscheiden wir die physische Erholung von der psychischen oder mentalen Erholung. Denn die Ermüdung, die nach langen oder intensiven Phasen von körperlicher Arbeit und Training entsteht, unterscheidet sich deutlich von der Ermüdung nach psychischen Belastungen oder Kopfarbeit.
Die Regenerationslösungen, die wir Ihnen vermitteln werden, sind daher auch in Tools und Strategien für körperliche sowie mentale Erholung unterteilt. Allerdings können die Regenerationsstrategien in Teilen identisch sein. Gerade in Bezug auf aktive Erholungsmaßnahmen kann der Kopfarbeiter vom Sportler lernen. Zudem können wir Lösungen anbieten, um kurzfristig und schnell zu regenerieren, sowie eher langfristige oder länger andauernde Strategien und Maßnahmen.
Durch Training wollen wir besser werden, ganz egal, ob wir Tennis spielen, laufen oder Gewichte stemmen. Um besser zu werden, müssen wir einen »überschwelligen« Reiz setzen und unseren Organismus bewusst stressen. Dieser Stress bewirkt, dass unsere Homöostase aus der Balance gerät. Unter Homöostase wird die Aufrechterhaltung eines stabilen biochemischen Zustands im Körper verstanden. Um diese Stabilität wieder zu erlangen, versucht der Organismus, sich den veränderten Bedingungen anzupassen. Denn unser Organismus ist seit den Zeiten, in denen unsere Vorfahren Jagd auf Mammuts machten, darauf ausgelegt, solch einen Reiz eigentlich kein zweites Mal erleben zu wollen.
Er wappnet sich sozusagen, indem er beispielsweise die Glykogenspeicher in den Muskeln vergrößert, um mehr Energie bereitstellen zu können, indem er die Muskelstränge vermehrt, um mehr Gewichte stemmen zu können, oder indem er die Motorik von Schulter, Arm und Hand verbessert, um den Tennisball präziser zurückschlagen zu können.
Setzt der Athlet durch eine intensive oder lange Einheit einen Reiz, greift er den Organismus an und zerstört meist auch Substanz wie beispielsweise Muskulatur und Gewebe. Dieser Akt der Zerstörung ist gezielt und gewollt, mit dem Bewusstsein, dass der Körper sich selbst repariert und danach leistungsfähiger ist, indem er dann beispielsweise über stärkere Muskelfasern verfügt. Bringen wir den Körper durch Training und Belastung dagegen nicht aus seinem natürlichen Gleichgewicht, können wir ihn auch nicht stärken.
Eine optimierte Regenerationsstrategie beschleunigt die Erholung, der Körper kann den gesetzten Trainingsreiz besser verarbeiten und der Athlet ist nicht so lange müde und angegriffen.
DAS BEDEUTET REGENERATION FÜR MICH
Auch ich kann von einem einschneidenden Erlebnis in Sachen Schlaf und Erholung berichten. Zum Glück, ohne eine Grenzerfahrung gemacht haben zu müssen. Als ich im Jahr 2011 in der Endphase meiner Doktorarbeit steckte, habe ich angefangen, den Tag in zwei Hälften einzuteilen, um das Pensum zu schaffen. Getrennt wurden die beiden Tageshälften durch einen ausgiebigen Schlaf am Nachmittag. Power Naps kannte ich natürlich schon. Ich fand jedoch schnell heraus, dass ein Mittagsschlaf, bei dem ich einen kompletten Schlafzyklus durchlaufe, eine ganz andere Wirkung auf meine Leistungsfähigkeit hatte. Ich sah zwar nie aus wie Herkules, fühlte mich nach dem Schlaf aber so – und das bis in die frühen Nachtstunden.
Weil ich so fasziniert war von den positiven Auswirkungen, entschied ich mich Ende 2011, komplett auf dieses biphasische Schlafmuster umzusteigen. Dies war jedoch mit vielen Herausforderungen für mich und mein Umfeld verbunden, dem ich an dieser Stelle herzlich danken möchte.
Im Rahmen meiner...